SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Scholz im Jahresinterview
Ihm liegt die Umsetzung von Ideen aus der Zukunftswerkstatt am Herzen und er möchte "auf das hören, was von den Bürgern kommt".

Das Hirschberger Rathaus. Symbolfoto: Reinhard Lask


SPD-Fraktionsvorsitzender vom Hirschberger Gemeinderat
Von Annette Steininger
Hirschberg. Thomas Scholz ist ein unbeirrter Verfechter der Ortsumgehung, auch wenn sie nun vorerst durch die Mehrheit im Gemeinderat beerdigt wurde. Im RNZ-Jahresinterview erklärt er, warum er sie nach wie vor für notwendig hält, was ihn 2022 gefreut hat und was aus seiner Sicht 2023 unbedingt angegangen werden sollte.
Herr Scholz, war 2022 aus Sicht der SPD-Fraktion für Hirschberg besser oder schlechter als 2021?
Das ist eine spannende Frage. Es war auf jeden Fall anders.
Inwiefern?
Ich denke, dass 2021 extrem durch den Bürgerentscheid und Corona geprägt war. Das war in 2022 nicht mehr der Fall. Wir sind im Gemeinderat dadurch wieder mehr zum "Business as usual" (auf Deutsch: Alltagsgeschäft) übergegangen. Das heißt vor allem Abbau des Sanierungsstaus. Themen waren unter anderem die Sanierung der Heinrich-Beck-Halle, der Anbau an die Sachsenhalle, die Erweiterung der Grundschule, der Abschluss des evangelischen Kindergartens in Leutershausen und Infrastrukturmaßnahmen wie zum Beispiel die Arbeiten an der Hauptstraße – alles, was eben so anlag. Herausragend war in diesem Jahr die Zukunftswerkstatt, bei der sich viele Menschen mit guten Ideen eingebracht haben. Letztlich kam sie aus einem SPD-Thema hervor, nämlich dem Sozialbericht. Der Ukraine-Krieg hat sich natürlich ebenfalls auf das vergangene Jahr ausgewirkt – wenn auch nicht immer unmittelbar auf die Arbeit im Gemeinderat: Ich denke da zum Beispiel an die Ukraine-Hilfe in der Markthalle, wo die Hilfsgüter gesammelt wurden, und die Aufnahmebereitschaft hier im Ort. Das war beeindruckend!
Die SPD kann gemeinsam mit der GLH einen Erfolg feiern: Dank der Fraktionsspenden und der Zukunftswerkstatt ist der Kulturpass für sozial bedürftige Hirschberger erhältlich. Macht Sie das stolz?
Auf jeden Fall. Das ist eine wirklich gute Sache, gerade in der heutigen Zeit, in der Energiekosten, Mieten und Lebensmittelpreise steigen. Wir sehen an den Tafeln, dass immer mehr Menschen bedürftig sind oder in die Bedürftigkeit rutschen. Das Kulturparkett nimmt sich eines großen sozialen Themas an, nämlich der Teilhabe an Kultur- und Sportveranstaltungen für Bedürftige. Das ist erfahrungsgemäß einer der ersten Punkte, die in so einer Situation hinten runterfallen, gerade auch bei den Kindern. Wir haben hier in kurzer Zeit für das Kulturparkett ein Team von elf Ehrenamtlichen zusammengebracht. Das ist schon außergewöhnlich. In Hirschberg gibt es viele Menschen, die sozial engagiert sind. Wir haben auch tatsächlich schon die ersten Kulturpässe und Karten vergeben können. Ganz toll ist auch, dass sich im Ort etliche Veranstalter aus dem Kultur- und Sportbereich gefunden haben, die kostenlose Karten zur Verfügung stellen.
Sie hatten ja mehrfach von einer "sozialen Kälte" im Gemeinderat gesprochen. Hat sich da inzwischen was verbessert?
