Ein großer Fortschritt
Die Israelische Kunsthistorikerin Anat Gilboa entschlüsselte das Memorbuch.

Von Edda Nieber
Hirschberg. Was auf den ersten Blick wie ein Kunstwerk wirkt, ist in Wirklichkeit das Memorbuch einer israelitischen Gemeinde. Im Rahmen seiner intensiven Recherche über die Geschichte der jüdischen Familien aus Hirschberg machte Erhard Schnurr dieses Dokument ausfindig. Er hoffte, dadurch mehr über das jüdische Leben des Ortes zu erfahren. (RNZ vom 23. Februar)
Ein Memorbuch dient in einer jüdischen Gemeinde dem Gebet für verstorbene Mitglieder, deren Namen und Daten, teilweise sogar Eigenschaften, darin festgehalten werden. Ein wichtiges Dokument also, das die Nachforschungen deutlich voranbringen würde, doch mehrere Leute hatten erfolglos versucht, das Dokument zu entziffern und zu übersetzen.
Anat Gilboa ist dies nun gelungen. Die israelische Kunsthistorikerin erfuhr über ihre Freunde Angelika und Thomas Wetter und über Schnurr von dem Dokument und versuchte ihr Glück.
Zu Beginn war sie nicht so zuversichtlich, gab sie bei einem Gespräch zusammen mit einigen Mitgliedern des Arbeitskreises ehemalige Synagoge zu. "Ich finde hier nichts", habe sie gedacht, als sie die eingescannten Seiten das erste Mal sah. Sie wusste, die Erwartungen an sie waren hoch, und wenn sie nur ein Stück davon übersetzte, würde das weder sie noch ihre Freunde zufriedenstellen.
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Nach wiederholtem Lesen hatte sie plötzlich eine Idee, erzählte sie, denn nach und nach glaubte sie, ein Muster im Aufbau der Texte zu erkennen. Angefangen mit "Gott erinnert sich an…" folgten einige gute Eigenschaften, die Vorfahren, und dass der Verstorbene nun im Garten Eden weiterleben würde. Außerdem fanden sich Daten und auch Namen in den Texten.
Damit sei es jedoch noch lange nicht getan, gab Gilboa zu bedenken. Denn um herauszufinden, ob die Namen mit den von Schnurr recherchierten übereinstimmten, brauchte sie den ganzen Namen oder zumindest Anhaltspunkte, um wen es sich handeln könnte. Eine der vielen Schwierigkeiten waren die Schriften an sich.
Das Hebräische zu lesen, sei kein Problem, aber die unterschiedlichen Handschriften seien eine echte Herausforderung, so Gilboa. Schließlich gelang es ihr aber doch, 18 der 20 Namen in dem Dokument zu finden und damit zu belegen, dass es ...
Von Edda Nieber
Hirschberg. Was auf den ersten Blick wie ein Kunstwerk wirkt, ist in Wirklichkeit das Memorbuch einer israelitischen Gemeinde. Im Rahmen seiner intensiven Recherche über die Geschichte der jüdischen Familien aus Hirschberg machte Erhard Schnurr dieses Dokument ausfindig. Er hoffte, dadurch mehr über das jüdische Leben des Ortes zu erfahren. (RNZ vom 23. Februar)
Ein Memorbuch dient in einer jüdischen Gemeinde dem Gebet für verstorbene Mitglieder, deren Namen und Daten, teilweise sogar Eigenschaften, darin festgehalten werden. Ein wichtiges Dokument also, das die Nachforschungen deutlich voranbringen würde, doch mehrere Leute hatten erfolglos versucht, das Dokument zu entziffern und zu übersetzen.
Anat Gilboa ist dies nun gelungen. Die israelische Kunsthistorikerin erfuhr über ihre Freunde Angelika und Thomas Wetter und über Schnurr von dem Dokument und versuchte ihr Glück.
