Kirchengemeinde Letzenberg

Abriss und Verkauf von Kirchen in Rauenberg, Mühlhausen und Malsch angedacht

Gebäudekonzept bei Pfarrversammlungen vorgestellt

12.03.2018 UPDATE: 13.03.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 29 Sekunden

Die Gebäude sind zu groß, die Zahl der Gläubigen wird immer kleiner: Die Optimierungsszenarien des erzbischöflichen Ordinariats sehen für die Seelsorgeeinheit Letzenberg den Abriss der Malschenberger Kirche ... Foto: Pfeifer

Rauenberg/Mühlhausen/Malsch. (BeSt) In zwei Pfarrversammlungen in Rauenberg und Mühlhausen stellte die katholische Kirchengemeinde Letzenberg die erste Stufe des Gebäudekonzepts vor. Das Fazit ist kurz und prägnant: Wenn der aktuelle Gebäudebestand so erhalten bliebe, müsste die Kirchengemeinde 28 Millionen Euro in den nächsten 30 Jahren zusätzlich aufbringen. Zugleich schrumpft bis ins Jahr 2047 die Zahl der Katholiken von heute 10.000 auf 6000, so die Prognose des Erzbistums für die Seelsorgeeinheit Letzenberg.

Bereits in ihrer Begrüßung machte die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Roswitha Schöttler deutlich, dass unter diesen Voraussetzungen der vorhandene Gebäudebestand nicht mehr gehalten werden könne. Die Kirchensteuerzuweisung des Erzbistums stellt den Gemeinden Finanzmittel für 2231 Gebäude-Quadratmeter zur Verfügung, der aktuelle Gebäudebestand der sechs Pfarrgemeinden umfasse 5561 Quadratmeter.

Bauoberamtsrat Stefan Brunner, der Gebietsleiter des erzbischöflichen Bauamts für die Dekanate Wiesloch und Bruchsal, stellte klar, es sei das oberste Ziel, kirchliches Gemeindeleben auch noch in 50 Jahren zu ermöglichen. Keine Gruppe solle aufgelöst werden, sondern jede aktive Gruppe sollte am Ende des dreistufigen Gebäudekonzeptes passgenaue Räumlichkeiten erhalten.

Hintergrund

Hintergrund Schockiert über das Abbruch-Szenario

Rauenberg. Zur Pfarrversammlung im Rauenberger Pfarrzentrum kamen über 120 Interessierte aus allen sieben Ortschaften der Seelsorgeeinheit. Im Diskussionsteil wurden die Emotionen deutlich, die bei der

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Hintergrund Schockiert über das Abbruch-Szenario

Rauenberg. Zur Pfarrversammlung im Rauenberger Pfarrzentrum kamen über 120 Interessierte aus allen sieben Ortschaften der Seelsorgeeinheit. Im Diskussionsteil wurden die Emotionen deutlich, die bei der Vorstellung der Optimierungsszenarien entstanden waren.

Günter Becker aus Malsch erinnerte daran, dass das Pfarrheim damals unter enormer Eigenleistung der Kolpingsfamilie errichtet worden sei. Es könne daher nicht sein, dass man es einfach abreiße: "Wir sind in Malsch genügsam und wollen doch gar keine Grundsanierung des Gebäudes. Wir sollten noch 30 Jahre warten, solange wird das Gebäude noch halten." Eine Vertreterin des Malscher Kirchenchors machte sich um die Chorqualität sorgen: "Wir sind ein großer Chor und wir brauchen das Pfarrheim zur wöchentlichen Chorprobe!"

Josef Gerner aus Rauenberg zeigte sich nicht damit einverstanden, dass der Eindruck vermittelt werde, dass der Pfarrgemeinde die selbst ausgebauten Räumlichkeiten nun quadratmetermäßig nicht mehr zustehen und deshalb aufgegeben werden müssten. Er erinnert daran, wie in den 1980er Jahren unter großer Eigenbeteiligung der Ausbau erfolgte.

"Ich kann die Emotionalität verstehen, aber ich sehe mich jetzt in der Verantwortung als ehrenamtliche Stiftungs- und Pfarrgemeinderätin, die Weichen für die Zukunft zu stellen, damit wir auch in Zukunft noch Jugendarbeit finanzieren können", entgegnete Cornelia Geider-Starke.

