Die Vorboten des Windparks "Greiner Eck" sind unübersehbar
Markierte Bäume, abgesteckte Wege, meterhohe Holzstapel - Arbeiten laufen auf Hochtouren

Der Holzvollernter im Einsatz: Die auserkorenen Flächen für die Windräder wurden bereits gerodet. Foto: Alex
Hintergrund
(nb) Jetzt, da die Vorbereitungen der Projektplaner für den Windpark am Greiner Eck auf den Wanderwegen oberhalb von Grein ihre Spuren hinterlassen haben, rückt auch die Bürgerinitiative (BI) wieder in den Fokus. Die Leute seien aufgelöst gewesen und mussten beruhigt werden,
(nb) Jetzt, da die Vorbereitungen der Projektplaner für den Windpark am Greiner Eck auf den Wanderwegen oberhalb von Grein ihre Spuren hinterlassen haben, rückt auch die Bürgerinitiative (BI) wieder in den Fokus. Die Leute seien aufgelöst gewesen und mussten beruhigt werden, sagt BI-Sprecherin Maria Lilek-Schirmer. "Wir müssen mit ruhigem Herzen und klarem Kopf weitermachen."
Die nächsten Schritte der Windparkgegner sind eingeleitet: Nachdem dem Antragssteller die Genehmigung am Donnerstag vom Regierungspräsidium Darmstadt (RP) erteilt wurde, hatte BI-Anwalt Dominik Storr das 93 Seiten umfassende Werk fünf Tage später ebenfalls vorliegen. Tags drauf wurde über ihn beim Verwaltungsgericht Darmstadt Klage eingereicht.
Man sei der Auffassung, das RP hätte den "umstrittenen Windindustriepark ,Greiner Eck’ mitten in einem hochschutzwürdigen ,Fauna-Flora-Habitat-Gebiet’ ohne vorherige Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)", nicht genehmigen dürfen. Die Begründung, warum keine solche Prüfung unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattzufinden hat, sei im Bescheid mager ausgefallen, so Storr. Weil das RP die Genehmigung unter Sofortvollzug gestellt hat und mit den Baumfällarbeiten bereits begonnen werden konnte, werde man zudem bald einen Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stellen, kündigt der Rechtsanwalt an.
Jürgen Simon, Inhaber des Projektplaners, hat mit einer Klage gerechnet. Nach fast drei Jahren Vorarbeit und zwei Jahren Widerstand der Gegenpartei lasse er sich aber "von fast nichts mehr aus der Ruhe bringen". Eine UVP sei erst ab 20 Windkraftanlagen erforderlich, zudem habe man eine umfangreiche UVP-Vorprüfung durchgeführt, die auch vom RP geprüft worden sei. Zwar könne unter "besonderen Umständen" auch für einen Windpark mit weniger als 20 Anlagen eine solche Prüfung erforderlich werden, diese Umstände habe das RP am "Greiner Eck" aber nicht gesehen, so Simon. "Nach meinem persönlichen Rechtsempfinden ist die Entscheidung des Regierungspräsidiums in Ordnung", sagt Neckarsteinachs Bürgermeister Herold Pfeifer. Er halte es aber für sinnvoll, dass die Zweifel der Gegner von unabhängiger Instanz überprüft werden.
Donnerstagmittag sei bei Gericht noch kein Eilverfahren gegen die Genehmigung anhängig gewesen, sagt dessen Sprecher Jürgen Gasper. Sollte ein solcher Eilantrag als zulässig und begründet bewertet werden, könne das Gericht darum bitten, von Baumfällungen bis zur gerichtlichen Entscheidung abzusehen. Dies geschehe laut Gasper regelmäßig. Fraglich ist, ob eine solche Bitte dann noch Sinn ergäbe. Voraussichtlich im Laufe des heutigen Freitags sollen die Baumfällungen abgeschlossen sein, sagt Jürgen Simon. Wichtig war den Planern, dass dies noch im Februar gelingt, da ab März wegen Brut- und Setzzeiten nicht mehr gefällt werden darf.
Von Nikolas Beck
Neckarsteinach. Das Heulen des Motors kündigt das Auto frühzeitig an, das sich auf der engen Straße die Steigung hinaufquält. Gefühlt nur alle zehn Minuten fährt hier eins. Ansonsten: Stille. Ein Jogger huscht vorbei. Dick eingepackt mit Handschuhen und Mütze, Kopfhörer in den Ohren.
