Schönau/Wilhelmsfeld: Beim Straßenbau geht es wieder bei Null los
Baubeginn doch erst 2017 - Größerer Flächenbedarf erfordert neues Planfeststellungsverfahren - Der Bürgermeister "stinksauer und enttäuscht"

Die als "Landesfeldweg" verspottete L 536 ist schmal und in einem miserablen Zustand - seit Jahren wird nur ausgebessert. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Wilhelmsfeld/Schönau. "Baubeginn wird Ende des ersten Quartals 2016 sein." Mit diesem Versprechen war Regierungspräsidentin Nicolette Kressl im Mai nach Wilhelmsfeld gekommen. Versprechen gab es allerdings schon viele, wenn es um den Ausbau der Landesstraße 536 zwischen Wilhelmsfeld und dem Schönauer Stadtteil Altneudorf geht. Und so kommt es, wie es schon häufig war: Auch dieses Versprechen kann nicht gehalten werden. Weil mehr Fläche als gedacht benötigt wird, muss das bereits im Jahr 2011 abgeschlossene Planfeststellungsverfahren von vorne beginnen. Erneute Verzögerung: ein Jahr.
Hintergrund
Die Landesstraße 536 ist auf dem 1,9 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Schönauer Stadtteil Altneudorf und Wilhelmsfeld schmal und in einem miserablen Zustand, weshalb sie als "Landesfeldweg" verspottet wird. Täglich sind hier etwa 3000 Fahrzeuge unterwegs. Seit
Die Landesstraße 536 ist auf dem 1,9 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Schönauer Stadtteil Altneudorf und Wilhelmsfeld schmal und in einem miserablen Zustand, weshalb sie als "Landesfeldweg" verspottet wird. Täglich sind hier etwa 3000 Fahrzeuge unterwegs. Seit Jahrzehnten wird hier nur ausgebessert und geflickt statt grundlegend saniert. Schönau und Wilhelmsfeld kämpfen mindestens genauso lange schon für eine Sanierung mit Verbreiterung und wissen die Bürger hinter sich, die schon wortwörtlich "auf die Straße" gegangen sind. Ein Rückblick:
1865: Die heutige L 536 wird als Schotterstraße gebaut.
1935/36: Der Reichsarbeitsdienst verpasst der Straße eine Asphaltdecke. Es ist der letzte größere Ausbau.
März 2000: Das Straßenbauamt Heidelberg kündigt an, "noch in diesem Jahr" das Baurecht für die L 536 beim Regierungspräsidium beantragen zu wollen.
September 2009: Eine Bürgerinitiative ruft zum Protestmarsch auf: Hunderte demonstrieren für den Ausbau. Zuvor besucht Finanzminister Willi Stächele das Steinachtal und meint, der Zustand der Straße sei "jenseits von allem Vorstellbaren". Auch der SPD-Finanzexperte Ingo Rust ist vor Ort und sieht "verlotterndes Vermögen".
Dezember 2009: Regierungspräsident Rudolf Kühner und Landrat Jürgen Schütz schauen sich die L 536 an.
Januar 2010: Das Regierungspräsidium stellt den Ausbau vor, die Pläne liegen in den Rathäusern aus.
Juni 2011: Die "Bürgerinitiative L 536" gründet sich.
September 2011: Das Regierungspräsidium erlässt den Planfeststellungsbeschluss, es darf also gebaut werden.
Oktober 2011: CDU-Treffen am - wie sinnbildlich - Altneudorfer Friedhof. Das Verkehrsministerium habe erklärt: "Ein Baubeginn ist derzeit nicht absehbar."
März 2012: Die Bürgermeister aus dem Steinachtal treffen sich mit dem neuen Verkehrsminister Winfried Hermann in Stuttgart. Das Ergebnis: kein Ausbau vor 2015.
Mai 2012: Erneut demonstrieren Bürger für den Ausbau der L 536.
August 2012: Die neue grün-rote Landesregierung nimmt die L 536 nicht in die Prioritätenliste für Straßenbaumaßnahmen auf. Es folgt ein Aufschrei im Steinachtal.
Mai 2014: Schönaus Bürgermeister Marcus Zeitler schreibt an das Land.
August 2014: Bei einem Vor-Ort-Termin macht Staatssekretärin Gisela Splett Hoffnung und erklärt: Die L 536 steht zwar nicht auf der Prioritätenliste, gilt aber als "Einzelfall".
Oktober 2014: Die Landtagsabgeordneten Thomas Funk (SPD) und Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Grüne) verkünden: Bis spätestens Ende 2016 soll saniert und ausgebaut werden. Die Kosten werden auf vier Millionen Euro beziffert.
