Hessen will Neckarsteinach nicht gehen lassen
Staatskanzlei unterstützt die Pläne für einen Wechsel des Bundeslandes nicht - Der ganze Landkreis würde sich aber anschließen.

Neckarsteinach. Der angedachte Bundeslandwechsel der Vierburgenstadt von Hessen zu Baden-Württemberg sorgt weiter für Wirbel. Gestern berichteten mehrere Medien aus der Stadt. Am Samstag hatte Bürgermeister Herold Pfeifer (SPD) in der RNZ die Pläne öffentlich gemacht. Hintergrund für den geplanten "Seitenwechsel" ist die schlechte finanzielle Ausstattung der Kommune durch das Land Hessen. Die RNZ holte Reaktionen ein.
> Sogar der Chef der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden gab gestern eine Stellungnahme ab. "Die Hessische Landesregierung kennt das Anliegen des Bürgermeisters von Neckarsteinach ausschließlich aus der Zeitung. Offiziell ist nichts an uns herangetragen worden. Wir sehen auch keinen Grund, einen solchen Wechsel zu unterstützen. Uns ist jeder Hesse und Neckarsteinacher wichtig", erklärte Staatsminister Axel Wintermeyer (CDU). "Aus unserer Sicht handelt es sich um ein parteipolitisch motiviertes Manöver im Zuge der derzeitigen Diskussion um die kommunale Finanzausstattung." Dazu sei der Hessische Finanzminister mit den Kommunen im Gespräch. Erst einmal müssten die Hausaufgaben vor Ort gemacht werden. "Die Finanzdaten zeigen uns, dass Neckarsteinach ein Einnahme- und Ausgabeproblem hat", so Wintermeyer. Grund- und Gewerbesteuer würden deutlich unter dem Durchschnitt anderer hessischer Kommunen dieser Größenordnung liegen. Die Stadt liege allerdings mit den Personal- und Sachkosten weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Kommunen.
Für eine "Neugliederung im Kleinen", wie vom Bürgermeister gewünscht, seien ein Staatsvertrag zwischen beiden Bundesländern, dem der Landtag zustimmen müsse, und dann Volksentscheide in beiden betroffenen Ländern notwendig. "Wir gehen aber davon aus, dass eine solche Diskussion gar nicht geführt werden muss, wenn die Finanzprobleme in Neckarsteinach angegangen werden", so Wintermeyer.
> Das baden-württembergische Innenministerium wollte sich nicht zu den Plänen äußern. "Über ungelegte Eier gackert man nicht", sagte Sprecher Günter Loos. Zunächst müsste man sich in Hessen klarwerden. So einen Fall habe man jedoch noch nicht gehabt, so Loos.
> Der Landrat des hessischen Kreises Bergstraße, Matthias Wilkes (CDU), zeigt Verständnis für die Idee. Die finanzielle Lage sei extrem schlecht. "Wenn uns die Landesregierung anbietet, dass der ganze Landkreis nach Baden-Württemberg wechselt, wäre ich dabei", sagte Wilkes. In keinem anderen Bundesland gehe es den Landkreisen so schlecht wie in Hessen.
> Das Landratsamt des badischen Rhein-Neckar-Kreises in Heidelberg wollte sich "nicht an den Spekulationen beteiligen", wie Sprecherin Silke Hartmann sagte. "Das muss erst in Hessen geklärt werden."
> Der Bürgermeister der ebenfalls hessischen Nachbarstadt Hirschhorn, Rainer Sens (parteilos), kann die Überlegungen seines Amtskollegen nachvollziehen. Die Lebenswirklichkeit sei eben, dass die Einwohner nach Baden-Württemberg orientiert seien. Beim Einkaufen hätten die Bürger schon mit den Füßen abgestimmt. "Wenn Neckarsteinach diesen Weg geht, dann gehen wir mit."
> Der Bürgermeister des badischen Schönau, Marcus Zeitler (CDU), sieht die Pläne "als lustigen Witz in der Vorweihnachtszeit". Es sei aber eine gute Marketingstrategie, um Neckarsteinach in ganz Deutschland bekannt zu machen.
> Neckargemünds Bürgermeister Horst Althoff (CDU) würde sich "riesig freuen": "Wir arbeiten mit Neckarsteinach schon lange eng und vertrauensvoll auf vielen Gebieten zusammen." Neckarsteinach sei klar am badischen Lebensrhythmus orientiert. "Das würde absolut Sinn machen, wir würden die Neckarsteinacher mit offenen Armen empfangen."
> Die Landtagsabgeordnete Karin Hartmann (SPD) äußerte sich kritisch: "Ich würde das nicht begrüßen." Das Neckartal sei für das Land Hessen vor allem wegen der landschaftlichen Attraktivität wichtig. Die Finanzausstattung der Kommune müsse sich aber verbessern. "Da werden wir als Opposition im Landtag den Finger in die Wunde legen."
> Der Landtagsabgeordnete Peter Stephan (CDU) kann die Idee "nur schwer nachvollziehen". Er gibt zu bedenken, dass das kritisierte Haushaltssystem Doppik bald auch in Baden-Württemberg flächendeckend eingeführt wird. Deshalb würde ein Wechsel keinen Sinn machen. Neckarsteinach sei dieses Jahr finanziell geprügelt, aber das gehe vielen Kommunen so.



