Der Schilder-Diebstahl von Wiesenbach

An allen drei Ortseingängen sind die Ortsschilder verschwunden. Eines tauchte morgens wieder hinter dem Rathaus auf.

07.08.2013 UPDATE: 07.08.2013 00:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden
Gestohlen: In Wiesenbach wurden alle Ortsschilder abgeschraubt. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Wiesenbach. Wer in diesen Tagen durch Wiesenbach fährt und sich in der Gegend nicht auskennt, der weiß eigentlich gar nicht, wo er ist. Denn die 3000-Seelen-Gemeinde am Biddersbach ist derzeit "namenlos". Ein Dieb, möglicherweise waren es auch mehrere, hat vor zwei Wochen die Ortsschilder an allen drei Ortseingängen gestohlen, lediglich eines am Neubaugebiet hängt noch. Vielleicht war es auch vor drei Wochen, vielleicht in einer Nacht, vielleicht in mehreren - so ganz genau weiß das niemand. Fest steht allerdings: Die gelben Ortsschilder sind weg. Und das Rätselraten ist groß.

Denn wer klaut denn schon das Ortsschild von Wiesenbach? Diese Frage bringt auch Silke Hartmann ins Grübeln. Dass die Schilder von bekannten Orten oder solchen mit einem besonders außergewöhnlichen oder lustigen Namen gestohlen werden, sei nicht ungewöhnlich, erklärt die Sprecherin des zuständigen Rhein-Neckar-Kreises (siehe Kasten). "Aber was ist denn am Namen Wiesenbach so außergewöhnlich oder lustig?" Genau. Eigentlich nichts. Umso kurioser und mysteriöser ist der Fall.

Ratlosigkeit auch im Rathaus. Dort war der Diebstahl erst gar nicht bemerkt worden, wie Kämmerer Philipp Mayer gegenüber der RNZ sagte. Vor zwei Wochen habe dann eine Einwohnerin angerufen und mitgeteilt, dass das Schild am Ortseingang von Neckargemünd kommend auf einmal verschwunden sei. Wenige Tage später habe dann die Kollegin aus dem Ordnungsamt bemerkt, dass auch die beiden anderen Schilder an den Ortseinfahrten von Bammental kommend beim Aldi-Markt und von Langenzell kommend beim Verkehrskreisel an der dortigen - wegen ihrer schlechten Nutzung als "Geisterparkplatz" bekannt gewordenen - "Park- und Mitnahmeanlage" fehlen. "Wir wussten zunächst gar nicht, ob wir als Gemeinde oder der Landkreis für so etwas zuständig ist", gibt Kämmerer Mayer zu. "So etwas hatten wir hier bisher ja noch nie." Schnell war aber klar: Das Ganze ist eine Sache des Kreises. "Wir haben das dann an die Straßenmeisterei weitergegeben", so Mayer.

So weit, so gut. Doch die Geschichte wird noch verrückter: Als Philipp Mayer am letzten Freitag morgens um halb sieben die Tür am Hintereingang des Rathauses aufschließen wollte, traute er seinen Augen kaum. Auf der Treppe stand eines der drei verschwundenen Ortsschilder - das vom Aldi-Markt. Einfach so. Offenbar in der Nacht im Schutz der Dunkelheit abgelegt. Ob der Dieb auf einmal ein schlechtes Gewissen bekommen hat oder mit dem schon ziemlich alten Schild einfach nichts anfangen konnte? Man weiß es nicht genau. "Da wird sich einer einen Spaß gemacht haben", meint Mayer. War es ein Dorfliebhaber? Möglicherweise hängen die beiden fehlenden Schilder jetzt in einem Partykeller.

Wie auch immer. Bürgermeister Eric Grabenbauer kann sich jedenfalls erinnern, dass vor ein paar Jahren schon einmal ein Ortsschild gestohlen wurde. "Das passiert doch immer wieder mal", meint er. Damals war es aber eben nur eins und nicht gleich drei. Grabenbauer ist jetzt zunächst aufgefallen, dass das Schild am Aldi-Markt weg ist. "Ich habe erst gedacht, dass das vom Kreis ausgetauscht wird, weil es noch ein altes nicht-reflektierendes war", erzählt der Bürgermeister. Schließlich sei dort auch eine neue Halterung installiert worden.

Der Rathauschef nimmt es locker. "Das war wohl ein dummer Lausbubenstreich", meint Eric Grabenbauer. "Wir wissen doch alle, wo wir sind, dafür brauchen wir kein Ortsschild." Bisher sei jedenfalls noch niemand "gestrandet" und habe gefragt, wo er denn eigentlich sei. Natürlich wolle die Gemeinde, dass die Schilder schnell ersetzt werden. Aber man wisse auch, dass das seine Zeit dauere. Grabenbauer befürchtet aber, dass auch noch das vierte Schild am Neubaugebiet gestohlen wird.

Auch die Polizei hat sich nach einer Anfrage der RNZ mit dem kuriosen Fall beschäftigt. Bislang hatten weder die Gemeinde noch der Kreis Anzeige erstattet, erklärt der Heidelberger Polizeisprecher Tobias Keilbach. Zwei der drei gestohlenen Schilder hätten demnächst ohnehin ausgetauscht werden sollen. "Jetzt sind die Diebe den Arbeitern eben zuvorgekommen", meint Keilbach. Dass mal irgendwo ein Schild fehlt, komme immer wieder vor. "Dass aber alle weg sind, das ist wirklich außergewöhnlich."

Das Landratsamt hat übrigens schnell reagiert und an allen drei Wiesenbacher Ortseingängen Tempo-50-Schilder angebracht. Denn die ein Meter mal 66 Zentimeter großen Ortsschilder, die bekanntlich auch das Tempolimit regeln, fehlen ja jetzt. "Sonst wäre auch die Ortsdurchfahrt eine ganz normale Landesstraße, auf der Tempo 100 gilt", erklärt Kreissprecherin Silke Hartmann. "Und wir können ja nicht einfach ein Schild von einer anderen Gemeinde hinhängen." Doch bald hat Wiesenbach seine Schilder wieder: Der Kreis hat die neuen Exemplare bereits in Auftrag gegeben. Die Herstellung dauert etwa drei Wochen, Kosten mit Montage: knapp 500 Euro.

Mal schauen, wie lange diese dann hängen. Denn Ende August ist Kerwe. Und zu einem solchen Anlass verschwinden ja gerne mal Ortsschilder einfach so.

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