RNZ-Serie "Mit der Feuerwehr durch den Sommer"

Notfallseelsorgerin Sandra Pfisterer - "Du bist da und hörst zu"

Die 41-Jährige ist angehende Notfallseelsorgerin und steht gerne anderen Menschen bei

17.08.2018 UPDATE: 19.08.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde

in ihrem Einsatzrucksack hat Sandra Pfisterer (41) diverse Utensilien. Dazu gehört auch ein Teddy, den alle Notfallseelsorger mit sich führen - als Trost für die ganz Kleinen. Foto: Kreutzer

Von Annette Steininger

Hirschberg. Wenn Sandra Pfisterer zu einem Einsatz dazugerufen wird, dann ist es in der Regel ernst, sehr ernst. Denn die 41-Jährige ist angehende Notfallseelsorgerin und steht Menschen bei, die beispielsweise den plötzlichen Verlust eines Angehörigen erlebt haben. Oder Feuerwehrleuten, die einen schrecklichen Einsatz verarbeiten müssen. Im Rahmen der RNZ-Serie "Mit der Feuerwehr durch den Sommer" erzählt sie, warum sie Seelsorgerin geworden ist und was sie bislang erlebt hat.

Hintergrund

Team und Aufgabe: Das Feuerwehr-Seelsorge-Team (FST) ist eine gemeinnützige, der Nächstenhilfe dienende Einrichtung des Kreisfeuerwehrverbandes Rhein-Neckar-Kreis. Es bietet Notfallseelsorge und Psychosoziale Notfallversorgung für den Rhein-Neckar-Kreis und

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Team und Aufgabe: Das Feuerwehr-Seelsorge-Team (FST) ist eine gemeinnützige, der Nächstenhilfe dienende Einrichtung des Kreisfeuerwehrverbandes Rhein-Neckar-Kreis. Es bietet Notfallseelsorge und Psychosoziale Notfallversorgung für den Rhein-Neckar-Kreis und die Stadt Heidelberg.

Träger des Feuerwehr-Seelsorge-Teams ist der Kreisfeuerwehrverband Rhein-Neckar-Kreis. Organisatorisch ist das FST im Kreis und in der Stadt Heidelberg damit an die Feuerwehr angebunden.

Kooperationspartner: Die katholische und die evangelische Kirche im Rhein-Neckar-Kreis und in der Stadt Heidelberg sind Kooperationspartner des FST. Personell wie finanziell unterstützen die Evangelische Landeskirche in Baden und das Erzbistum Freiburg das Team. ans

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Erst seit Mitte September vergangenen Jahres gehört Pfisterer zum Feuerwehr-Seelsorge-Team. "Bei der Hirschberger Wehr bin ich als Fachberaterin, habe also keine Grundausbildung durchlaufen", erklärt sie. Der Gedanke, auf diese Art und Weise anderen Menschen zu helfen, bewegte sie zum ersten Mal vor fünf, sechs Jahren, als ein Schriesheimer Feuerwehrmann sie ansprach, ob sie sich das nicht vorstellen könne. "Das war mir aber damals zu hart", sagt die Leutershausenerin ganz offen. Auch ihre Kinder, heute acht und 13 Jahre alt, waren zu dem Zeitpunkt noch sehr jung.

Ersthelferin bei einem schweren Verkehrsunfall

Dass sie sich aber in dem Bereich ehrenamtlich engagieren könnte, wurde ihr bei einem Vorfall 2012 bewusst: Sie war Ersthelferin bei einem schweren Verkehrsunfall zwischen Auto und Motorrad und stand dem Motorradfahrer bei. "Da habe ich gemerkt: Ich kann mit so einer Situation umgehen", sagt Pfisterer rückblickend. Zudem bringt sie Erfahrung mit: "Weil ich genau das in meinem Beruf mache: anderen Menschen beistehen." Sie habe auch einfach gesehen, welches Chaos in einer Notsituation entstehen kann und wie man in solchen Fällen helfen kann.