Schwer zu sagen. Das einzige wirklich soziale Thema, das im vergangenen Jahr im Gemeinderat behandelt wurde, war ja gerade das Kulturparkett. Dieser Antrag von SPD und GLH wurde aber in der Haushaltsberatung wieder mehrheitlich abgelehnt. Erst nachdem wir als Gemeinderäte beider Fraktionen gesagt haben, wir spenden die Gebühr für den Beitritt Hirschbergs, und natürlich auch durch die Zukunftswerkstatt, ist es dann angelaufen. Insofern sehe ich nach wie vor nicht wirklich die soziale Wärme im Gemeinderat. Ich hoffe nun aber, dass beispielsweise beim anstehenden Neubaugebiet soziale Themen, wie der sozial gebundene Wohnraum, angemessen mitreinkommen. Insofern bin ich immer noch optimistisch, dass sich im Laufe der Zeit etwas bewegt.
Was sollte Hirschberg denn noch an sozialen Aspekten berücksichtigen beziehungsweise einführen?
Da gibt es verschiedene Punkte. Der Klassiker ist natürlich die soziale Staffelung der Kinderbetreuungsgebühren, die wir vielleicht nicht in diesem Jahr, aber sicher irgendwann noch einmal aufgreifen werden. Es leben eine ganze Menge Menschen mit gutem Einkommen in Hirschberg, aber es gibt auch Armut. Da könnte doch der eine Teil den anderen in so einem Punkt etwas unterstützen. Das ist ja die Idee dahinter. Ein weiteres Thema, das bei der Zukunftswerkstatt aufgekommen ist, ist das Mehrgenerationenhaus. Wenn die Gemeinde da helfen könnte, würde ich das sehr begrüßen. Dabei geht es auch um soziales Miteinander und wie man künftig baut beziehungsweise Neubaugebiete plant. Eben nicht mehr mit den klassischen Einfamilienhäusern, sondern eher im Geschosswohnungsbau und mit Bürgerbeteiligung. Eine tolle Idee, von der ich kürzlich gehört habe, ist eine betreute Wohngemeinschaft für Demenzkranke. Auch bei diesem Thema könnte die Gemeinde gegebenenfalls unterstützen. Wichtig und gut ist, dass solche Initiativen aus der Bürgerschaft heraus kommen. Ich bin überzeugt, wir haben viele Menschen hier in Hirschberg, die sich bei solchen Projekten engagieren würden.
Sie haben es angesprochen: Was auch noch fehlt, ist der soziale Wohnraum. Stellt sich die SPD da eigentlich Hochhäuser vor? Denn nur so könnte ja auf möglichst wenig Fläche viel sozialer Wohnraum entstehen, oder?
Da muss man realistisch sein: Sozialer Wohnungsbau oder auch nur günstiger Wohnraum lässt sich heute und hier nicht mehr als Einfamilienhäuschen mit Garten realisieren. Dazu kommt der enorme Flächenverbrauch. Es spricht also vieles dafür, ein Stück in die Höhe zu gehen, vielleicht vier- bis maximal sechsgeschossig. Wenn man sich anschaut, welche Gebiete in Hirschberg in Frage kommen, sind es zum Großteil solche, bei denen auch jetzt schon in der Nachbarschaft Geschosswohnungsbau existiert. Solche Bauten würden sich daher durchaus in die Umgebung einfügen. Das heißt nicht, dass es keine Einfamilienhäuser mehr geben soll, aber man kann heute kein Neubaugebiet mehr nur mit dieser Wohnform planen. Dabei ist klar: Der Bedarf an Wohnraum ist da. Die Priorität liegt zunächst auf der Innenverdichtung, aber das wird nicht reichen. Wenn man schon ein Neubaugebiet plant, sollte man aus meiner Sicht einen signifikanten Anteil an verteiltem sozial gebundenem Wohnraum vorsehen und Bürgerbeteiligung so umfangreich und so früh wie möglich umsetzen. Einfach auch, um solche Punkte wie das bereits genannte Mehrgenerationenhaus von Anfang an miteinbringen zu können. Weiterhin ist es wichtig, Themen wie Klimaschutz oder sogar Klimaneutralität bereits bei der Planung vorzusehen.
Die Alte Villa ist ja auch ein Herzensanliegen der Hirschberger SPD. Wie sehr freut es Sie, dass die Sanierung nun endlich in Angriff genommen werden soll?
