Windpark "Stillfüssel" in Heiligkreuzsteinach bedroht Brutplatz
Das Ende des Schwarzstorchs? Im Eiterbachtal wird heftig um den Brutplatz des seltenen Vogels debattiert.

Versteckt in den Bäumen ist der Horst im Eiterbachtal, um den sich die Debatte dreht. Ein Schwarzstorch soll ihn nutzen. Foto: privat
Von Manuel Reinhardt
Heiligkreuzsteinach-Eiterbach. Dem jüngst genehmigten Windpark "Stillfüssel" bläst noch vor dem ersten Spatenstich mächtig viel Wind entgegen. Es ist der Schwarzstorch, der im hessischen Wald-Michelbach direkt an der Grenze zum Heiligkreuzsteinacher Ortsteil Eiterbach für diesen Gegenwind sorgt.
Denn zwischen Bürgerinitiativen, Behören und Verbänden ist eine überregional weit beachtete Debatte um einen vermeintlichen Brutplatz des Vogels entbrannt. Der Schwarzstorch hätte die fünf Windräder nämlich verhindern können - jetzt könnten diese wiederum den Lebensraum des seltenen Vogels bedrohen.

Nur noch rund 500 Schwarzstorch-Brutpaare gibt es in Deutschland wie hier in Bayern. Gefieder, Kopf und Hals sind schwarz. Foto: dpa
"Da steht man machtlos da, das zerreißt mir das Herz." Richard Leiner, Sprecher der Bürgerinitiative "Rettet den Odenwald", schüttelt ungläubig den Kopf, wenn er daran denkt, wie mit dem besonders gefährdeten Schwarzstorch (siehe Hintergrund) im Zuge des Genehmigungsverfahrens der fünf Windräder durch das Regierungspräsidium Darmstadt umgegangen wurde.
Denn in einem Punkt sind sich alle beteiligten Parteien einig: Der Schwarzstorch lebt im Eiterbachtal. Das belegen rund 60 Sichtungen von Schwarzstörchen im letzten Jahr zwischen Heiligkreuzsteinach und Wald-Michelbach. "Das ist der eigentliche Skandal.
Da das aber von Laien belegt ist, wurde es von der Entega abgetan", sagt Richard Leiner. Der Energieversorger hatte in einem ersten Gutachten im letzten Jahr festgestellt, dass es im Eiterbachtal weder Schwarzstörche noch andere für den Windpark kritische Tierarten gebe.
Hintergrund
> Der Schwarzstorch (Ciconia nigra) ist ein Zugvogel und durchschnittlich einen Meter groß und lebt in dichten, geschlossenen Wäldern. Seine Flügelspannweite beträgt rund 1,90 Meter. Er ist sehr scheu und empfindlich gegenüber Störungen. Der Storch ernährt sich von
> Der Schwarzstorch (Ciconia nigra) ist ein Zugvogel und durchschnittlich einen Meter groß und lebt in dichten, geschlossenen Wäldern. Seine Flügelspannweite beträgt rund 1,90 Meter. Er ist sehr scheu und empfindlich gegenüber Störungen. Der Storch ernährt sich von Amphibien oder Fischen aus Sümpfen und Gewässern und baut seine Nester auf großen, abgelegenen Bäumen. "Störche bauen ihre Nester ganz selten selbst", erklärt Dagmer Stiefel von der Staatlichen Vogelschutzwarte Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in Frankfurt. "Sie sind Nachmieter." Dabei gibt es Brutstätten, die mal typischer, mal untypischer von der Bauart her ausfallen, was eine Bewertung als Schwarzstorchennest erschwert. Von 1925 bis 2001 galt der Schwarzstorch in Baden-Württemberg als ausgestorben, zum Schutz des Tiers sollen Altholzbestände in naturnahen und gewässerreichen Laub- und Nadelwäldern erhalten und gefördert werden und Schutzzonen im Radius von 500 Metern um die Horstbäume eingerichtet werden. Der Schwarzstorch steht auf der "Roten Liste Baden-Württemberg" als stark gefährdet. mare
Da die Bürgerinitiative "Gegenwind" im Wald-Michelbacher Ortsteil Siedelsbrunn dies aber auch bei einem öffentlichen Vor-Ort-Termin mit Fotos untermauern konnte, folgte bald eine Kehrtwende. So forderte dann etwa der BUND Bergstraße - bis dato ein Befürworter des Windparks -, dass genauere Untersuchungen zum Schwarzstorch gemacht werden müssten.
