Heidelberg-Historic-Rallye

Weinheim zelebrierte die Auto-Leidenschaft (plus Fotogalerie)

Tüftler und Promis fuhren 180 Oldtimer über den Marktplatz

13.07.2018 UPDATE: 14.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Klaus Lehr und Rainer Knape im Lagonda V 12 Le Mans. Foto: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Oldtimer- und Rennsport-Fans bezeichnen die italienische "Mille Miglia" als die "Mutter aller Oldtimer-Rallyes". Bei der gestrigen, rund 270 Kilometer langen und am Sinsheimer Technik-Museum gestarteten "24. Heidelberg-Historic" des ADAC Nordbaden könnte es sich um eine Zwillingsschwester der "Mille Miglia" handeln. Zumal schon 1764 Kaiser Josef II. auf seiner Kutschfahrt von Frankfurt nach Wien beim Zwischenstopp in Weinheim schwärmte: "Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden."

Unter azurblauem Himmel und mit südländischer Begeisterung empfing die Zweiburgenstadt die 180 mal vier Räder zählende Starparade der "Kult-Kutschen". In Heddesheim war zuvor ein ganzes Seniorenheim auf Stühlen und Rollatoren Spalier gestanden, als die Nostalgiefahrzeuge vorbeifuhren.

Auf dem Weg zur "Rast-Station" Wachenburg staunten auch die Wanderer nicht schlecht, als sie droben die chromblitzenden Raritäten vorfanden. Und auch beim Defilee der Audis, Alfa Romeos, Aston Martins, Bentleys, Benz, DKWs, Jaguars und Porsches, "Brezel-Käfer" und BMW-Isettas auf der Marktplatz-Terrasse war das Klicken der Kameras fast so laut wie das Dröhnen der Motoren.

Apropos Käfer. Klein, knattrig, kanarien-vogelgelb und einfach schön anzusehen: So avancierte ein original ADAC-Straßenwacht-Käfer (Baujahr 1969) zum Stimmungsmacher. Mehr als 15.000 Pannenhilfen hat der "ADAC-Herbie" mit der Nummer 50 zwischen 1969 und 1977 beim Stadtpannendienst Hamburg abgeleistet. Und dabei mit seinen 34 PS unter der Motorhaube - Pardon, beim VW-Käfer befindet sich der Motor ja hinten - mehr als 145.000 Kilometer zurückgelegt.

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Kein Geringerer als Professor Mario Theissen saß am Steuer. Seine Ehefrau war Beifahrerin. Er sei "vor längerer Zeit vom Gas gegangen" und genieße jetzt die Entschleunigung "im zweiten Gang den Marktplatz hinaus", so der ehemalige Formel Eins Motorsportdirektor und BMW-Teamchef.

Foto: Dorn

Pünktlich um 13 Uhr war das erste Prunkstück, ein "Lagonda V12 Le Mans" Rennauto, Baujahr 1938, auf den Marktplatz eingebogen. Es folgten ein 38er Alfa Romeo 6c Mille Miglia und als ältestes Fahrzeug ein Bentley 3 Liter TT, Baujahr 1923, mit Amateurrennfahrer Ulrich und Ute Rossaro aus Aalen (Ostalb).

Mit seinen fast 100 Jahren kann der Bentley viel erzählen. Bis zu seinem Verkauf nach Deutschland 2017 trug er sein erstes Kennzeichen EL-7987. 1946 war er bei einem Transport mit der Bahn für fünf Wochen verschollen, ehe man ihn in einem Waggon der British Railways fand. "Das Fahren erfordert Aufmerksamkeit und Kondition", weiß Ulrich Rossaro. 1923 wurden die Fahrzeuge ohne vordere Bremsen ausgeliefert: "Trotz der Nachrüstung 1927 ist die Bremswirkung eher mäßig." Zusätzliche Schikane: Das Gaspedal ist, wie damals üblich, in der Mitte.

Als ein anderer "Renner" zog ein Mercedes Benz 720 SSKL, Baujahr 1930, die Blicke auf sich. Mit einem Vorgängermodell des "Silberpfeils" hatte Rennfahrer-Idol Rudolf Caracciola 1927 das Eröffnungsrennen auf dem Nürburgring gewonnen. In einem Triumph TR4 fuhr auch Heidelbergs OB Eckart Würzner mit.

Als Sportlegende machte Ex-Nationaltorwart Henning Fritz, Europameister (2004), Weltmeister (2007) und Welthandballer des Jahres aus den Reihen der Rhein-Neckar-Löwen als Beifahrer von Heiner Gassert in einem BMW/EMW 327-2 Cabrio, Baujahr 1950, die Rallye mit. Auch für Henning Fritz gilt: "Entschleunigen, geduldiger werden". Wobei nichts besser helfe, als das Schrauben am Oldtimer.

Azurblauer Himmel, dazu Mozzarella: Weinheim war wieder ein Stück Italien. Foto: Dorn

"Wer eine Rallye gesehen hat oder gar mitgefahren ist, kriegt keine Ruhe mehr", sagt Jürgen Dornstädter am Steuer eines "Aston Martin Mark Ii - Long Chassis"(1935). Auf einer Onlineplattform hatte er sein Traumauto entdeckt. Spontan habe er zum Telefon gegriffen und gefragt, ob der Wagen noch zu haben sei. Dabei hatte der Händler diesen erst zehn Minuten zuvor ins Netz gestellt: "Weitere zehn Minuten, und der Aston Martin gehörte mir." Lob und Anerkennung ernteten die Streckenposten und organisierenden Mitglieder des Weinheimer Automobilclubs (WAC) um die Vorsitzenden Axel Schüssler und Rüdiger Neidig. Nach der Erstauflage 2008 dürfte 2018 nicht die letzte Wertungsprüfung gewesen sein, die Weinheim gesehen hat, wurden sie von den Chefs der "Heidelberg-Historic" geadelt.

Heute Morgen geht es von Sinsheim aus auf die Kraichgau-Madonnenland-Zabergäu-Etappe, ehe gegen 16 Uhr die Sieger feststehen. Doch darum geht es nicht, so ein Beifahrer. Wie bei den Olympischen Spielen gelte das Motto: "Dabei sein (und ankommen) ist alles."

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