Krähen hackten die Käferlarven aus dem Fußballrasen
Engerlinge fraßen Graswurzeln im Otto-Hoog-Stadion - Sogar Experte staunt über Ausmaß

Von Lukas Werthenbach
Leimen. Sie sind höchstens sieben Zentimeter groß, sie leben jahrelang unter der Erde, man sieht sie zunächst nicht - und doch können die Larven von Junikäfern (siehe Hintergrund-Kasten) einen gewaltigen Schaden anrichten. Eine regelrechte Plage dieser sogenannten Engerlinge hat das Otto-Hoog-Stadion in Leimen heimgesucht. Etwa die Hälfte des Rasenplatzes ist zerstört, bis Frühjahr wird das Feld nicht bespielbar sein. Wie hoch der Schaden ist, lässt sich laut Michael Sauerzapf vom städtischen Grünflächenamt noch nicht sagen. Sicher sei nur, dass er im fünfstelligen Bereich liege - also bei mindestens 10.000 Euro. Und der gelernte Gärtner mit jahrzehntelanger Erfahrung staunt: "In dem Ausmaß habe ich so etwas noch nie erlebt", so Sauerzapf auf RNZ-Nachfrage.
Hintergrund
> Junikäfer ist der umgangssprachliche Name für Gerippte Brachkäfer. Diese gehören ebenso wie die bekannten Maikäfer zur Familie der Blatthornkäfer. Die Larven von Blatthornkäfern werden als Engerlinge bezeichnet. Ende Juli legt das befruchtete Weibchen
> Junikäfer ist der umgangssprachliche Name für Gerippte Brachkäfer. Diese gehören ebenso wie die bekannten Maikäfer zur Familie der Blatthornkäfer. Die Larven von Blatthornkäfern werden als Engerlinge bezeichnet. Ende Juli legt das befruchtete Weibchen des Gerippten Brachkäfers rund 35 Eier im Boden ab und stirbt bald darauf. Engerlinge ernähren sich von kleinen Wurzeln und Pflanzenresten. Sie bleiben zwei Winter im Boden und verpuppen sich im Frühjahr des dritten Jahres. Die Käfer sind etwa 14 bis 18 Millimeter groß und sehen den Maikäfern ähnlich. Ihr Körper ist ledergelb bis braun gefärbt, Scheitel und Halsschild sind dunkler. Die Käfer sind nachtaktiv und verstecken sich tagsüber. Sie fliegen in der Dämmerung warmer Nächte von Ende Juni bis in den Juli hinein in teils großen Schwärmen. Zwei Drittel der fliegenden Tiere sind Männchen. Gerippte Brachkäfer leben in Europa, Nordafrika und in einigen Teilen Asiens. Sie besiedeln Waldränder, Gärten, Parks, Felder und Alleen vom Flach- bis ins Hügelland. luw
Das Tückische daran: Die Engerlinge haben sich wohl schon vor mindestens eineinhalb Jahren im Erdboden des Stadions eingenistet. Junikäfer haben einen zwei- bis dreijährigen Entwicklungszyklus; die Larven brauchen also teilweise drei Jahre, ehe sie sich verpuppen und zu Käfern werden. Bis dahin leben sie unter der Erde und ernähren sich von Graswurzeln. "Ich rechne damit, dass die Larven im kommenden Frühjahr aus dem Boden kommen", sagt Sauerzapf. Warum die Engerlinge plötzlich in diesen Massen im Otto-Hoog-Stadion auftauchen, kann er sich nicht erklären. Mit dem diesjährigen Rekordsommer könne es nicht zusammenhängen, da die Larven sich ja schon lange vorher niedergelassen hätten.
Bemerkt haben die Invasion der Schädlinge die Stadt Leimen als Eigentümerin des Stadions und der VfB Leimen als Pächter erst, nachdem in diesem Sommer eine Vielzahl von Rabenkrähen über den Rasen hergefallen war. Für die seien die Engerlinge willkommene "Eiweiß-Happen" gewesen, wie Sauerzapf erklärt. Die Krähen hätten den Platz zunehmend "umgebuddelt", um die Larven herauszuziehen. Große Teile des Rasens seien wegen der abgefressenen Wurzeln ohnehin schon abgestorben. Dass das Feld nun so aussehe, als hätten es Wildschweine überquert, sei auf die Krähen zurückzuführen.
Jetzt gilt es, den seit gut zwei Monaten gesperrten Platz schrittweise zu reparieren. "Wir haben zunächst versucht, den Junikäfer mit Würmern zu bekämpfen", berichtet Sauerzapf. Vor rund zwei Wochen seien deshalb sogenannte Nematoden als "biologisches Gegenmittel" in den Rasen gesetzt worden - noch ohne "durchschlagenden Erfolg". Einige Larven seien dadurch bereits getötet worden, zu viele würden aber noch leben. "Vielleicht müssen wir noch einmal nachlegen", so Sauerzapf. Er meint: "Das muss funktionieren."
Anschließend - noch in diesem November ist das vorgesehen - werde der kaputte Rasen abgetragen und gefräst. Erst dann sei das Ausmaß des Schadens vollständig erkennbar. Im schlimmsten Fall müsse man neuen Rasen einsäen, was wegen der Temperaturen erst im Frühjahr möglich sei. Fiele der Schaden geringer aus, wäre das Auslegen von Rollrasen eine Möglichkeit. Auch dann könne der Platz aber erst im nächsten Jahr wieder genutzt werden.
Auswirkungen haben die Schäden vor allem auf den Trainings- und Spielbetrieb des VfB Leimen. Dort sieht man die Situation aber sportlich: "Wir haben jetzt eben nur einen Platz und müssen enger zusammenrücken", so Vereinsvorsitzender Kai-Uwe Kalischko auf Nachfrage. Immerhin ist das Ausweichfeld ein Kunstrasenplatz. Der ist bei jedem Wetter belastbar und sicher kein gefundenes Fressen für Schädlinge.