Im August 2016 bestätigte auch ein Entega-Gutachter, einen Schwarzstorch gesehen zu haben. Da hatte die Sache bereits die Staatliche Vogelschutzwarte Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland erreicht, die einen Mitarbeiter in den Odenwald schickte. Und die bestätigte im November: Es gibt nicht nur den Schwarzstorch, sondern auch einen Schwarzstorch-Horst.
Und damit stellte sich die entscheidende Frage: Brütet hier ein Schwarzstorchpaar? Denn dann lägen die Windräder innerhalb einer Drei-Kilometer-Tabuzone. Regierungspräsidium und Entega meinten: Nein, dies sei allenfalls ein Brutversuch. Vielmehr handele es sich um einen Habichthorst.
Das bestätigt auch Dagmar Stiefel von der Vogelschutzwarte: "Der Hauptbau stammt von einem Habicht." Aber: "Nach unserem Befund ist er als Brutplatz des Schwarzstorchs möglich." Die Art, wie Äste obendrauf eingetragen wurden, spräche dafür. "Dieser Raum ist so wichtig für den Schwarzstorch, aus Vogelschutzgründen ist dort von Windenergieanlagen abzuraten", so Dagmar Stiefel.
Dieses Votum der rein fachlich beratenden Vogelschutzwarte wurde auch vom Regierungspräsidium gehört. Die mögliche Nutzung des Horsts im Jahr 2016 sei gutachterlich kontrovers eingeschätzt worden, teilt das Regierungspräsidium auf RNZ-Anfrage mit. "Aus hiesiger Sicht liegt weder eine Bedrohung der Schwarzstörche vor, noch wird irgendein Sachverhalt geleugnet", erklärt Pressesprecher Christoph Süß.
Der Einschätzung der Vogelschutzwarte sei im Genehmigungsbescheid durch entsprechende Nebenbestimmungen und in Form eines Auflagenvorbehalts Rechnung getragen, so Christoph Süß. Entsprechend wurde am 30. Dezember 2016 der Windpark genehmigt. "Festzuhalten bleibt, dass der Horst mehr als einen Kilometer von den Windenergieanlagen entfernt liegt", sagt Christoph Süß.
Er werde nicht beseitigt, und die Schwarzstörche könnten ihn 2017 erneut besetzen. Auch der Anflug auf das attraktive Nahrungsangebot im Eiterbachtal bleibe störungsfrei: Die Anlagen lägen oben auf dem Berg und müssten zum Anflug in das Eiterbachtal nicht gequert werden.
Das Entsetzen über die Entscheidung ist bei den Bürgerinitiativen. "Es ist unglaublich, wie einseitig Natur- und Artenschutz mit dem Hinweis auf Klimaschutz abgeschafft werden", rügt Richard Leiner die Geschehnisse. "Es sagt jemand Klimaschutz, und schon wird alles genehmigt."
Auch der BUND bemängelt zumindest, dass keine genaueren Untersuchungen gemacht wurden. "Da die Fördergelder für Windanlagen 2017 zurückgeführt werden, hat die Entega auch Druck gemacht", sagt Herwig Winkler, Vorstandsprecher des Bergsträßer Kreisverbandes, zum durchgepeitschten Verfahren. Er bestätigt aber: "Der Schwarzstorch ist dort geflogen und wurde gesichtet." Aber das reiche nicht. Er verweist auf die Untersuchungen der Entega. "Nichts spricht dafür, dass der Schwarzstorch den Horst genutzt hat."
Für Richard Leiner bleibt noch eine Hoffnung: "Die Lehre muss sein, dass künftig alles artenschutzgerecht untersucht wird und nicht nur auf Verdacht." Er wird aber weiter kämpfen.
Der Rhein-Neckar-Kreis hält sich aus der ganzen "hessischen" Sache übrigens raus. "Unsere Untere Naturschutzbehörde hat gehört, dass es im Eiterbachtal einen Schwarzstorch geben soll", sagt Kreissprecherin Silke Hartmann. "Für uns besteht aber keine Veranlassung, das zu prüfen."



