Die Fahne ist dem Turnverein Germania "heilig"
Der Turnverein Germania 1890 blickt auf 122 Jahre Geschichte und viele Erinnerungen zurück.

Von Marco Partner
Hirschberg-Großsachsen. In Vereinen sammelt sich mit den Jahrzehnten etwas an: Meisterschaften, Pokale, Medaillen, Wimpel – und natürlich auch jede Menge Papierkram. Der Turnverein Germania 1890 kann bereits auf eine 122-jährige Vergangenheit blicken.
Die Chronik ist lang, einen Schatz voller Trophäen aber sucht man im Vereinskeller vergeblich. Und doch finden sich bei genauem Hinsehen Erbstücke, die mit viel Nostalgie verknüpft sind und in Ehren gehalten werden.
"Die Fahne ist heilig", sagt Rebekka Ulrich. Erst seit einem Jahr ist sie Vereinsvorsitzende, und weiß doch sofort, welcher Gegenstand wie kaum ein Zweiter Erinnerungen, Zusammenhalt und gelebte Tradition symbolisiert. In einem Raum in der Tennishalle ruht die golden wirkende und aufwendig gestickte Flagge unter einer durchsichtigen Schutzhülle.

Nur zu besonderen Anlässen, zu Festivitäten, Jubiläen, aber auch zu Beerdigungen von Vorstandsmitgliedern kommt der Vereinsbanner aus hochwertigen Stoff zum Einsatz. Schwer ist sie und circa 1,20 auf 1,20 Meter groß. "Fahnenträger haben es nicht leicht", sagt Ulrich über die blau-goldene Fahne.
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Das gut erhaltene Stück wird seit 40 Jahren gehegt und gepflegt, ist aber die Zweite ihrer Art. Auch die Gründerfahne ist noch vorhanden, obwohl sie nicht ganz aus dem Gründerjahr stammt. "Sie datiert vom 10. September 1896, hat damals 450 Mark gekostet, ist mit Stickereien versehen und wurde in Freiburg hergestellt. Gestiftet wurde sie von den Jungfrauen", kann die lebende Vereinslegende Rudi Frößinger in alten Festschriften nachlesen.
1980 sollte sie anlässlich des 90-jährigen Bestehens restauriert werden. "Sie ist eine stumme Zeitzeugin, die viele freudige wie leidvolle Ereignisse miterlebt hat", liest der 93-Jährige vor. Doch da eine Restaurierung nicht möglich war, wurde vor 42 Jahren nach vielen Diskussionen eine neue Fahne angeschafft, welche die Tradition fortsetzt.


Auch Wimpel, Pokale und Medaillen häufen sich mit den Jahren an. Doch da geht jede Abteilung – ob Turnen, Tennis, oder Tischtennis – für sich mit der erfolgreichen Erinnerung um. "Die Handballer pflegen eine besondere Vitrine", verrät Ulrich.
Nicht nur Pokale werden dort präsentiert, sondern auch Fotos von Sieger-Events dargestellt. Beim Blick durchs Archiv entdeckt die Vorsitzende T-Shirts, alte Bälle, einen verstaubten Pokal ohne Gravur und ein paar Holzkeulen, wie sie früher in Gymnastikstunden häufig zum Einsatz kamen. Jetzt wirken die Sportutensilien von einst schon wie Relikte, an Gegenständen lässt sich oft am besten das Vorbeirauschen der Zeit ablesen.
Die zwei Jahre Stillstand der Corona-Pandemie hat die TVG aber genutzt, um die Digitalisierung des Vereins voranzutreiben, auch eine Art der Archivierung. "Jeder im Ehrenamt hat zu Hause seinen eigenen Computer und hat seine Speicher-Art.
Nun aber haben wir Cloud-Lösungen gefunden und ein Team gebildet, um gemeinsame Dokumente anzulegen", erklärt Ulrich den Umbruch von echten in digitale Ordner. Auch ein Kinder- und Jugendschutz-Projekt hat man in diesem Zusammenhang gestartet.
Fotos von Ehrungsabenden oder Meisterschaften können so schnell die digitale Runde machen und geraten nicht irgendwo in den einzelnen PC-Archiven in Vergessenheit. "Der Vorteil ist, dass man nicht eine E-Mail fünf Mal rumschicken muss, es ist ein leichter Zugriff, die Sachen sind schnell gefunden, aber es ist auch noch Neuland für uns", erklärt die Vorsitzende.

Doch die Digitalisierung wird auch in Vereinen eine immer größere Rolle spielen, und ihren Anteil daran haben, wie das Vereinserbe in Zukunft weitergegeben wird, wie an "gute, alte Zeiten" erinnert wird.
Vermissen möchte Ulrich aber die "echten Speicher-Orte" nicht. Schließlich findet sie im Archiv neben Fahnen, Pokalen, Shirts und Gymnastikkeulen auch einen museumsreifen Diskus aus Holz. Wie lange dieser schon als stummer Zeitzeuge im Archiv schlummert, lässt sich kaum sagen.
Und trotz Digitalisierung hält man bei der Germania auch weiterhin an einer Erinnerungstradition fest: Alle Zeitungsartikel über den Turnverein werden säuberlich ausgeschnitten und in Ordnern aufbewahrt. "Das darf nicht fehlen", sagt Ulrich und schmunzelt, "da sind wir gerne ein bisschen Oldschool."