Landtagswahl 2021

Uli Sckerl hat noch nicht genug

Grüne im Wahlkreis Weinheim nominieren fast einstimmig Uli Sckerl zu ihrem Kandidaten

18.09.2020 UPDATE: 19.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Uli Sckerl will’s noch mal wissen: Der Weinheimer kandidiert 2021 erneut für einen Sitz im Landtag, Zweitkandidatin ist die Schriesheimer Vizebürgermeisterin Fadime Tuncer. Foto: Kreutzer

Von Alexander Albrecht

Schriesheim. Ganz am Ende seiner Nominierungsrede lockert sich die beinahe andächtige Stimmung in der Schriesheimer Mehrzweckhalle, es wird geklatscht und auch mal geschmunzelt. Uli Sckerl spricht über sein Alter. "Ich bin ein älterer Herr", sagt der 69-Jährige – "aber so lange meine Ideen immer noch frischer sind als die von den CDU- oder SPD-Bewerbern, mache ich mir da keine Gedanken".

Sein Parteifreund Winfried Kretschmann habe ihn ausdrücklich zu einer weiteren Kandidatur für den Landtag ermuntert. Der Ministerpräsident setze auf ihn. "Ich habe noch nicht genug", sagt Sckerl, "und abgesehen davon will ich Kretschmann nicht im Seniorenclub alleine lassen".

Das Abstimmungsergebnis ist dann keine Überraschung mehr: Die Grünen schicken am Donnerstagabend ihr Urgestein für die Landtagswahl im Frühjahr 2021 im Wahlkreis 39 (Weinheim) ins Rennen, als Zweitkandidatin die Schriesheimer Vize-Bürgermeisterin und Kreisvorsitzende Fadime Tuncer. Die 51-Jährige würde nachrücken, falls Sckerl aus dem Parlament in Stuttgart ausscheidet. Von den 39 anwesenden Mitgliedern stimmen jeweils 37 für das Duo, zwei Mitglieder enthalten sich. Es ist der Schlusspunkt unter einem zweistündigen Nominierungsparteitag, der ohne Störgeräusche auskommt.

Dabei kokettieren die Grünen immer noch mit dem Ruf, irgendwie "anders" zu sein und ist sich Sckerl ("Bei uns weiß man ja nie") kurz vor Beginn der Versammlung nicht ganz sicher, ob sich nicht noch ein Gegenkandidat aus der Deckung wagt. Doch dazu kommt es nicht. Die Grünen wissen um die Verdienste ihres "Uli", der 2006 erstmals den Sprung in den Landtag schaffte, zehn Jahre später der CDU und Georg Wacker das Direktmandat abjagte, als Fraktionsgeschäftsführer in Stuttgart die Reihen schließt und der Ökopartei Mehrheiten bei Abstimmungen sichert. Ob Klimaschutz, Investitionsanreize für moderne Technologien oder neue Unterrichtsformen: Es ist nicht verwunderlich, dass Sckerl die mehr als neunjährige Regentschaft der Grünen in Baden-Württemberg als Erfolgsgeschichte nachzeichnet. Seit Corona haben sich jedoch die Vorzeichen verändert.

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"Wir können auch Krise", sagt der Kandidat und verspricht, dass sich die Regierung weiterhin engagiert dafür einsetze, dass Arbeitsplätze im Ländle nicht in großem Stil verloren gehen. Obwohl die milliardenschweren Förderprogramme den Haushalt und zukünftige Generationen durch neue Schulden schwer belasten, wollen die Grünen nicht den Blick auf ureigene Themen verlieren. "Der Klimawandel ist ja noch schlimmer geworden", so Sckerl und nennt konkrete Beispiele: die Dürre und ein zweites Waldsterben.

Stolz verweist der Weinheimer auf die drei Milliarden Euro Sondermittel des Landes für die Kommunen. Er will aber auch nicht das Blaue vom Himmel versprechen. Die Kosten für die Sanierung des Schriesheimer Schulzentrums und den Neubau einer Schule in Hemsbach beziffert Sckerl auf rund 100 Millionen Euro. Das Land werde den beiden Kommunen mit Zuschüssen helfen, "aber vermutlich nicht so sehr, wie sich das die Beteiligten vor Ort wünschen".

Sckerl spricht sich für eine dritte Gemeinschaftsschule – "Viele Kinder können nicht aufgenommen werden" – im Wahlkreis aus, will für Radschnellwege, den Autobahnanschluss Weinheim-Süd und eine Renaissance des Straßenbahn-"Brückenschlags" zwischen Mannheim, Neckargemeinden und der Bergstraße kämpfen.

Bei der Fragerunde erkundigen sich die Mitglieder unter anderem nach einem Gesetz für mehr weibliche Abgeordnete im Landtag, ein Konzept gegen Flächenversiegelung oder einen Klassenteiler ab 30 Schülern. Ersteres sei an der CDU gescheitert, man wolle aber einen neuen Anlauf nehmen, Zweiteres hänge entscheidend vom Bund ab und Drittes sei schlichtweg zu teuer. Scharf kritisiert Sckerl Kultusministerin Susanne Eisenman. Die CDU-Spitzenkandidaten liefere anstatt eines überzeugenden Konzepts für Digitalisierung, Unterricht zu Hause und Lehrerversorgung lediglich Stückwerk ab.

Fadime Tuncer erinnert daran, wie sie als Sechsjährige nach Deutschland kam und kein Wort Deutsch gesprochen habe. Dank engagierter Lehrerinnen hätte sie Sprachbarrieren abbauen und ihr Potenzial entfalten können. Vor allem aber habe sie dafür Zeit bekommen. Und das wünscht sie sich auch für die heutigen Schüler. "Lasst den Kindern mehr Zeit, zu lernen", lautet ihre Kernbotschaft.

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