Region rund um Heidelberg

Wie Bäcker mit übrig gebliebenen Backwaren umgehen

Die RNZ hat sich umgehört - Wohin mit Laib und Seele?

08.10.2019 UPDATE: 09.10.2019 06:00 Uhr 4 Minuten, 33 Sekunden

Bäcker müssen einen schmalen Grat meistern: Die Kunden hätten am liebsten den ganzen Tag eine große Auswahl, aber Lebensmittelverschwendung will natürlich auch keiner. Foto: Woitas

Region Heidelberg. (cm/aham/lew/luw/bmi) Die Deutschen sind immer noch vernarrt in ihr Brot und ihre Brötchen. Es gibt kaum Haushalte, in denen der Esstisch ohne Backwaren auskommt. Doch was passiert mit all den Semmeln, Seelen, Brezeln und Kuchen, die zwar gebacken wurden, aber nicht über die Verkaufstheke gegangen sind? Die RNZ hat sich anlässlich der Aktionswoche "Lebensmittelretter - neue Helden braucht das Land" des baden-württembergischen Verbraucherschutzministeriums bei Bäckern in der Region rund um Heidelberg umgehört.


> Die Bäckerei Breiter in Sandhausen wird wöchentlich von der Walldorfer Tafel und der Sandhäuser Arbeiterwohlfahrt (Awo) angefahren. "Die Menge ist ganz unterschiedlich", sagt Filialleiterin Gabriele Wiebel. "Viel ist, wenn sie mal fünf Körbe mit Brötchen und süßen Teilchen abholen." In einen Korb passen demnach rund 50 Brötchen. "Manchmal bleibt auch gar nichts übrig, in der Ferienzeit ist es dann wieder etwas mehr." Nicht verkauftes Brot bringe die Bäckerei zur Biogasanlage der AVR. Im Müll lande kaum etwas. "Ware mit Sahne darf nicht weitergegeben werden", sagt sie, "aber da bleibt selten so viel übrig, dass wir etwas wegwerfen."


Rosi Steigleder. Foto: privat

> Die Bäckerei Steigleder in Neckarsteinach gibt ihre nicht verkaufte Ware an die Neckargemünder Tafel, deren Mitarbeiter dienstags und freitags zur Abholung vorbeikommen. Dazu gehören neben Brot und Brötchen auch zuvor eingefrorene süße Backware, wie Rosi Steigleder erzählt, die die Bäckerei mit ihrem Ehemann betreibt. "Viele Brötchen verarbeiten wir außerdem zu Weckmehl, das wir dann verkaufen", sagt sie. Insgesamt sei die Menge der wiederverwerteten Backware sehr hoch. Jedoch sei jeden Tag aufs Neue "kaum zu kalkulieren", wie viel man backen müsse, um die Nachfrage genau zu erfüllen.


> Die Bäckerei Bernauer in Wilhelmsfeld "wirft grundsätzlich sehr, sehr viel weg", sagt Sabine Kuch-Bernauer. "Das tut mir in der Seele weh." Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Ehemann Karl Bernauer insgesamt sechs Filialen in der Region. "Mein Mann sitzt jeden Abend am Computer und überlegt, wie viel wir von welcher Sorte für den nächsten Tag backen sollen." Gerne würden auch die Bernauers ihre Ware an eine Tafel geben. "Diese sind aber nicht bereit, das bei uns abzuholen", sagt Kuch-Bernauer. "Sie wollen von uns beliefert werden." Immerhin werde ein Teil aus der Heidelberger Filiale an den dortigen Verein "Foodsharing" abgegeben. Und von der Wilhelmsfelder Bäckerei hole manchmal ein Landwirt altes Brot und Brötchen ab.


Gitta Stadler. Foto: privat

> Bei der Bäckerei Schneider in Gaiberg meint Verkaufsleiterin Gitta Stadler: "Jeden Abend ausverkauft wäre natürlich das Beste, aber das lässt sich schwer machen. Wir bieten unseren Kunden ab 17 Uhr vergünstigte Backwaren an und was dann übrig bleibt, geht an die Tafel in Neckargemünd." Und weiter: "Außerdem gibt es bei uns im Ort noch ein paar hungrige Schweinchen und Hühner, die sich auch ab und an über trockene Brötchen freuen."

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Johannes Hünnerkopf. Foto: privat

> Die Bäckerei Hünnerkopf in Neckargemünd gibt ebenfalls einen Teil ihrer Ware an die Tafel. Junior-Chef Johannes Hünnerkopf ergänzt: "Bei uns gibt es noch ein paar Leute, die Ziegen oder Schweine im Garten haben. Die kommen vorbei und holen sich alte Backwaren ab." Vieles könne zudem weiterverarbeitet werden: Aus trockenen Brötchen werde Weckmehl, auch süße Teilchen könnten getrocknet und gemahlen werden. Die süßen Brösel würden dann unter anderem zur Ergänzung von Nussfüllungen dienen. Ein Vorteil bestehe darin, dass sie schon einmal stärkegebunden waren und sich so zum Binden von Wasser in der Füllung gut eignen.


