Kinderbetreuung

St. Leon-Rot setzt Rotstift bei Zuschüssen an

Der Rat beschließt Kürzung von freiwilligen Leistungen bei Kinderbetreuung. Wegen des Haushaltslochs sah man keinen anderen Weg.

06.02.2023 UPDATE: 06.02.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde
Der Neubau des Kindergartens in Rot schreitet voran: Während an dieser Pflichtaufgabe zur Schaffung neuer Betreuungsplätze nicht gerüttelt wird, hat der Gemeinderat einige freiwillige Leistungen in der Kinderbetreuung gekürzt. Foto: Theo Vetter

Von Sebastian Lerche

St. Leon-Rot. "Schweren Herzens" hat sich St. Leon-Rots Gemeinderat für Kürzungen entschieden. Das machten die Fraktionen in der jüngsten Sitzung wiederholt deutlich, als vor der eigentlichen Haushalts-Verabschiedung (die RNZ berichtet gesondert) der Rotstift an verschiedenen Freiwilligkeitsleistungen angesetzt wurde. Man versicherte den zahlreich erschienenen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie möglichst wiederhergestellt werden sollen, sobald die Finanzlage es zulässt.

Vor dem Hintergrund des Haushaltslochs aus Steuerrückzahlungen und entgangenen Einnahmen, das sich inzwischen laut Verwaltung auf rund 85 Millionen Euro summiert, nannten die Ratsmitglieder es eine Herausforderung, einen genehmigungsfähigen Haushaltsplan aufzustellen. Und sie mussten sich eingangs schon heftige Kritik anhören, zuerst von einer Tagesmutter, die die Halbierung einer Gemeinde-Bezuschussung zu spüren bekommen wird: Bei regulären Kindertagesstätten und Krippen werde weniger gekürzt, das sei unfair, fand sie. Ein anderer Bürger hob die Bedeutung von Tageseltern für alle hervor, die beruflich, etwa wegen Schichtdienst, mit den Öffnungszeiten regulärer Kindertagesstätten nicht klarkommen.

Trotzdem wurde einstimmig entschieden, die Kindertagespflege ab September 2023 für zwei Jahre mit nur noch zwei Euro pro Betreuungsstunde zu fördern und die freiwilligen Zuschüsse zu Kinderbetreuungsgebühren in institutionellen Kindertagesstätten (Kitas) ab dem Betreuungsjahr 2023/24 für zwei Jahre auszusetzen. Diese Sparmaßnahme sei im Vorfeld zur Abmilderung der Auswirkungen vom Frühjahr um sechs Monate geschoben worden, hieß es. Ana-Sophie Walter vom Hauptamt gab nähere Erläuterungen.

In Kitas, Krippen und im Hort gab die Gemeinde einen Platzzuschuss von 20 Euro seit 2008 und 30 Euro seit 2017, um den Elternbeitrag für Ortsansässige zu mindern. Ab 2010 gab es zudem Zuschüsse für hiesige Ein-Kind-Familien, die je nach Betreuungsform von zehn bis 25 Euro reichten, sowie Familien mit zwei oder drei Kindern, die zwischen zehn und 20 Euro lagen. Zunächst 20, ab 2017 dann 30 Euro gab es für Kinder, die auswärtige Kitas besuchen. 2021 hat die Gemeinde für diese Zuschüsse noch mehr als 288.000 Euro ausgezahlt, 2023 wären rund 300.000 Euro eingeplant gewesen.

Auch interessant
Missbrauchsfälle von St. Leon-Rot: Suche nach Lehren aus den Fehlern von Rot
St. Leon-Rot: Zwei neue Ladesäulen errichtet
St. Leon-Rot: Bürgermeister Eger ärgerten 2022 "dumme und bösartige Menschen"

Die sieben Tageseltern in St. Leon-Rot, die aktuell 34 Plätze bieten, wurden einst mit 2,50, später mit vier Euro pro Kind und Betreuungsstunde unterstützt. Man war sich im Rat einig, dass die 34 Plätze erhalten bleiben sollen und daher der Zuschuss nicht ganz gestrichen wird. Rund 150.000 Euro hat der Tageseltern-Zuschuss die Gemeinde 2021 gekostet, in diesem Jahr waren ursprünglich Mittel von 225.000 Euro angemeldet.

Einhellig wurde die Förderung für Landschulheimaufenthalte und Auslandsfahrten reduziert. Für Schülerinnen und Schüler gibt es statt 30 nur noch 15 Euro für den Besuch im Landschulheim und statt 40 noch 20 Euro für Bildungsreisen ins Ausland.

Des Weiteren gab die Verwaltung bekannt, dass insbesondere wegen der nach wie vor geltenden Ausgabensperre die vor drei Jahren beschlossene Erhöhung der Jugendförderung nicht verlängert werde. Statt 50 Euro gibt es nun für jedes aktive in St. Leon-Rot wohnende Vereinsmitglied unter 18 Jahren wieder 40 Euro pro Jahr, wie vor der Coronakrise.

Bürgermeister Alexander Eger stellte eingangs klar, dass die Pflichtaufgaben weiter erfüllt werden, der Neubau des Kindergartens in Rot beispielsweise, da man zur Bereitstellung der Betreuungsplätze verpflichtet sei. Jetzt werde an Freiwilligkeitsleistungen der Gemeinde gekürzt, und zwar an solchen, "die andere Kommunen nie geleistet haben". Was Kreis oder auch Land zudem an gesetzlich verankerter Unterstützung leisteten, bliebe davon ja unberührt. Die Förderungen habe man nie "mit der Gießkanne", sondern unter dem sozialen Aspekt beschlossen, jetzt stehe man vor der Frage, ob man sich das noch leisten könne. Es sei schwierig für die von den Kürzungen Betroffenen, "aber im Blick auf unsere Gesamtverantwortung bleibt uns nichts anderes übrig".

Allen Ratsmitgliedern war bewusst, dass die Menschen zurzeit von allen Seiten Mehrbelastungen spüren, durch die Energiekrise und allgemeine Preissteigerungen. Daher "fällt es sehr schwer, zuzustimmen", sagte etwa Tobias Rehorst (Freie Wähler). St. Leon-Rot sei nun aber nicht teurer als andere Kommunen geworden, sondern allenfalls auf dem Niveau landesweiter Empfehlungen. Bei so einem Haushaltsloch dürfe man nicht nur an einmalige Investitionen denken, sondern müsse die laufenden Kosten auf längere Sicht senken. "Unser finanzieller Rahmen gibt es nicht her", meinte Achim Schell (CDU): Die Entscheidung habe man sich nicht leicht gemacht, man müsse an vielen Stellen sparen.

"Das ist echt schwierig", betonte Annette Heger (FDP), über diese Kürzungen habe man lange diskutiert, aber keine bessere Lösung gesehen. Ihr Fraktionskollege Torsten Weis übte später Kritik, dass hier gestrichen, an der bisherigen Förderung von Vereins-Investitionen aber – zumindest noch – nicht gerührt werde: Das bedeute für die Gemeinde Kosten von zwei Millionen Euro bis 2026.

Das sei die "schwerste Entscheidung" der ganzen Haushaltsberatungen gewesen, so Karin Greis (Grüne), "aber wir können uns das aktuell nicht leisten". Das meinte auch Rouven Dittmann (Junge Liste): "Es fällt schwer, ist aber unsere Pflicht." Klaus Grün (SPD) sah sich auch zu diesem Schritt gezwungen und wiederholte eine SPD-Forderung nach gebührenfreier Kinderbetreuung: Anderswo leiste man sich das, aber nicht im reichen Baden-Württemberg.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.