Leimen/Nußloch

Eine Gondel stürzte in die Tiefe

Unfall an der Materialseilbahn zwischen dem Nußlocher Steinbruch und dem Zementwerk in Leimen - Ursache nicht geklärt

12.02.2019 UPDATE: 13.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden

Das Bild zeigt den Moment, in dem die Lore vom Seil springt: Mehrere Gondeln hatten sich zuvor an einem Mast gestaut. Foto: privat

Von Christoph Moll

Leimen/Nußloch. "Kinder sollten beim Ansehen des Videos von Eltern beaufsichtigt werden", wird auf der Seite der "Materialseilbahn-Freunde Nußloch" im sozialen Netzwerk "Facebook" gewarnt. Fans der Materialseilbahn müssten ganz stark sein, heißt es weiter, denn das Bildmaterial könne auf manche verstörend wirken. Auf dem Video ist zu sehen, wie mehrere Gondeln der Materialseilbahn zwischen dem Nußlocher Steinbruch und dem Zementwerk in Leimen ineinander krachen, eine Gondel springt sogar vom Seil und stürzt in die Tiefe. Der Unfall ereignete sich Ende Januar und wurde lediglich durch das Video im Internet bekannt.

Was ist passiert? Die Seilbahn befand sich im Januar in der sogenannten Winterreparatur. "Einmal im Jahr kontrollieren und reparieren wir die ganze Seilbahn durch - vom Steinbruch bis zum Zementwerk", erklärt Werksleiter Ulrich Schneider gegenüber der RNZ. Dies geschehe üblicherweise im Winter, wenn die Auslastung geringer ist. Der Abbau des für die Zementherstellung notwendigen Kalksteins im Nußlocher Steinbruch wird für etwa drei Wochen ausgesetzt, auch die beiden Öfen im Zementwerk werden heruntergefahren und auf den Prüfstand gestellt. In dieser Zeit raucht der Schornstein also nicht.

Hintergrund

Die Materialseilbahn verbindet seit rund 100 Jahren den Nußlocher Steinbruch mit dem Zementwerk von HeidelbergCement in Leimen. Die 5400 Meter lange Strecke ging erstmals im Mai 1917 in Betrieb, wurde aber wegen des Ersten Weltkriegs schnell wieder eingestellt. Ein Jahr

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Die Materialseilbahn verbindet seit rund 100 Jahren den Nußlocher Steinbruch mit dem Zementwerk von HeidelbergCement in Leimen. Die 5400 Meter lange Strecke ging erstmals im Mai 1917 in Betrieb, wurde aber wegen des Ersten Weltkriegs schnell wieder eingestellt. Ein Jahr später startete schließlich der reguläre Betrieb. Die insgesamt 260 Gondeln transportieren in einer Stunde etwa 320 Tonnen Kalkstein vom Nußlocher Steinbruch ins Zementwerk nach Leimen, was im Jahr etwa 800.000 Tonnen ergibt. Die Seilbahn wird auf der Strecke von 60 Stützen gehalten und es gibt eine "Eckstation", bei der die Seilbahn eine Kurve macht und in der die Loren nicht auf dem Seil, sondern auf Schienen laufen. Der Energieverbrauch ist, auch dank des Gefälles zwischen Nußloch und Leimen erstaunlich gering und beträgt rund 40 Kilowatt - was in etwa der Motorleistung eines Kleinwagens entspricht. Die Loren fahren gefüllt ins Zementwerk und leer zurück. Die Seilbahn ersetzt etwa 40.000 Lastwagen-Fahrten jährlich. Sie wird voraussichtlich noch etwa zehn Jahre in Betrieb sein - so lange kann im Nußlocher Steinbruch Kalkstein abgebaut werden. Was dann mit ihr passiert, ist unklar. cm

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Bei der Seilbahn stehen Wartungsarbeiten im Vordergrund, wie der Werksleiter erklärt. So werden zum Beispiel die Tragseile etwas bewegt, sodass diese nicht ständig an denselben Stellen auf den Stützen aufliegen und nicht beschädigt werden. Arbeiter kontrollieren auch die Zugseile, die für die Bewegung der Gondeln sorgen, ebenso auf Schäden wie die "aufwendige Mechanik", so Schneider. Dies geschieht von einem Hubsteiger aus. Die Loren werden hierfür heruntergenommen. Sie werden ohnehin das ganze Jahr über kontinuierlich repariert, wie Ulrich Schneider erklärt.

"Alles war kontrolliert, es gab keine Auffälligkeiten", berichtet der Werksleiter. "Der ominöse Unfall geschah, als wir die Seilbahn wieder in Betrieb genommen haben." An der Stütze mit der Nummer vier - etwa 100 Meter vor der Einfahrt der Gondeln auf das Zementwerksgelände - verhakte sich eine Lore und blieb hängen. Drei weitere Gondeln rauschten in die Lore, eine fiel vom Tragseil und stürzte in die Tiefe. Alle waren zu diesem Zeitpunkt nicht beladen. Der Sicherheitsmechanismus habe schnell gegriffen, wie Schneider sagt. Die Seilbahn sei außer Betrieb genommen worden, um größere Schäden zu verhindern. "Zur Ursache kann ich nichts sagen", erklärt der Werksleiter. Sie konnte nicht abschließend geklärt werden. Es gibt aber eine Vermutung: Das Tragseil liegt an den Stützen auf einem Holm auf und könnte verkantet gewesen sein. "Jedenfalls war der Holm nach dem Unfall verkantet", so Schneider, der von "mechanischen Einwirkungen" spricht.

Verletzt wurde bei dem Unfall niemand und auch der Schaden hält sich in Grenzen. "Die große Sorge, dass es zu einem Schaden am Tragseil kam, hat sich zum Glück nicht bestätigt", so Schneider. Schon ein Tag später war die Reparatur beendet und die Seilbahn konnte wieder in Betrieb genommen werden. Die verunglückten Gondeln werden repariert. "Es war Glück im Unglück", betont der Werksleiter. "Unfälle können passieren und auch ein Wagen kann herunterfallen." Solch einen Unfall habe es in den vergangenen 15 Jahren nicht gegeben. Überhaupt hätten sich in diesem Zeitraum nur zwei Unfälle ereignet.

Die Materialseilbahn-Freunde atmen derweil auf: "Nach unzähligen Stunden der Warterei und gefühlt endlosen Tagen der Ungewissheit ist die Leichtigkeit des Seins bei allen Mitgliedern zurückgekehrt", heißt es. "Die Materialseilbahn fährt wieder."

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