Zu Beginn war sie nicht so zuversichtlich, gab sie bei einem Gespräch zusammen mit einigen Mitgliedern des Arbeitskreises ehemalige Synagoge zu. "Ich finde hier nichts", habe sie gedacht, als sie die eingescannten Seiten das erste Mal sah. Sie wusste, die Erwartungen an sie waren hoch, und wenn sie nur ein Stück davon übersetzte, würde das weder sie noch ihre Freunde zufriedenstellen.
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Nach wiederholtem Lesen hatte sie plötzlich eine Idee, erzählte sie, denn nach und nach glaubte sie, ein Muster im Aufbau der Texte zu erkennen. Angefangen mit "Gott erinnert sich an…" folgten einige gute Eigenschaften, die Vorfahren, und dass der Verstorbene nun im Garten Eden weiterleben würde. Außerdem fanden sich Daten und auch Namen in den Texten.
Damit sei es jedoch noch lange nicht getan, gab Gilboa zu bedenken. Denn um herauszufinden, ob die Namen mit den von Schnurr recherchierten übereinstimmten, brauchte sie den ganzen Namen oder zumindest Anhaltspunkte, um wen es sich handeln könnte. Eine der vielen Schwierigkeiten waren die Schriften an sich.
Das Hebräische zu lesen, sei kein Problem, aber die unterschiedlichen Handschriften seien eine echte Herausforderung, so Gilboa. Schließlich gelang es ihr aber doch, 18 der 20 Namen in dem Dokument zu finden und damit zu belegen, dass es diese Personen in Hirschberg gegeben hat. Sie habe sogar noch mehr Namen gefunden, erzählte sie, aber "interpretieren will ich nicht". Schließlich sei sie als Übersetzerin nur die "Zwischenstation".
Die Ergebnisse ihrer Arbeit gingen an den Arbeitskreis und an Schnurr. Sie erstellen daraus eine Dokumentation und werden selbst entscheiden, wem sie diese zur Verfügung stellen. In erster Linie gehe es ihnen um die Nachkommen, erklärt Michael Penk aus dem Arbeitskreis.
Wer Nachforschungen zu seinen Vorfahren betreibe, könne sich an sie wenden. Schon jetzt stehen sie in Kontakt mit einigen Urenkeln und Ururenkeln, die etwas über ihre Vorfahren wissen wollen. Ein wichtiger Ort ist dabei auch der jüdische Friedhof in Hemsbach, auf dem die meisten Juden aus Hirschberg beerdigt wurden.
Auch Gilboa besuchte ihn bei ihrem einwöchigen Aufenthalt in Deutschland, um sich dort mit den Wetters auf Spurensuche zu begeben. Und obwohl der Besuch nicht so erfolgreich war wie erhofft, fanden sie dennoch einige Namen, Daten und Orte, die sie lesen konnten und bei denen sich zeigte, wie sich die unterschiedlichen Sprachen mischten.
Die jüdische Bevölkerung beherrschte damals im Grunde drei Sprachen: Deutsch, Hebräisch und Jiddisch. In dem Memorbuch sei die Sprache zwar fehlerfrei, aber gerade bei Ortsnamen falle immer wieder auf, dass jiddisch und hebräisch gemischt wurden.
Vieles wurde so geschrieben, wie es gesprochen wurde, und so lautete eine Grabsteininschrift für Leutershausen zum Beispiel "Leudershausen", andere kürzten die Angabe zu "Hausen" oder gar "L’h" ab. Deshalb sei es beim Übersetzen unglaublich wichtig, alle drei Sprachen zu berücksichtigen.
"Es gibt immer noch Rätsel, die wir nicht haben lösen können!", so Wetter, aber man sei dank Gilboas Hilfe einen großen Schritt weitergekommen. Ihr selbst ging es vor allem darum, das Judentum zu schätzen und die Erinnerungen zu erhalten. Und das hat sie mit ihrer Arbeit geschafft.