Günter Hemmerich (Rauenberg) war besorgt darüber, dass bei der Neuaufstellung des Gebäudebestands nur die Architekten groß verdienten. Christa Schäffner und Helga Östringer aus Malschenberg zeigten sich schockiert über das Abbruch-Szenario des örtlichen Gebäudekomplexes Kirche-Pfarrzentrum. Sie baten um einen sehr vorsichtigen Umgang mit den Emotionen der örtlichen Gläubigen im bevorstehenden Prozess.

Hier setzte auch Christian Kollenz (Rauenberg) an und plädierte dafür, die Gemeindemitglieder und -gruppierungen in einem strukturierten und pro-aktiven Prozess zu beteiligen, der alle Interessierten einbinde und mitnehme. Dem konnte sich Stefan Brunner vom erzbischöflichen Bauamt Heidelberg nur anschließen. Er wies aber auch darauf hin, dass die Pfarrgemeinde Malschenberg keinen Vertreter in die Gremien der Seelsorgeeinheit entsende. Er frage sich: "Wo sind die gewählten Vertreter aus Malschenberg und warum gibt es sie nicht?"

Pfarrgemeinde- und Stiftungsrat Stanislaw de Vincenz (Mühlhausen) rief dazu auf, sich unterstützend in die bevorstehenden Entscheidungsprozesse einzubringen: "Ich will als Pfarrgemeinderat am Ende nicht unschöne Entscheidungen treffen müssen und damit zum Buh-Mann der Gemeinde werden!" Er richtete den Blick auf eine andere Generation: "Wo ist heute Abend die Jugend? Wo sind heute Abend diejenigen, die noch keine grauen Haare haben?"

In der Tat machte die Generation der über Sechzigjährigen einen Großteil der Versammlungsteilnehmer aus. Unter 30 waren nur vier Anwesende (Vertreter der KJG Rauenberg und der Ministranten Rotenberg). Dabei blickt das vom Erzbistum geforderte Gebäudekonzept gerade auf diese Gemeindemitglieder, tragen diese doch in den nächsten 30 Jahren das Gemeindeleben und müssen für die Kosten einstehen. Am Ende überwand sich einer dieser vier doch zu einem Statement und hinterfragte mit Blick auf die Anzahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher in allen Kirchen der Seelsorgeeinheit, wie sinnvoll es sei, solch riesige Räume in allen sechs Pfarrgemeinden noch zu unterhalten. (BeSt)

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Die vom Architekturbüro Weiss aus Bretten erarbeitete und nun vorgestellte erste Stufe des Gebäudekonzepts stellt eine reine Bestandsaufnahme unter den Vorgaben des erzbischöflichen Ordinariats dar, zudem ist Raum für erste Visionen. In die bevorstehende zweite Konzeptstufe fließt der Raumbedarf aller kirchlichen Gruppen ein. Das Architekturbüro erstellt unter diesen Vorgaben für jede Pfarrgemeinde drei mögliche Szenarien.

In der abschließenden dritten Konzeptstufe erfolgt dann die Umsetzung der gewünschten Pläne in frei auszuschreibenden Architekturwettbewerben. Zur zeitlichen Umsetzung der Konzeptstufen werden keinerlei Vorgaben gemacht, es gilt die Maxime: "So viel Zeit wie nötig, so wenig Zeit wie möglich." Ohne die Durchführung aller Konzeptstufen gibt das Erzbistum keinerlei Zuschüsse oder Finanzierungskonzepte für bauliche Sanierungs- oder Gebäudemaßnahmen.

In der einstündigen Vorstellung des Istbestandes wurde jedes kirchliche Gebäude durchleuchtet. Mittelfristig größere Investitionen wurden für die Kirche und das Pfarrhaus in Malsch, den Gebäudekomplex in Malschenberg, die Kirche, die Bernhardushalle und das Pfarrhaus in Mühlhausen, den Kirchturm und das Pfarrzentrum in Rauenberg sowie das Pfarrhaus in Rettigheim ermittelt. Sofortiger baulicher Handlungsbedarf bestünde für das Pfarrheim in Malsch und die Filialkirche in Tairnbach.

