Traditions-Bäckerei Siefert schließt nach 122 Jahren
Die Bäckerei Siefert hatte trotz händeringender Suche kein Fachpersonal mehr gefunden.

Von Agnieszka Dorn
Nußloch. Wenn an diesem Samstag in der Bäckerei Siefert in der Hauptstraße Brötchen, Brot oder süße Teilchen über die Theke gehen, wird es das letzte Mal sein. Nach 122 Jahren schließt die Nußlocher Traditionsbäckerei ihre Türen. Für immer. "Uns ist nichts anderes übrig geblieben", sagt Bäcker Rainer Siefert. Als Grund der Schließung nennt er fehlendes Personal und somit Fachkräftemangel.
"Wir haben wirklich alles versucht", sagt Ehefrau Silvia Siefert, die in der Bäckerei neben ihrer eigentlichen Arbeitsstelle mithilft. Seit Dezember vergangenen Jahres habe der Betrieb händeringend nach einem Gesellen für die Backstube gesucht – doch ohne Erfolg. Die Suche nach einem Mitarbeiter sei auf allen Kanälen gelaufen. Auch Asylbewerber wurden angesprochen. Aber nichts habe gefruchtet. Zwar seien einige Bewerber da gewesen, erzählt Rainer Siefert. Doch nach zwei oder drei Tagen hätten diese nicht mehr gewollt. Der Grund seien die ungünstigen Arbeitszeiten nachts in der Backstube gewesen, so Siefert.
Die seit dem Jahr 1900 bestehende Familienbäckerei stellte Teig, Brot und Brötchen sowie weitere Backwaren bisher selbst her. Rainer Siefert stand dafür jeden Tag kurz vor Mitternacht auf und bereitete die Arbeit in der Backstube vor. Die Backstubenmitarbeiter fingen um 2.30 Uhr an. Wenn die Bäckerei stets um sechs Uhr morgens die Pforten öffnete, mussten die Backwaren fertig im Laden sein. Kurz vor fünf Uhr seien teilweise schon die ersten Kunden gekommen, erzählt Rainer Siefert.
Die Bäckerei und damit auch die Familie Siefert blickt auf eine bewegte Geschichte zurück: Vor 122 Jahren machte Wilhelm Siefert sich mit der Bäckerei selbstständig, danach übernahm sein Sohn Georg. Wiederum später ging der Betrieb an dessen Sohn Manfred. Irgendwann übernahm Rainer Siefert die Bäckerei von seinem Vater. In den vergangenen Jahrzehnten wurde unter seiner Ägide der Betrieb umgebaut und erneuert.
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Er alleine könne die Arbeit in der Backstube aber nun nicht mehr stemmen, sagt der 59-Jährige. Bevor die Gesundheit leide, habe man sich entschlossen, die Bäckerei schweren Herzens aufzugeben – auch wenn diese immer gut gelaufen sei, wie Siefert betont. Somit steht der Familienbetrieb vor dem Aus. Seine Kinder haben andere Berufe ergriffen.
Die Kunden bedauern die Schließung sehr. "Das ist für Nußloch so ein schwarzer Tag: Der letzte Traditionsbäcker schließt", lautet ein Kommentar in den Sozialen Medien: "Ich bin als Kind da schon Brötchen einkaufen gegangen." Und Jutta Kempf von der quasi um die Ecke liegenden Buchhandlung Kempf meint, dass mit der Schließung ein Teil Traditionsgeschichte zu Ende geht.
Die im Familienbesitz befindlichen Räume könnten derweil weiter in ähnlicher Weise genutzt werden. Momentan laufen laut Siefert Gespräche mit einem Interessenten, der möglicherweise eine Konditorei eröffnen möchte.