Schönau verschenkt seinen Zunftbaum
Klares Bekenntnis der Gewerbetreibenden blieb aus – Standort musste geräumt werden – Jetzt wird er in Rauenberg aufgestellt

Mehr als 20 Jahre lang stand der Zunftbaum vor der Sparkasse, ein neuer Standort im Stadtgebiet konnte nicht gefunden werden. Foto: privat
Von Nicolas Lewe
Schönau. Heimlich, still und leise hat das Klosterstädtchen eines seiner Schmuckstücke verloren. Über 20 Jahre lang - um genau zu sein seit dem 25. Mai 1997 - stand der Zunftbaum als Symbol der Gewerbetreibenden vor der Schönauer Sparkassenfiliale. Jetzt ist er verschwunden. Nach der Auflösung des Gewerbevereins "Pro Steinachtal" im vergangenen Dezember, ist das vermeintlich der nächste Nackenschlag für die Unternehmen in Schönau, Heiligkreuzsteinach und Wilhelmsfeld. Doch im Gegensatz zum im Jahr 1997 von viel Enthusiasmus begleiteten Aufbau erfolgte der Abbau beinahe unbemerkt. Erst eine Nachfrage der Rhein-Neckar-Zeitung bei Harald Kunkel, Geschäftsstellenleiter beim Bund der Selbständigen (BdS) Nordbaden in Mannheim, brachte die Hintergründe ans Tageslicht.
Hintergrund
Mit dem Verein hat das Gewerbe eine wichtige Triebfeder verloren
Schönau. (lew) "Es gibt niemanden mehr, der sich am Ehrenamt beteiligt." Für Harald Kunkel, Geschäftsstellenleiter des BdS Nordbaden, ist der Abbau des Zunftbaums im Klosterstädtchen
Mit dem Verein hat das Gewerbe eine wichtige Triebfeder verloren
Schönau. (lew) "Es gibt niemanden mehr, der sich am Ehrenamt beteiligt." Für Harald Kunkel, Geschäftsstellenleiter des BdS Nordbaden, ist der Abbau des Zunftbaums im Klosterstädtchen (siehe Artikel oben) die Folge einer Entwicklung, die ihre Ursprünge darin hat, dass es in Schönau immer weniger Gewerbe gibt. Das Ergebnis: Im Dezember 2017 löste sich der Verein "Pro Steinachtal" auf.
Bereits vor zwei Jahren, so Kunkel, habe der Verein vor dem Aus gestanden. Damals gab es noch einmal eine Art Gnadenfrist, ja es kam sogar so etwas wie Aufbruchstimmung auf. Denn 2016 fand in Schönau unter dem Motto "Drei Orte, ein Fest" das erste kommunenübergreifende Sommerfest statt. Die Idee war es, dass dieses im Zweijahres-Rhythmus jedes Mal von einer anderen der drei beteiligten Gemeinden Schönau, Heiligkreuzsteinach und Wilhelmsfeld ausgerichtet werde. Das Fest sollte die Bevölkerung sensibilisieren, im Ort einzukaufen und damit die ortsansässigen Geschäfte zu unterstützen. Zur Rettung des Vereins wurde ein Gutschein-System eingeführt, das, so Kunkel, "gut eingeschlagen" habe.
"Geh nicht fort, kaufe im Ort", sagte Schönaus Bürgermeister Marcus Zeitler damals. Das Steinachtal sollte als "Einkaufsregion" etabliert werden. Doch der Traum platzte, das kommunenübergreifende Sommerfest von 2016 blieb das einzige seiner Art. Es fehlte an Helfern aus den Gemeinden. Zeitler äußert gegenüber der RNZ sein Bedauern über die Auflösung von "Pro Steinachtal": "Die BdS-Veranstaltungen werden wir künftig vermissen." Er und seine Amtskollegen hätten immer versucht, dafür zu sorgen, dass es irgendwie weitergeht.
Auch Harald Kunkel macht den Bürgermeistern keinen Vorwurf. Aus den Rathäusern sei stets Unterstützung gekommen. Der ehemalige Vorsitzende von "Pro Steinachtal" macht klar: "Das ist einzig und allein Sache der Mitglieder."