März 2015: Das Regierungspräsidium führt Vermessungsarbeiten und Bodenbohrungen durch, die für den Ausbau erforderlich sind.
Mai 2015: Regierungspräsidentin Nicolette Kressl nennt bei einem Besuch im Wilhelmsfelder Rathaus einen konkreten Baubeginn: Ende des ersten Quartals 2016. cm
Aber wie kam es dazu? Wurden die Flächen etwa einfach vergessen? "Nein", sagt Dirk Hasenfuß vom Karlsruher Regierungspräsidium. Bei der "Grobplanung" im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens habe man Erfahrungswerte für den Flächenbedarf und insbesondere die notwendigen Stützmauern an der Hangseite der L 536 herangezogen. Bei der detaillierten Bauausführungsplanung habe sich nun herausgestellt, "dass ein zusätzlicher Flächenbedarf und ein weiterer Grunderwerb notwendig" sind.
Da es unterm Strich um mehrere hundert Quadratmeter gehe, könne man nicht mehr von einer "unwesentlichen Änderung" sprechen, sondern müsse ein neues Planfeststellungsverfahren durchführen. Weil sich aber nur in diesem Bereich Änderungen ergeben, rechnet Hasenfuß "nur" mit einer Dauer von etwas mehr als einem halben Jahr. Das hilft aber nicht wirklich, da der fast ein Jahr dauernde Ausbau zwingend im Frühjahr beginnen muss. Und bis zum nächsten Frühjahr reicht es nicht mehr. Baubeginn nun also: Frühjahr 2017.
Aber auch dieses Datum ist nicht in Stein gemeißelt. Denn ob das Planfeststellungsverfahren so reibungslos wie vor vier Jahren abläuft, weiß niemand. Die Öffentlichkeit wird erneut beteiligt, die Unterlagen werden ausgelegt, Widersprüche sind möglich. Die neuen Planungen sollen jedenfalls Ende dieses Jahres fertig sein, sodass das Verfahren dann erneut beginnen kann, so Hasenfuß. Im Herbst nächsten Jahres sollen dann die Arbeiten ausgeschrieben werden.
Damit hatte man jetzt gerade begonnen, so Hasenfuß. Aber dann wurde nach Bodenuntersuchungen erkannt, dass die Statik der Stützwände geändert werden müsse. Teilweise werden die geplanten Gabionen - das sind mit Steinen gefüllte Metallgeflechte - nun durch Betonwände ersetzt, um nicht noch mehr Platz zu brauchen. Unterm Strich stehe aber ein Mehrbedarf, auch weil eine Änderung an einer Brücke notwendig sei. Dies führe zu umfangreicheren Ausgleichsmaßnahmen. Hasenfuß geht davon aus, dass der Grunderwerb unproblematisch ist. Positiv sei, dass man für ein Grundstück eine andere Erschließungsmöglichkeit gefunden habe und eine eigentlich geplante Brücke doch nicht notwendig sei.
Für die Bürgermeister aus Wilhelmsfeld und Schönau ist das kein Trost. Sie erfuhren vor Kurzem bei einem von ihnen angesetzten Treffen von der erneuten Verzögerung. "Die Spatzen hatten es bereits von den Dächern gepfiffen", sagt Wilhelmsfelds Rathauschef Hans Zellner. "So richtig verstehen kann es keiner, dass da etwas vergessen wurde." Die Grundstücksverhandlungen seien bereits angelaufen. "Wir hätten anfangen können." Er hatte gehofft, dass er das Ende des Ausbaus noch in seiner bis Juli 2017 dauernden Amtszeit erlebe, sagt Zellner. Daraus werde nun nichts.
Schönaus Bürgermeister Marcus Zeitler hat bereits die Landtagsabgeordnete Elke Brunnemer mit der Bitte um Ursachenforschung eingeschaltet. "Ich bin stinksauer und enttäuscht, da wurde etwas verpennt", sagt Zeitler. "Das ist nicht nachvollziehbar." Als er von den Problemen und der Verzögerung erfahren habe, sei er sprachlos gewesen, so Zeitler. Es werde nun schon seit 40 Jahren geplant und seit dem Zweiten Weltkrieg sei immer nur ausgebessert worden (siehe Kasten links). Nun klappe es auch nicht, dass die Straße pünktlich zur Eröffnung des Branichtunnels in Schriesheim nächstes Jahr abgeschlossen werde.
"Der Ausbau wurde der Bevölkerung versprochen, jetzt muss er auch kommen", fordert Zeitler. Nur mit Versprechen ist das bekanntlich so eine Sache - vor allem, wenn es um die L 536 geht.



