Leutershausen

"Ich habe noch nie so viel geweint"

Der "Schattenstunden"-Hauptdarsteller Christoph Kaiser war zu Gast im Olympia-Kino und sprach über seine Rolle als Jochen Klepper.

15.11.2022 UPDATE: 15.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden
Schauspieler Christoph Kaiser und Kino-Förderkreis-Vorsitzende Wiebke Dau-Schmidt im Gespräch mit dem Publikum. Foto: Dorn

Von Nadine Rettig

Hirschberg-Leutershausen. Es ist ein emotionales Thema, mit dem sich die Besucher des Olympia-Kinos in der Vorstellung am Sonntagmorgen auseinandersetzten: mit dem Schicksal Jochen Kleppers, dem im Rahmen des Gedenkens an die Reichspogromnacht in Hirschberg noch zwei weitere Veranstaltungen gewidmet wurden. Klepper, der zur Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten mit einer Jüdin verheiratet war und mit ihr sowie seiner jüdischen Stieftochter zusammenlebte, entschied sich bei der beschlossenen Deportation seiner Familie für den gemeinsamen Suizid mit seiner Frau und Stieftochter.

Die letzten Stunden der Familie waren in dem im Jahr 2021 erschienen Arthouse-Film "Schattenstunde" thematisiert worden. Eben jenes Werk zeigte das Olympia-Kino nun zwei Mal. Klepper sei früher einer der bedeutendsten christlichen Schriftsteller gewesen, erläuterte die Vorsitzende des Förderkreises Olympia-Kino, Wiebke Dau-Schmidt. Heute sei er beinahe nur noch in Kirchenliedern präsent. Die Intention der Veranstaltungen der Evangelischen Kirchengemeinde Großsachsen sowie des Arbeitskreises Ehemalige Synagoge Leutershausen mit der Gemeinde sei es gewesen, "Jochen Klepper dem Vergessen zu entreißen", so Dau-Schmidt. Und mit der Ausstrahlung des Films habe sich der Förderkreis nun diesem Vorhaben angeschlossen.

In der Vorstellung am Sonntag sogar mit einer Besonderheit: Hauptdarsteller Christoph Kaiser war zu Besuch und stellte sich den Fragen von Dau-Schmidt und dem Publikum rund um die gesamte Produktion und seine Empfindungen. Der überwiegend in Speyer produzierte Film, der unter anderem mit dem Nachwuchspreis "First Steps Award" ausgezeichnet wurde, arbeitet mit zahlreichen außergewöhnlichen Stilmitteln. Die tatsächlich immer kleiner werdende Kulisse und die stetig näher rückenden Wände symbolisieren dabei eindrucksvoll die ausweglose Situation der Familie, und immer wieder taucht der Zuschauer in Kleppers Gedankenwelt, Wut und Zweifel ein. "Jochen Klepper war ein Mensch mit vielen Facetten", resümierte Kaiser, der sich unter anderem durch das Lesen von Kleppers Tagebüchern, seiner Biografie und Besuchen an zentralen Orten von Kleppers Leben auf seine Rolle vorbereitet hatte, wie er dem großen Publikum erzählte.

Umso glücklicher sei er darüber gewesen, dass auch die verschiedenen Facetten Kleppers in dem Film ihren Platz gefunden hatten. Bei den Ausführungen des in der Nähe von Wiesloch geborenen Schauspielers wurde schnell klar, dass das Projekt für das gesamte Team ein Herzensanliegen war.

"Wir werden damit nicht reich, aber darum ging es auch nicht", resümierte Kaiser. Und er erinnerte sich daran, wie man zu Beginn losgegangen sei, um Spenden und Gelder für den Film zu sammeln. Größere Produktionen hätten zwar immer wieder Interesse an dem Projekt gezeigt, jedoch so viel daran verändern wollen, dass dies für Regisseur Benjamin Martins nicht in Frage kam. Martins war durch einen Gottesdienst auf Klepper aufmerksam geworden. Dort sei Klepper nur in einem Nebensatz erwähnt worden, doch Martins hatte sich anschließend über Jahre hinweg in dessen Geschichte eingearbeitet. Und die Dreharbeiten seien schließlich für das gesamte Team sehr intensiv gewesen. "Ich habe noch nie so viel geweint wie bei dieser Szene", erzählte Kaiser über die ausführliche Sterbeszene des Films.

Das Publikum hatte nicht nur Fragen zur Zeit der Dreharbeiten. "Wie leben Sie damit weiter?", wollte jemand wissen. Kaiser gab zu, dass ihn die Nähe zu seiner Rolle noch heute präge. "Ich konnte mich mit ihm identifizieren." Und immer wieder habe er sich gefragt, wie er selbst als Vater von drei Kindern in einer solchen Situation reagiert hätte. "Es hat etwas bewirkt, und ich gebe Dingen heute weniger Bedeutung, über die ich mich früher aufgeregt hätte", berichtete der Schauspieler. Zudem bewundere er den Mut Kleppers, der alles verloren hatte und doch den Weg so konsequent gegangen sei.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.