Eine andere Ansicht vertritt Irmgard Bürkel-Schuler, ehemals Vorsitzende des BdS Schönau. Ihre Nachfolger hätten sich "zwei Jahre die Beine ausgerissen". Doch der Verein sei zuletzt nicht mehr in der Gemeinde präsent gewesen. "Der Bürgermeister hat kein Herz für Gewerbetreibende", kritisiert sie. Es habe von Seiten des Vereins wiederholt Bemühungen gegeben, Gespräche zu führen - Antworten aus dem Rathaus seien ausgeblieben.
Kunkel, der bis zu dessen Auflösung auch als kommissarischer Vorsitzender des Vereins "Pro Steinachtal" fungierte, erklärt, wie es zum Zunftbaum-Abbau kam. Denn nachdem die Sparkasse bekannt gegeben hatte, dass dieser an seinem angestammten Standort aus Versicherungsgründen nicht länger stehen könne, habe der BdS-Ortsverein den Kontakt zu den Mitgliedern gesucht. Auf die Frage, ob man den Zunftbaum noch brauche, sei ein klares Bekenntnis ausgeblieben, weshalb man den Entschluss gefasst habe, das Schönauer Exemplar abzugeben.
Daraufhin, so Kunkel, habe der Verein eine ungewöhnliche Initiative ergriffen und im Herbst eine Anzeige mit der Überschrift "Zunftbaum abzugeben!" veröffentlicht. Diese enthielt folgenden Text: "Der Gewerbeverein Pro Steinachtal aus Schönau im Odenwald muss den Standort für den durch ihn installierten Zunftbaum räumen. Da es kurz- und langfristig keinen anderen Platz für den Baum gibt, trennt sich der BdS von seinem Schmuckstück." Und weiter: "Der Mast des stabilen Baumes ist circa zwölf Meter hoch, die Ausleger sind circa zwei Meter breit. Die schönen, gut erhaltenen Zunft-Schilder gehören zum Baum und werden ebenfalls abgegeben."
Dass sich dann mit dem BdS-Ortsverein Rauenberg so schnell ein Abnehmer gefunden habe, sei auch ein wenig dem Zufall geschuldet gewesen, gibt Kunkel zu. "Bei einer Versammlung in Rauenberg habe ich gehört, dass sie neue Schilder brauchen." Der Kontakt nach Schönau habe sich dann von selbst ergeben. "Wir waren interessiert daran, dass der Zunftbaum innerhalb des BdS-Netzwerks bleibt", freut sich Kunkel über den erfolgreichen Deal. Der Preis für das Gewerbe-Wahrzeichen habe darin bestanden, die Kosten für den Abbau zu tragen - immerhin zwischen 300 und 400 Euro, die den Schönauern erspart blieben, und die eine dem BdS angehörende Dachdeckerfirma aus Rauenberg gerne übernahm.
Rund 20 Kilometer südlich wird der Zunftbaum also seine neue Heimstätte finden. Doch welche Spuren hinterlässt er im Klosterstädtchen Schönau? "Das war ein Trauerfall zu viel", bedauert Irmgard Bürkel-Schuler. Die ehemalige Gemeinderätin war vor Kunkel lange Jahre Vorsitzende des BdS Schönau und gehörte 1997 zu den Initiatoren der Zunftbaum-Aufstellung. 21 Jahre später ist ihr die Enttäuschung anzumerken: "Trotz größter Anstrengungen war niemand bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir hätten den Baum gerne am Marktplatz aufgestellt", so die ehemalige Vorsitzende. Doch daraus sei leider nichts geworden: "Schönau fand keinen Platz für das Symbol der Gewerbetreibenden."
Auch Schönaus Bürgermeister Marcus Zeitler zeigt sich enttäuscht, sieht die Sache aber pragmatischer. "Der BdS hat sämtliche Vereine gefragt, ob sie den Baum noch wollen." Die Resonanz sei negativ gewesen. "So hart es klingt: Dann brauchen wir ihn nicht mehr", resümiert Zeitler. Er sei dankbar, dass sich bei den "Freunden aus Rauenberg" so schnell ein neuer Standort gefunden habe.



