Miramar-Gast muss wegen Kindermissbrauchs in Haft
Kammer des Landgerichts wirft ihm 15-fachen Kindesmissbrauch vor

Der Vorsitzende Richter stellte die Frage in den Raum, was Kinder spätabends in bestimmten Bereichen des Miramar suchen. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Der Beschuldigte sitzt neben seinem Anwalt, sein Gesicht hat er tief in den Händen vergraben. Trotz seiner kräftigen Statur verrät seine Haltung Anspannung. Es ist Donnerstag, 10.45 Uhr. Gerade haben Staatsanwältin Simone Velte-Kircher und Verteidiger Maximilian Endler ihre Plädoyers nicht-öffentlich verlesen. Der 51-jährige gelernte Dachdecker aus dem Raum Koblenz scheint zu ahnen, was auf ihn zukommt: Die Staatsanwältin fordert drei Jahre Haft ohne Bewährung, beantragt Haftbefehl. Anwalt Endler fordert zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Richter und Schöffen ziehen sich zur Beratung zurück. Eine Stunde später verkündet Vorsitzender Richter Joachim Bock die Entscheidung: Die Kammer verurteilt den 51-Jährigen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft - ohne Bewährung. Haftbefehl ergeht nicht, die Kammer sieht keine Flucht- oder Wiederholungsgefahr.
Die Richter sehen es indessen als erwiesen an, dass der Beschuldigte im Zeitraum von rund einem Jahr im Weinheimer Freizeitbad Miramar zwei damals acht und neun Jahre alte Mädchen 15 Mal sexuell missbraucht hat. Die letzte Tat geschah am späten Abend des 11. März 2017 - und wurde bemerkt. In das Urteil fließt unter anderem auch ein, dass der 51-Jährige im Besitz kinder- und jugendpornografischen Materials gewesen ist - und dass er am Zweiten Weihnachtsfeiertag 2016 einen Tankbetrug im Gegenwert von fast 100 Euro begangen hat, so die Kammer. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Anwalt Endler kündigt gegenüber Beobachtern an, Revision zum Bundesgerichtshof einlegen zu wollen.
Die Kammer bleibt unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Sie hält dem Angeklagten zugute, dass er bereits am ersten Prozesstag ein umfassendes Geständnis abgelegt und den Mädchen damit einen Auftritt vor Gericht erspart hat. Gewalt habe bei keiner der Taten eine Rolle gespielt, es sei bei "oberflächlichen Berührungen" geblieben, so Bock.
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Im Allgemeinen stehe aber die Frage im Raum, was die Kinder überhaupt in der Saunalandschaft des Bads zu suchen hatten, noch dazu zu späten Uhrzeiten, nimmt der Richter Stellung zum Verhalten der Eltern und dem des Badbetreibers. Die Kinder hätten das Geschehen "relativ gut verkraftet", so Richter Bock: "Aber die Erinnerung daran wird nicht gelöscht."
Dem Angeklagten droht darüber hinaus eine verlängerte Haft. Als er die Taten im Miramar begangen hat, war er noch auf Bewährung - wegen ganz ähnlicher Vergehen Jahre zuvor. Richter Bock sieht hierin einen Bewährungsbruch. Die Entscheidung, ob tatsächlich ein solcher vorliegt, müsse aber das zuständige Bewährungsgericht fällen. Sollte Bocks Urteil rechtskräftig werden und das Bewährungsgericht seiner Auffassung folgen, kämen vier Jahre und neun Monate Haft zusammen.
Die Kammer legt dem Angeklagten auch den Tankbetrug zur Last: Der Fall zeige, dass der Beschuldigte kriminelle Energie aufbringe, um an sein Ziel zu kommen. Zudem habe er seine Opfer gebeten, die Taten im Miramar zu verschweigen. "Sie haben die Chance, sich zu bewähren, nicht genutzt. Es ist Zeit, Ihnen das deutlich vor Augen zu führen", sagt Richter Bock. "Das Strafmaß von zwei Jahren auf Bewährung entspricht meiner Rechtsauffassung", so Anwalt Endler nach Ende der Verhandlung vor der Tür von Saal eins. Eine Traube von Journalisten umringt ihn, kaum einer passiert die erneut aufgebaute Sicherheitsschleuse. Er kritisiere die Entscheidung jetzt nicht, sondern erwarte die schriftliche Urteilsbegründung, so Endler.
Miramar-Betreiber Marcus Steinhart ist nicht gekommen - aber sein Sprecher. Dieser weist die Kritik von Richter Bock scharf zurück: "Es liegt unzweifelhaft in der Verantwortung der Eltern, die Aufsicht über ihre Kinder zu führen." Egal wo und egal zu welcher Uhrzeit. Im RNZ-Gespräch zeigt er sich empört, weil der Richter die Eltern der Opfer, deren mindestens rätselhafte Rolle sowie den Badbetreiber in einem Atemzug nennt. Dem Vernehmen nach kennen sich Angeklagter und Eltern.
Der 51-Jährige nimmt das Urteil äußerlich gelassen auf. "Kommen Sie gut durch die nächsten Tage", wünscht ihm Richter Bock - trotz allem.