Sehr! Vor allem, weil es aus meiner Sicht schon lange notwendig gewesen wäre. Man muss sich das Gebäude nur mal innen anschauen, um den Sanierungsbedarf sofort zu sehen. Die SPD hat schon 2015 gefordert, dass das Gebäude saniert werden soll. Die Verzögerung hat im Endeffekt nur bewirkt, dass das Ganze teurer wurde. Die Preise sind in den letzten Jahren enorm in die Höhe gegangen. Für mich ist die Sanierung auch ein persönliches Anliegen, weil ich sehe, wie viele Vereine und Menschen die Alte Villa nutzen – und zu welchen Zwecken. Da sind unter anderem AWO, VdK, kirchliche Gruppen oder auch der Mittagstisch drin. Es ist ein vielfältig und gut genutztes Gebäude, und es steht unter Denkmalschutz. Der Sanierungsbedarf ist definitiv da, und es ist gut, dass es jetzt endlich wieder in einen ordentlichen Zustand gebracht wird.
Mit der Ortsrandstraße scheint es dagegen ja wohl nichts mehr zu werden. Sie haben für einen Bürgerentscheid gestimmt und sind nach wie vor ein Befürworter der Straße, warum?
Ich war für einen Bürgerentscheid aufgrund der Relevanz dieses Themas für den gesamten Ort. Man macht sicher nicht wegen jeder Kleinigkeit einen Bürgerentscheid, aber bei diesem Thema hätte es gepasst. Ich denke, das sieht auch die Mehrheit der Menschen hier in Hirschberg so. Die Gemeindeordnung lässt es explizit zu: Aus gutem Grund kann der Gemeinderat eine solche Entscheidung in die Hände der Bürger geben. Die SPD hat sich in der Sitzung alternativ auch für andere Formen der Bürgerbeteiligung offen gezeigt. Dies könnten Bürgerversammlungen, Bürgerbefragungen oder andere Formen der Bürgerbeteiligung sein. Leider wurde aber auch dies durch die Grüne Liste Hirschberg, die Mehrheit der Freien Wähler und die FDP abgelehnt. Man kann aber nicht bei jeder Gelegenheit von Bürgernähe und Bürgerbeteiligung reden und sie dann bei kritischen Themen einfach abblocken.
Und warum sind Sie nach wie vor für die Ortsumgehung?
Es ist ein wichtiges Thema in Hirschberg, für das sich die SPD seit vielen Jahren einsetzt. Die Ortsrandstraße war Teil unseres Wahlprogramms und wir stehen im Gegensatz zu anderen Fraktionen zu dem, was wir vor der Wahl gesagt haben. Nach wie vor ist die Fahrt durch Großsachsen ein spezielles Erlebnis, insbesondere durch den Begegnungsverkehr von Autos und Bahn. Nach wie vor gibt es regelmäßig Staus und kritische Situationen. Das Problem existiert, und es muss aus unserer Sicht endlich angegangen werden. Ausreden bringen uns nicht weiter. Eine konkrete Alternative, um das Verkehrsproblem in Großsachsen, von dem ja täglich Tausende Menschen betroffen sind, zu lösen, wurde von den Gegnern der Entlastungsstraße nicht genannt. Einzig die Hoffnung auf eine "Verkehrswende" wurde angesprochen. Wie die in Großsachsen aussehen soll und wann die kommen soll, weiß niemand. Das ist als Argument definitiv zu wenig. Für uns ist das Thema noch nicht beendet.
Würde man eine Ortsumgehung doch noch irgendwann realisieren, würde aber das Projekt "Bürgerhaus" weit nach hinten rutschen ...
