Sandhausen

Nächtliche Abschiebungen sorgen für Kritik und sind umstritten

Das Vorgehen der Polizei ist oft umstritten. Eine Fachanwältin erläutert die Rechtslage. Der Durchsuchungsbeschluss ist das Zünglein an der Waage.

24.06.2022 UPDATE: 25.06.2022 17:39 Uhr 1 Minute, 38 Sekunden
Fachanwältin Fidan Kilic. Foto: privat

Sandhausen. (luw) Und plötzlich, ohne Ankündigung, steht mitten in der Nacht die Polizei in der Wohnung, um eine Familie mit kleinen Kindern an den Flughafen zu bringen und abzuschieben. Dabei handelt es sich um eine immer wieder in der Kritik stehende Methode, über die die RNZ schon mehrfach beispielsweise im Zusammenhang mit Abschiebungen aus Eppelheim berichtet hatte. Im jüngsten Fall der Familie Aliazov aus Sandhausen kritisiert auch der Ökumenische Helferkreis das Vorgehen der Polizei. Gegenüber der RNZ bestätigte die Heidelberger Fachanwältin für Familien- und Migrationsrecht Fidan Kilic, dass die "Zulässigkeit nächtlicher Abschiebungen in mehreren Punkten umstritten" ist.

"Leider kommt es auch vor, dass in der Bevölkerung nicht das ordnungsrechtliche Vorgehen der Vollstreckungsbeamten kritisiert wird, sondern vielmehr Ehrenamtliche oder Flüchtlingshilfsorganisationen sich Anschuldigungen gegenübersehen und sich rechtfertigen müssen", so Kilic. Etwa sei für das "Betreten einer Wohnung zum Zweck der Abschiebung" laut Aufenthaltsgesetz kein Durchsuchungsbeschluss notwendig, jedoch gebe es unterschiedliche Auffassungen über die juristische Unterscheidung zwischen "Betreten" und "Durchsuchen".

Nach einer Ansicht stehe der Zweck des "Eindringens in die Wohnung" im Mittelpunkt: "Wenn eingedrungen wird, um eine Person ,zu finden oder zu ergreifen’, handelt es sich um eine Durchsuchung." Da dies "bei den allermeisten Abschiebungen der Fall sein sollte", sei ein Durchsuchungsbeschluss nach dieser Rechtsauffassung erforderlich. Dieser sei nur dann entbehrlich, wenn "Gefahr im Verzug" oder eine Einwilligung zum Durchsuchen vorliege. "Auch hier ist man sich aber nicht einig, wer diese Einwilligung aussprechen darf", sagt Kilic.

Behörden würden sich nach ihren Worten das Betreten einzelner Räume in Gemeinschaftsunterkünften etwa immer wieder von Betriebs- oder Sicherheitspersonal vor Ort erlauben lassen. "Hierbei gilt aber zu beachten, dass das nicht die Personen sind, in deren Rechte oder Privatsphäre eingegriffen wird", sagt sie auch mit Blick auf Artikel 13 des Grundgesetzes. Daraus schließt die Juristin: "Das Eindringen der Polizei ohne Durchsuchungsbefehl ist nach der hier vertretenen Rechtsauffassung so gut wie immer rechtswidrig."

Mit Blick auf das Eindringen in eine Wohnung zur Nachtzeit sei außerdem zu berücksichtigen, dass dies nur möglich sei, "wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird". Jedoch sei nicht einheitlich geregelt, wann genau diese Tatsachen vorliegen, so Kilic.

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Und was können Ehrenamtliche tun, wenn eine "rechtswidrige Durchsuchung" stattfindet? Hierfür gibt die Anwältin vier Tipps: Sie rät dazu, den Durchsuchungsbefehl auf Gültigkeit zu kontrollieren, bei Fehlen eines solchen die Polizei auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelns hinzuweisen und die Vorgänge zu dokumentieren sowie gleichzeitig zu "deeskalieren". Zudem können Ehrenamtliche für die betroffenen Menschen einen Rechtsbeistand organisieren, wenn die "rechtswidrige Durchsuchung" bereits stattgefunden hat.

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