Ein Schild in Eppelheim, an das sich keiner hält
Viele Autofahrer ignorieren "Anlieger frei" in der Fahrradstraße - Der Stadt sind die Hände gebunden

50 Prozent der Autofahrer in der Richard-Wagner-Straße seien keine Anlieger und nutzen die Fahrradstraße als Durchfahrtsstraße: Dies hat Harald Beckenbach beobachtet. Foto: sg
Eppelheim. (sg) Harald Beckenbach schaut genau hin: Biegt ein Auto von der Kirchheimer Straße kommend in die Richard-Wagner-Straße ein und fährt durch, um dann auf die Rudolf-Wild-Straße abzubiegen, dann steht für ihn fest, dass sich der Fahrer nicht an das eingangs der Straße neu angebrachte Schild "Anlieger frei" gehalten hat.
Mit der Einführung der Fahrradstraße im April im Bereich Richard-Wagner-Straße und Mozartstraße hat sich für Anwohner und Nutzer einiges geändert. Doch nicht jeder Verkehrsteilnehmer beachtet die neuen Verkehrszeichen und die daraus abgeleiteten Verkehrsregeln. "Da ich Anwohner der Fahrradstraße bin, habe ich der Stadt bereits mitgeteilt, dass der Bereich von der Kirchheimer Straße bis zur Rudolf-Wild-Straße von über 50 Prozent der Autofahrer als Durchgangs- und nicht als Anliegerstraße genutzt wird", so Beckenbach.
Um seine Kritik zu untermauern, hat er an einen Vormittag eine einstündige Verkehrsbeobachtung durchgeführt und die Ergebnisse akribisch notiert: Von insgesamt 85 gezählten Fahrzeugen seien nur 40 Anlieger gewesen. Der Rest der Verkehrsteilnehmer habe die Richard-Wagner-Straße als Durchgangsstraße genutzt. "Der Stadt scheint das alles ziemlich egal zu sein. Denn auf mein Drängen hin, sich die Lage anzuschauen, wurde mir gesagt, dass man nichts dagegen machen könne", sagt Beckenbach. Er frage sich, warum die Stadt überhaupt Maßnahmen ergreift und Geld ausgibt, um den Verkehr neu zu regeln, wenn sich kaum einer daran halte. Er fordert ein strikteres Durchgreifen der Stadt: "Ich will nur, dass Verkehrsvorschriften, die erlassen worden sind, auch eingehalten werden." Der Anwohner wünscht sich, dass der Gemeindevollzugsdienst stichprobenartig die durchfahrenden Fahrzeuge kontrolliert. Außerdem könnte durch Anbringung von Bodenerhöhungen auf der Fahrbahn die Durchfahrtsattraktivität der Straße reduziert und damit eine Verlangsamung des Verkehrs erreicht werden.
Dennis Geschwill, der zuständige Projektleiter im Rathaus, sagt auf RNZ-Anfrage: "Die Aussage, dass wir uns die Stelle nicht anschauen, trifft nicht zu." Er selbst wie auch Gemeindevollzugsbeamte seien schon mehrmals in dem beschriebenen Straßenabschnitt vor Ort gewesen. Auch schon bevor das Problem gemeldet worden sei. Man wisse, dass dort Autos einfach durchfahren. Das Problem sei allerdings, dass die Stadt mit ihren Vollzugsbeamten nur für den ruhenden Verkehr zuständig sei. "In der Straßenverkehrsordnung ist es ausdrücklich nur der Polizei vorbehalten, in den fließenden Verkehr einzugreifen", so Geschwill. Daher dürfe die Verwaltung keine Fahrzeuge anhalten oder gar fragen, wo die Fahrer herkommen und wo sie hin möchten. Die zuständige Polizeibehörde wurde indes von der Stadtverwaltung über die "Anlieger frei"-Problematik informiert und gebeten, sich der Sache anzunehmen. Grundsätzlich sei es aber schwer zu kontrollieren, wer in einer Straße Anlieger ist oder nicht, erklärt der Mitarbeiter der Verkehrsbehörde.
"Ein Anlieger ist auch jemand, der durch die Straße fährt, einen Freund besuchen will, aber dessen Auto nicht vor seinem Haus vorfindet und deshalb einfach weiterfährt", erklärt Geschwill. Außerdem sei das besagte Schild "Anlieger frei" als Zusatz zur Fahrradstraße nicht mit der Intention aufgestellt worden, den Verkehr zu reduzieren. Vielmehr sei es angebracht worden, um Fahrzeugen überhaupt die Einfahrt in die Fahrradstraße zu ermöglichen, so Geschwill.
Alternative wäre gewesen, unter dem Fahrradstraßenschild gleich mehrere Zusatzschilder mit den Hinweisen "PKW frei", "Motorrad frei", "Roller frei", "Bus frei" anzubringen. Dies hätte die von Harald Beckenbach angesprochenen Finanzmittel deutlich weiter in die Höhe getrieben. "Die Problematik mit dem Durchgangsverkehr in ,Anlieger frei’-Straßen hat nichts mit der Fahrradstraße an sich zu tun. Die gibt es überall dort, wo das Schild ,Anlieger frei’ angebracht ist", so der Projektleiter.