Man muss sich ehrlicherweise bei dem Thema zunächst überlegen, was man konkret möchte. Ein Bürger-, Kultur- oder Vereinshaus ist sicher eine gute Idee. Ich sehe relativ viel Bedarf bei Vereinen für kleine bis mittelgroße Räume. Und dafür wird mittelfristig sicherlich was drin sein – unabhängig von der Straße. Zum Beispiel bei mir um die Ecke (spielt auf das gemeindeeigene Areal gegenüber vom Rathaus an, Anm. d. Red.) oder im ehemaligen Schulpavillon. Der tatsächliche Bedarf für extrem große Veranstaltungen mit vielen Hundert oder mehr als 1000 Menschen ist, wenn man das realistisch sieht, aber überschaubar und eher selten – und wir bauen ja gerade eine dritte Halle. Damit haben wir in Hirschberg neben den bestehenden Hallen, die derzeit saniert werden, demnächst eine zusätzliche Möglichkeit dafür.
Bei der Jahreshauptversammlung der SPD kam es zwischen Ihnen und Ihrem Fraktionskollegen Jörg Büßecker zum Wortgefecht. Er vermisste die klare Abgrenzung zur GLH. Diesen Vorwurf gibt es ja auch von anderer Seite immer wieder. Würden Sie sich bei der GLH wohler fühlen?
(lacht) Nein. Ich bin vor 40 Jahren in die SPD eingetreten, und da fühle ich mich auch zuhause. Es gibt tatsächlich einige Übereinstimmungen mit der GLH. Das ist beispielsweise in der Sozialpolitik der Fall, bei der Sozialstaffelung der Kinderbetreuungsgebühren oder beim Kulturparkett. Auch was das Thema sozialen Wohnraum betrifft und beim Klimaschutz. Beim Bürgerentscheid zur Gewerbegebietserweiterung waren wir ebenso auf der gleichen Seite. Das sind aber alles Punkte, die wir als SPD-Ortsverein auch bereits vorher genau so in unserem Wahlprogramm hatten. Da, wo Übereinstimmungen vorhanden sind, habe ich auch kein Problem, gemeinsam für ein Thema einzustehen. Das ist doch logisch. Es geht ja schließlich um die Sache. Darüber hinaus gibt es aber natürlich auch Punkte, bei denen SPD und GLH ganz unterschiedlicher Meinung sind. Beispielsweise bei der Ortsrandstraße. Hier bin ich, wie man gesehen hat, deutlich näher an der CDU dran als an der GLH. Deshalb werde ich aber nicht gleich in die CDU eintreten (lacht).
Was hat sich die SPD-Fraktion für dieses Jahr vorgenommen?
Es gibt eine Reihe von Themen, die weitergehen und die wir unterstützen werden. Die meisten sind bereits genannt worden. Einen weiteren Schwerpunkt sehe ich bei den Punkten aus der Zukunftswerkstatt. Da sind viele gute Anregungen aus der Bürgerschaft gekommen. Und der Klimaschutz muss 2023 eine große Rolle spielen. Da muss Hirschberg ein Stück weit besser und schneller werden. Es ist gut, dass wir jetzt einen Klimaschutzmanager haben und ein Konzept ausgearbeitet wird. Aber das kann nicht heißen, dass wir für die nächsten zwei Jahre die Hände in den Schoß legen. Die Zeit drängt und es gibt Vorgaben von Land und Bund. Je länger wir warten, desto knapper wird es am Ende mit der Umsetzung. Ich hoffe auch, dass es mit der Digitalisierung vorangeht und natürlich im sozialen Bereich, bei den Themen, die ich bereits angesprochen habe.
Welche Punkte sollten aus Sicht der SPD noch angegangen werden?
Da gibt es durchaus einige. Nur ein Beispiel: Die Gemeinde muss sich überlegen, wie sie die Ortsteile attraktiver für den Einzelhandel machen könnte. Hier ist die Entwicklung der letzten Jahre alles andere als gut. Die Zahl der Geschäfte oder auch Banken, die fußläufig erreichbar sind, nimmt immer mehr ab. Insbesondere für ältere Menschen ist das problematisch. Zum Abschluss möchte ich aber vor allem noch eines sagen: Wir sollten als Gemeinderat öfter mal auf das hören, was von den Menschen aus dem Ort als Anregung kommt. Da ist enorm viel Wissen, Engagement und Kreativität vorhanden. Es muss nicht immer alles "von oben" kommen.