Ein besonderes Augenmerk legt die Architekten-Studie auf die Pfarrzentren und Gemeindehäuser, die in fünf der sechs Gemeinden nach dem Gebäude-Quadratmetersatz der Bistumsleitung zu groß ausfallen. Das Gemeindezentrum in Rettigheim fällt als kommunal-städtisches Gebäude nicht in die Studie und ist somit außen vor.

Bezüglich der Auslastung und der Kosten je Nutzung der örtlichen Gemeinderäume tut sich ein weites Feld innerhalb der Kirchengemeinde auf: So ist das Malscher Pfarrheim 957 Quadratmeter groß, durch Kirchensteuereinnahmen wird aber nur eine Fläche von 206 Quadratmetern finanziert; die Auslastung liegt bei lediglich 3,4 Prozent. Das Pfarrzentrum in Malschenberg ist nach dieser Rechnung 651 Quadratmeter zu groß, bei einer Auslastung von nur 1,7 Prozent. Die Bernhardushalle in Mühlhausen (Auslastung: 6,5 Prozent) weist 1175 Quadratmeter zu viel an Fläche auf, das Rauenberger Pfarrzentrum (Auslastung: 3,5 Prozent) 1401 Quadratmeter, das Rotenberger Pfarrzentrum (Auslastung: 27,5 Prozent) 281 Quadratmeter.

Hintergrund

Hintergrund Pfarrversammlung in Mühlhausen

Mühlhausen. An die einstündige Vorstellung der ersten Stufe des Gebäudekonzepts in der Bernhardushalle fügte sich eine ebenso lange Diskussion der Gläubigen zu deren Inhalten an. Auch zur zweiten

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Hintergrund Pfarrversammlung in Mühlhausen

Mühlhausen. An die einstündige Vorstellung der ersten Stufe des Gebäudekonzepts in der Bernhardushalle fügte sich eine ebenso lange Diskussion der Gläubigen zu deren Inhalten an. Auch zur zweiten Pfarrversammlung kamen 120 Interessierte aus allen Ortschaften der Seelsorgeeinheit. Josef Eisend aus Malsch griff das Wort von Pfarrer Joachim Viedt auf: "Gott, wo wohnst du?" Er war überzeugt, dass zwar Mathematik und Ökonomie des Konzeptes stimmten, die Anordnung des Freiburger Ordinariats jedoch auch theologisch die falsche sei. Er forderte ein Umdenken zu den Menschen hin: "Die Zahlendreherei ist eine Milchmädchenrechnung der Ökonomie. Wir sollten uns fragen: Was stirbt durch den möglichen Abriss vor Ort und was wollen wir auf Dauer noch erhalten?"

Auf Nachfrage gab Pfarrer Viedt, der Leiter der Seelsorgeeinheit Letzenberg, bekannt, dass der nächste Neustrukturierungsprozess hin zu neuen größeren Seelsorgeeinheiten in zehn Jahren bevorstehe. Mit Blick darauf, forderte Christian Glania (Rettigheim) funktionale Neubauten und keine gottlosen Ortschaften. Wenn in Malschenberg der Gebäudekomplex abgerissen werde, müsse ein Neubau entstehen.

Diese Sorge teilte auch Maritta Ulrich aus Tairnbach. Der mögliche Abriss und Verkauf der Filialkirche in Tairnbach setze bei ihr viele Emotionen frei, der Erhalt stelle doch nur eine einmalig relativ geringe Summe dar. Sie gab zu bedenken, dass mit dem Abbruch des kleinen Kirchleins das Allerheiligste den Ort Tairnbach verlassen würde, für sie eine undenkbare Vorstellung.

Conny Bender und Rudi Stein machten ihr Unverständnis über die Kostenrechnung für den Gebäudekomplex in Malschenberg kund. Die Erhaltungskosten für St. Wolfgang könnten nicht mehr erwirtschaftet werden, heiße es, aber Abriss und Neubau seien möglich: Das sei unverständlich. Sie forderten, dass es auch zukünftig Gemeinderäume geben müsste, die der Zusammenkunft der Gläubigen nach dem Gottesdienst dienten. Thesi Pfauser fand es unerträglich, dass das Optimierungsszenario für Mühlhausen eine Umwidmung der Bernhardushalle vorsehe: "Dies ist doch der Ort des örtlichen Gemeindelebens!" Sie plädierte dafür, den Blick zu weiten und nicht nur für die nächsten 30 Jahre zu denken.