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Pfisterer ist Psychoonkologische Beraterin und bietet als Geschäftsführerin von "pfistar" Workshops an, in denen Menschen lernen, wie sie sich für den Ernst- beziehungsweise Todesfall wappnen können. Doch Pfisterer ist eben nicht nur berufstätig, sondern auch Mutter. Daher war es ihr wichtig, ihre Töchter in die Entscheidung miteinzubeziehen. "Ich habe ihnen erklärt, dass ich mich nicht in Gefahr begebe, sondern erst dazukomme, wenn schon etwas passiert ist", sagt die Feuerwehr-Seelsorgerin. Und die Zwei machten sich durchaus Gedanken. "Mama, musst du den Menschen dann sagen, dass jemand gestorben ist?", wollten sie wissen. "Nein, das macht die Polizei", erklärte sie ihnen. Doch was macht eine Notfallseelsorgerin überhaupt? "Du bist da und hörst zu", sagt Pfisterer schlicht. "Und versuchst, Ruhe in der Situation zu stiften." Für die Feuerwehr-Kollegen soll sie Stütze und Ansprechpartnerin sein. Aktuell ist die Leutershausenerin die einzige Seelsorgerin bei der Hirschberger Wehr. Insgesamt gibt es knapp 35 im Rhein-Neckar-Kreis.

Mit ihr sind weitere sieben "Neulinge" an den Start gegangen und haben bei Mitgliedern des Ausschusses im Feuerwehr-Seelsorge-Team in der Integrierten Leitstelle in Ladenburg erfolgreich ein Vorstellungsgespräch absolviert. Notfallseelsorger können hier werden: hauptberufliche Mitarbeiter der Kirche, Mitglieder der Feuerwehr, der Polizei oder auch des Rettungsdienstes, Lehrer, Ärzte, Psychologen oder generell Menschen mit Erfahrung in psychosozialen Berufen.

Innerhalb des Teams gibt es laut Pfisterer die verschiedensten Jobs - von der Krankenschwester bis zum Finanzberater. "Man sollte auf jeden Fall seelisch stabil sein", sagt die 41-Jährige. Insgesamt zwei Jahre dauert die praktische wie theoretische Ausbildung, die mit einem Einführungsgottesdienst abgeschlossen wird.

Im ersten Jahr fahre sie nur als Drittkraft zu Einsätzen mit, erzählt Pfisterer. Erst im zweiten Jahr gibt es dann für die Feuerwehr-Seelsorger einen Piepser. Bis Ende Juli hat ihr Handy schon fünfmal geklingelt. Sie erzählt von zwei Fällen, bei denen sie Menschen betreut hat, deren Familienangehörige plötzlich verstorben waren. Viel mehr darf Pfisterer über ihre Einsätze nicht sagen, aber gerne erinnert sie sich an die dankbaren Angehörigen, die sie umarmt haben, in dieser für sie schlimmen Situation. Berührungsängste kennt sie generell nicht. "Wenn jemand weint, dann setze ich mich nicht einfach neben ihn. Wenn er das möchte, dann nehme ich ihn natürlich in den Arm", sagt Pfisterer.

Und dafür nimmt sie sich gerne Zeit: Zwischen zwei und sechs Stunden kann so ein Einsatz dauern. Circa fünf Einsätze pro Jahr erwarten einen Notfallseelsorger im Rhein-Neckar-Kreis. "Einen Leitsatz gibt es dabei nicht wirklich", erklärt die Leutershausenerin. "Man sollte immer bei der Wahrheit bleiben, keine falschen Hoffnungen wecken und eine Stütze sein."

Um eine solche sein zu können, hat sie in ihrem Einsatzrucksack diverse Utensilien. Dazu gehört auch ein Teddy, den alle Notfallseelsorger mit sich führen - als Trost für die ganz Kleinen. Das ist auch der einzige Ernstfall, vor dem sich die Zweifach-Mutter etwas fürchtet: dass Kinder involviert sein könnten. Aber jeder Seelsorger kann auch Einsätze ablehnen, bei denen er sich nicht wohlfühlt. Oder Hilfe von Psychologen bekommen. Bei Pfisterer kann man sich jedenfalls gut vorstellen, dass sie im Ernstfall die Ruhe bewahrt und besagte Stütze ist. Aus ihrem Rucksack holt sie noch einen Mundschutz, etwas zu knabbern und eine Schutzbrille. Und Zigaretten. Nicht weil sie Raucher unterstützt - Pfisterer ist selbst Nichtraucherin -, sondern weil sie weiß, was im Ernstfall gewünscht sein könnte.

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