> Bei der Holzofenbäckerei Emert mit Hauptgeschäft in Leimen-Gauangelloch und Filialen in Lobbach-Lobenfeld, Meckesheim und den Neckargemünder Stadtteilen Dilsberg und Waldhilsbach hängt die Resteverwertung vom Tag ab. "Ich habe meinen Weg gefunden", sagt Bäcker Volker Emert. Dass etwas übrig bleibt, lasse sich zwar nicht vermeiden. "Es gibt nichts Unregelmäßigeres als den Verkauf." Torten würden daher nur auf Bestellung gemacht, süße Teile und Brote am nächsten Tag zum halben Preis verkauft.

Montags werden die Reste zu Bröseln und Knödelbrot verarbeitet. Dienstags und freitags wird die Neckargemünder Tafel versorgt und donnerstags die St. Ilgener Tafel. Zudem kommt zwei- bis dreimal die Woche ein Bauer und füllt bis zu zwei große Tonnen, um sie an Kühe und Schweine zu verfüttern. Was der Tafel gespendet und was den Tieren verfüttert wird, entscheidet der Chef selbst. "Ich lege Wert darauf, dass die Tafeln kein trockenes Zeug kriegen", so der 68-Jährige.


Karl Bernauer. Foto: privat

> Bei der Bäckerei Bernauer in Schönau-Altneudorf versucht Karl Bernauer, nicht zu viele Brote und nicht zu viele Brötchen zu backen. "Das wird aber immer schwieriger", sagt der 53-Jährige. Denn durch das Konkurrenzangebot in den Supermärkten schwanke die Nachfrage bei ihm. Er könne nicht mehr genau den Bedarf abschätzen. In der Regel bleiben aber weniger als zehn Prozent der Tagesproduktion übrig. "Ein trockener Biskuitboden eignet sich optimal für eine Nussfüllung", erklärt Bernauer.

Aus Broten und Brötchen werden Semmelbrösel, die auch von Metzgereien gekauft werden. Und was übrig bleibt, landet in einem großen Sack, der von Hühner- und Pferdehaltern abgeholt wird. "Nur verdorbene Zutaten landen in der Mülltonne", sagt Bernauer. "Das ist aber eine sehr überschaubare Menge."


> Bei der Bäckerei Dussinger in Meckesheim mit Filialen unter anderem in Mauer, Bammental und Neckargemünd landet "nichts in der Tonne", wie deren Chef Andreas Dussinger sagt. Ein Teil der übrig gebliebenen Backwaren wird von der Tafel abgeholt, aus weißen Brötchen werden Weckmehl sowie Knödelbrot gemacht - und was dann noch übrig bleibt, holen Bauern für ihre Tiere ab. In der Regel würden von der Tagesproduktion maximal 15 Prozent nicht verkauft. Die Bäckerei erfasst mit einem System die Verkäufe in den einzelnen Filialen, um die Produktionsmenge zu optimieren.


Hansjörg Riegler. Foto: privat

> Die Bäckerei Riegler mit Sitz in Heidelberg und Filialen unter anderem in Dossenheim, Eppelheim und Leimen hat ein Konzept entwickelt, damit fast keine Lebensmittel im Müll landen, wie Geschäftsführer Hansjörg Riegler erklärt. "Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit", sagt Riegler. Zunächst gelte es, die Retouren mit den nicht verkauften Produkten aus den Filialen auf ein Minimum zu reduzieren, wobei man sowohl auf technische Systeme als auch auf Erfahrung der Mitarbeiter setze.

Noch verkaufsfähige Backwaren gehen kostenlos an das Diakonische Werk. Ein weiterer Teil wird für die eigene Produktion wiederverwendet. Was nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet ist, geht an Landwirte zum Beispiel für Pferde. Und der Rest landet in der Biogasanlage des Pfistererhofs in Heidelberg.


Oliver Rutz. Foto: privat

> Die Bäckerei Rutz mit Sitz in Walldorf hat ein dreistufiges System, was mit den übrig gebliebenen Waren ihrer 24 Filialen - zum Beispiel in Dossenheim, Leimen, Nußloch und Sandhausen - geschieht. Erstens: Die Leimener Tafel nimmt alle zwei Tage abends Überschüssiges mit. Zweitens: Was nicht die Tafel nimmt, wird zu Tierfutter verarbeitet. Drittens: Was hierfür nicht verwendbar ist - etwa Wurst von belegten Brötchen - dient einer Biogasanlage zur Stromerzeugung.

"Das ist aber nur eine ganz geringe Menge", erklärt Oliver Rutz. Der Geschäftsführer betont: "Wir versuchen alles zu verwerten und nichts wegzuschmeißen." Noch wichtiger ist dem 40-Jährigem, die Retouren so gering wie möglich zu halten. Rutz weiß aber auch: Die Kunden wollen auch abends noch Auswahl. "Die müssen wir bieten."

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