Schiedsrichterkabine wurde Notunterkunft

Sportclub Gaiberg rettete 63-Jährige vor der Obdachlosigkeit

Keiner fühlte sich für sie zuständig, der SC Gaiberg schon und entrümpelte für Rosemarie Rosenlehner die Umkleidekabine für Schiedsrichter

17.05.2018 UPDATE: 18.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

Rosemarie Rosenlehner ist glücklich, dass sie mit ihrem vierjährigen Chihuahua "Charly" in der Schiedsrichterkabine zumindest ein Dach über dem Kopf hat. Foto: A. Dorn

Von Agnieszka Dorn

Gaiberg. Keine Fenster im Wohnbereich und somit kein Tageslicht, zwei mobile Herdplatten statt einer Küche, dafür aber zum Glück warmes Wasser, eine Dusche und eine Toilette. Strom und eine funktionierende Heizung gibt es auch. Früher war die Wohnung, in der Rosemarie Rosenlehner jetzt wohnt, die Umkleidekabine für Schiedsrichter bei Fußballspielen des Sportclubs Gaiberg (SC).

Weil der Verein aber - außer in der Jugend - keine aktive Mannschaft mehr gemeldet hat und somit auch die Umkleideräume für den Schiedsrichter nicht mehr benötigt werden, deklarierte der SC den kleinen Anbau an das Vereinsheim kurzerhand zur Notunterkunft um. Und rettete damit die 63-jährige Sozialhilfeempfängerin mit ihrem vierjährigen Chihuahua "Charly" vor der Obdachlosigkeit.

Etwa 38 Quadratmeter ist die Zwei-Zimmer-Bleibe groß, in der Rosemarie Rosenlehner nun wohnt. Zuvor hatte der Verein jede Menge Gegenstände in dem Anbau gelagert. "Die Räume haben wir entrümpelt", berichtet der Vereinsvorsitzende Stephan Weber, der sich zusammen mit Dieter Sauerzapf der hilfebedürftigen Frau annahm. Beide gehören auch dem Gaiberger Gemeinderat an.

Keine Behörde habe sich für sie zuständig gefühlt, berichtet Rosemarie Rosenlehner rückblickend - gleichermaßen nachdenklich wie enttäuscht. Obwohl ihr vor einiger Zeit schon die Obdachlosigkeit drohte, hätten die Ämter die Verantwortung zur Vermittlung einer Wohnung von sich geschoben. Man hätte ihr erst geholfen, wenn sie auf der Straße gelandet gewesen wäre, sagt sie. Im Gegensatz zu ihr, so Rosenlehner, bekämen Asylsuchende umgehend Wohnraum zugewiesen - eben damit diese nicht auf der Straße landen. Bei ihr wäre das allerdings umgekehrt abgelaufen.

Wie schnell man von Obdachlosigkeit bedroht sein kann, zeigt die Geschichte der gesundheitlich angeschlagenen 63-Jährigen. Dem SC gehört eine rund 100 Quadratmeter große Wohnung, in der die ehemalige Betreiberin der momentan geschlossenen Vereinsgaststätte wohnte. Diese Wirtin stellte Rosemarie Rosenlehner als Küchen- und Servicehilfe ein und nahm laut Stephan Weber die Sozialhilfeempfängerin als Untermieterin auf - ohne den Verein darüber zu informieren, geschweige denn, sich dieses Untermietverhältnis genehmigen zu lassen. Rosemarie Rosenlehner zog also in die große Wohnung mit ein und zahlte nach Angaben von Weber an die Wirtin jeden Monat 300 Euro Miete.

Als die Betreiberin die Gaststätte im Herbst 2016 schloss und auch aus der Wohnung auszog, wandte sich Rosemarie Rosenlehner an die Gemeinde und fragte, ob man eine Unterkunft für sie habe. Da aber keine Obdachlosigkeit bestand, habe man ihr nicht helfen können, erklärt Hauptamtsleiter Alexander Wenning. Laut Wenning kann die Gemeinde erst eine Obdachlosenunterkunft zur Verfügung stellen, wenn eine tatsächliche Obdachlosigkeit besteht. Aber selbst dann müssten obdachlos gewordene Menschen alles tun, um auf eigene Faust eine Wohnung zu finden. Wer aber erst einmal obdachlos geworden ist, hat es allerdings schwer, wieder ein Dach über dem Kopf zu finden - und rutscht meistens noch tiefer ab.

Da Obdachlosigkeit drohte, habe der damalige SC-Vorstand aus gutem Willen Rosemarie Rosenlehner weiterhin für 300 Euro in der großen Wohnung wohnen lassen - allerdings ohne Heizung und ohne warmes Wasser, denn die Heizungsanlage war defekt. Zudem wussten weder der damalige Vorstand noch Rosemarie Rosenlehner selbst von ihrem eigentlich ungültigen Mietvertrag. Die ganze Situation kam erst ans Licht, als Stephan Weber die Vereinsführung übernahm. Der Verein wollte jedoch die große Wohnung wieder neu vermieten, weil er die entsprechenden Einnahmen benötigt. Deshalb sollte Rosemarie Rosenlehner aus der großen Wohnung ausziehen.

Wieder war die Frau mit der drohenden Obdachlosigkeit konfrontiert und wieder fühlte sich niemand für sie zuständig, wie die 63-Jährige erzählt. Eine Sozialhilfeempfängerin mit Hund bekomme nur schwer eine Wohnung, meint Rosenlehner: Auf ihre rund 100 Wohnungsgesuche erhielt sie nur Absagen.

Letztendlich kam die Idee auf, die ehemalige Schiedsrichterumkleide des Vereinsheims als Notunterkunft auszuweisen. Eine solche Bleibe habe, wie der Name schon sagt, jedoch nur minimale Standards, erklärt Hauptamtsleiter Alexander Wenning. Gewährleistet sein sollten Strom, Wasser und Abwasser. Und das hat die Unterkunft, in die Rosemarie Rosenlehner nun einziehen konnte. Wieder zu einer Miete von 300 Euro, die das Sozialamt übernimmt.

Auch wenn die 63-Jährige und ihr vierjähriger Chihuahua nun wieder ein Dach über dem Kopf haben: Der SC-Vorsitzende Stephan Weber findet es bedenklich, dass Ehrenamtliche die Aufgaben eines Sozialstaates übernehmen müssen, weil keine Behörde sich bei drohender Obdachlosigkeit für die Vermittlung von einer Wohnung zuständig fühlt.

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