OB Heiner Bernhard feuerte seine letzte Neujahrsrede ab
Bernhard sorgt sich um Europa - Freude über Haushaltsplus - Lob für und Erklärung an die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer

Von Philipp Weber
Weinheim. Verschlafen konnte man ihn kaum, den gestrigen Neujahrsempfang der Stadt Weinheim. Die Kanonenböller der "Bürgerwehr" knallten zu Beginn ohrenbetäubend laut. Aber schon bevor es vor dem Schloss krachte, hatte sich der Ratssaal bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Man erwartete die letzte Neujahrsansprache von OB Heiner Bernhard. Er wolle an dieser Stelle keine Aufzählung und schon gar keine Bilanz versuchen, beruhigte der OB die dicht gedrängten Zuhörer.
Stattdessen beschränkte er sich auf wenige, aber wichtige Themen: im weltpolitischen wie im lokalen Ausblick. So prägten die Sorge um Europa und die "Herausforderung Digitalisierung" Teil eins der Rede.
Die "Regierungsbildungskrise" in Deutschland habe auch in Europa zu einer unerträglichen Passivität geführt, so Bernhard. "Europa ist das größte und erfolgreichste Friedensprojekt der Welt und aller Zeiten", sagte er. Dies müsse ausgesprochen, betont und vorgelebt werden. Besonders denjenigen gegenüber, "die wieder begonnen haben, national zu denken". Wer sich jedoch von zentralen demokratischen Werten abwende oder sein Heil im Separatismus suche, dürfe die EU-Fördergelder nicht im bisherigen Umfang erhalten, so Bernhard. Stichwort: Europa der zwei Geschwindigkeiten.
In der Arbeitswelt, in den Innenstädten, im Verkehr: Die Digitalisierung werde die gesamte Gesellschaft erfassen, prophezeite Bernhard. Mehr denn je müsse Bildung die Fähigkeit vermitteln, "mit solchen Veränderungen umzugehen, ohne ihnen ausgeliefert zu sein oder sich ihnen ausgeliefert zu fühlen".
Umso mehr freute sich Bernhard darüber, dass der Gemeinderat zuletzt zwei weitere Stellen für Schulsozialarbeit bewilligt und die Projekte der "Weinheimer Bildungskette" bestätigt hatte. Ein weiterer Erfolg: Die Hans-Joachim-Gelberg-Grundschule in Lützelsachsen ist nun saniert und räumlich gewachsen. Kinder "mit und ohne Handicap" könnten jetzt zusammen lernen, so der OB. Auch die Weichen für die Weststadt-Schule und deren Dreifeldhalle seien gestellt. Einen Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit sieht Bernhard auch in dem Ratsbeschluss, bei größeren Wohnbauprojekten 20 Prozent der Flächen günstiger zur Verfügung zu stellen. Zur Entwicklung von Gewerbegebieten hatte er zuletzt ausführlich Stellung bezogen - ein Beispiel dafür ist sein Jahresinterview in der RNZ. "Ich brauche das nicht zu wiederholen und werde auch nicht auf seltsame und bösartige Leserbriefe reagieren", sagte er.
Letztlich aber sei es der Ratsmehrheit gelungen, viele Vorhaben zu verwirklichen - und dabei die Haushalte so zu gestalten, dass diese nicht durchfielen. Dennoch ist es fast sensationell, dass der Haushalt 2018 unter Berücksichtigung neuester Finanzdaten ein Plus in Höhe von 1,7 Millionen Euro aufweist.
Die schwierigste Phase der letzten Jahre - in der selbst anonyme Bedrohungen nicht ausblieben - sei jedoch die Zeit des großen Flüchtlingszugangs gewesen: "Wenn es gelungen ist, dies in erträglicher Weise zu lösen, dann ist das in erster Linie das Verdienst der Kommunen." Aber auch diese hätten es ohne die ehrenamtlichen Helfer nicht geschafft, so Bernhard, während der Saal applaudierte. Er widerspreche den Weinheimer Helfern nicht, wenn diese meinten, die Behörden hätten sie nicht immer in dem erhofften Maß unterstützt: "Wir waren eben allesamt ein Stück weit überfordert." Insgesamt habe Weinheim seine Aufgaben aber gut gemeistert, vorschnelle und überharte Kritik könne er deshalb nicht gelten lassen.
Trotz aller lokalen und globalen Herausforderungen war gestern Zeit für die Neujahrsgrüße der Weinheimer Innungen, das Absingen des Bad’ner Lieds unter Begleitung der Stadtkapelle und einen Biss in die Neujahrsbrezel. Nicht zu vergessen: Die Übergabe des Rathausschlüssels an die Weinheimer Blüten unter der Führung von deren Erster Vorsitzender Helga Eibel und Blütenprinzessin Svenja I.. Für die Weinhoheiten aus Lützelsachsen kam Maria I. zu Wort.
Das Handwerk habe 2017 so gut zu tun gehabt wie selten zuvor, so der Obmann der Weinheimer Innungen, Helge Eidt. Bundesweit legte die Zahl der Beschäftigten auf 5,16 Millionen Menschen zu. Auch die Zahl der "Jungmeister" sei in der Region endlich wieder angestiegen: auf 489 Meister, so Eidt.