Ein kurzes, aber freundliches Nicken. Dann verschwindet er im Wald. Wenig später taucht ein Hund auf. Ein paar Zweige knistern unter seinen Pfoten. Sein Herrchen lässt ihn frei laufen. Und grüßt auch.
Idyllisch ist es an diesem kalten Vormittag im Februar auf dem Kreuzschlagparkplatz oberhalb von Grein.
Doch schon auf den ersten Metern des Wanderwegs hoch zum "Greiner Eck" wird klar: Hier tut sich etwas. Kleine Holzpflöcke stecken links und rechts am Wegesrand, viele Baumstämme sind mit Farbe markiert. Mal gelb, mal grün, mal rot. Auf manchen findet sich ein Fragezeichen, auf anderen ein orangenfarbenes "H". Auch neben historischen Grenzsteinen sind Markierungen.
Eine, die das alles ganz genau anschaut, ist Maria Lilek-Schirmer. Sie ist Sprecherin und Zweite Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) "Greiner Eck". Mit ihren Mitstreitern kämpft sie seit inzwischen fast zwei Jahren gegen das, was hier gerade beginnt: die Arbeiten zu einem Windindustriepark mit fünf 135 Meter hohen Windrädern.
Von einer "Katastrophe" spricht Lilek-Schirmer. Und von einem "brutalen Eingriff" in die Natur. Doch trotz aller Anstrengungen der BI: Vier der fünf Anlagen wurden vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigt.
Auf den auserkorenen Flächen sind die Bäume bereits gefällt, bis Ende der Woche werden auch die Fällungen am Zufahrtsweg erledigt sein. Daran werden auch die am Mittwoch eingereichte Klage oder das angekündigte angestrebte Eilverfahren (siehe Hintergrund) nichts ändern.
Nicht auszumalen ist es für die Standortgegner, wie es hier schon in Kürze aussehen soll. Wunderschöne alte Eichen säumen den Weg, aber wie lange noch? Das Rattern des Vollernters ist schon von Weitem zu hören. Vögel zwitschern. Bäume krachen.
Ein paar Hundert Meter weiter ist eine Fläche mit Flatterband abgesperrt. Schützenswerte Hainbuchen sollen nicht gefällt werden. Ganz in der Nähe ist der Harvester zu Gange. Das umgelegte Holz stapelt sich meterhoch. Ein optisch reizvoller Anblick, findet selbst die Naturschützerin. Die Sorgen nimmt ihr das freilich nicht.
Auch Jürgen Simon ist das bisher nicht gelungen. Er ist Inhaber der "3P Energieplan GmbH", die den Windpark für zwei Stadtwerke und eine Bürgergenossenschaft baut.
Auch er ist dieser Tage hier mit der Sprühdose unterwegs. Allerdings nicht, um weitere Bäume zum Fällen freizugeben. Vielmehr sind seine Markierungen da, um Bäume zu erhalten.
Bisher sei lediglich der Lichtraum gemäß des Plans markiert worden. Vor Ort nimmt er nun Anpassungen vor. Denn die alten Eichen fällt auch er genauso ungerne wie all die Stämme, die ein "H" tragen: sogenannte Habitatsbäume, die besondere Lebensräume für verschiedene Tierarten anbieten.
Vor allem Spechthöhlen gibt es hier viele. Irgendwie befremdlich sieht der stattliche Baum aus. Angesprüht und zugeklebt. Er muss zunächst untersucht und, falls unbewohnt, versiegelt werden. Erst dann kann er gefällt werden. Als Ausgleichsmaßnahme werden dafür in der Nähe Nistkästen aufgestellt.
Nur ein schwacher Trost bei all den umgelegten Bäumen? Was für den Windpark gerodet wird, bleibt an anderer Stelle im Forst stehen, gibt Neckarsteinachs Bürgermeister Herold Pfeifer zu bedenken.
Auch er macht sich an diesem Vormittag ein Bild vor Ort. Sein Wassermeister war ein paar Stunden zuvor schon da. Routinemäßig. Zur Kontrolle. Wie jeden Tag.
Beim Verlassen des Parkplatzes kommt gerade wieder ein Auto angefahren. Ein Neckargemünder nutzt seinen freien Tag für einen Waldspaziergang.
"Wie komme ich denn dorthin, wo die Windräder gebaut werden sollen?", fragt er. Die Idylle am Greiner Eck interessiert ihn heute nicht.