Auch in Mühlhausen zeigte sich mit einem Blick auf die 120 Anwesenden, dass eine deutliche Mehrheit die Generation der über Sechzigjährigen ausmacht. Die von der Studie fokussierte Generation der unter Dreißigjährigen war mit gerade einmal drei Vertretern (den gleichen Personen wie auf der Pfarrversammlung in Rauenberg) vertreten. (BeSt)

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Aufgrund der meist sehr niedrigen Auslastung der Gemeinderäume und der teils enormen Kosten setzen vier der fünf visionären Optimierungsszenarien auch an den Gemeindehäusern beziehungsweise Pfarrzentren an:

> Pfarrheim und Kirche Malsch: Das Pfarrheim könne abgerissen und die frei werdende Fläche neben der Kirche als Garten angelegt werden. In den hinteren Teil der Kirche St. Juliana könnten neue Gemeinderäume in geforderter Größe integriert werden, die an Festtagen dem Gottesdienstraum zugeschaltet werden könnten. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Abriss und Neubau in der Kirche in 30 Jahren rund 600.000 Euro.

> Bernhardushalle und Kirche Mühlhausen: Die Bernhardushalle könnte verkauft oder in Wohnungen umgewandelt werden. Wie in Malsch könnten neue Gemeinderäume in geforderter Größe in den hinteren Teil der Kirche St. Cäcilia integriert oder südwestlich an die Kirche neu angebaut werden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Neubau in oder an der Kirche in 30 Jahren über 2,1 Millionen Euro.

> Filialkirche Tairnbach: Für eine Filialkirche, die für rund 150.000 Euro saniert werden müsste und 10.000 Euro laufende jährliche Kosten verursache, die allerdings nicht mehr monatlich genutzt werde, schlägt der Architekt den Abriss und den Verkauf des Grundstücks als Bauplatz vor. Das bestehende Gemeindeleben könnte in ökumenischer Zusammenarbeit beispielsweise in der evangelischen Kirche fortgesetzt werden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Abrisskosten für das Kirchengebäude in 30 Jahren 219.000 Euro.

> Pfarrzentrum Rauenberg: Das Dachgeschoss des Pfarrzentrums könnte aufgrund der zu großen Fläche zu Mietwohnungen umgebaut werden. Die dort stattfindenden Veranstaltungen und Chorproben könnten in den drei unverändert bleibenden Räumen des Erdgeschosses stattfinden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Umbauarbeiten für das Dachgeschoss in 30 Jahren 1,1 Millionen Euro.

> Pfarrzentrum und Kirche Malschenberg: Der vor 40 Jahren neu errichtete Gebäudekomplex von Kirche und darunterliegendem Pfarrzentrum sei völlig überdimensioniert, eine Abtrennung oder Umwidmung von Gebäudeteilen nahezu unmöglich. Deshalb solle das gesamte Gebäude abgebrochen oder verkauft und ein kleines multifunktionales Gemeindezentrum mit Sakralraum in geforderter Größe neu errichtet werden. Die Umsetzung des Vorhabens spare inklusive Abriss- und Neubaukosten für das bisherige und mögliche neue Gebäude in 30 Jahren 1,3 Millionen Euro.

Am Ende seiner Ausführungen gab Architekt Marcus Weiss zu bedenken, dass diese fünf von ihm entworfenen visionären Optimierungsszenarien weniger als sechs Millionen Euro an Einsparungspotenzial beinhalten. Es bleibe ein Defizit von über 22 Millionen Euro im Gebäudehaushalt für die nächsten 30 Jahre zwischen den Erhaltungskosten und der voraussichtlichen Zuweisung aus der Kirchensteuer: "Es kann sein, dass viel radikaler gedacht werden muss, als wir es hier getan haben", resümierte der Architekt.

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