Haushaltseinbringung im Gemeinderat

Walldorfs Kämmerer kalkuliert vorsichtig

Gewerbesteuer in Höhe von 160 Millionen veranschlagt - Drohen Rückzahlungen?

06.11.2019 UPDATE: 07.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Haben ein dickes Bündel geschnürt: Walldorfs Bürgermeisterin Christiane Staab und Kämmerer Boris Maier brachten den Haushaltsplan 2020 in den Gemeinderat ein. Foto: Pfeifer

Walldorf. (rö) Dass ein Haushaltsplan tatsächlich ein "Plan" ist und nicht in Stein gemeißelt, dass sich die Zahlen im tatsächlichen Vollzug aus den unterschiedlichsten Gründen noch deutlich verändern können, war in Walldorf gerade in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrfach zu beobachten: So bei den im Oktober vorgelegten Jahresrechnungen für 2016 und 2017, die beide mit einem Plus statt dem kalkulierten Minus abschnitten.

Hauptgrund waren in beiden Fällen um einiges höhere Steuereinnahmen. Das ist auch im laufenden Jahr zu beobachten, wie Walldorfs Kämmerer Boris Maier jetzt dem Gemeinderat berichtete: "So wie es aussieht, haben wir dieses Jahr ein Rekordergebnis", liege allein die Gewerbesteuereinnahme aktuell bei 247 Millionen Euro – geplant hatte Maier mit 160 Millionen und damit schon um einiges höher als in den Vorjahren.

Hintergrund

"Wohnen für alle" ist nicht möglich

"Auf eine gute Zeit", beendete Bürgermeisterin Christiane Staab ihre Haushaltsrede mit dem Slogan zum anstehenden Stadtjubiläum "1250 Jahre Walldorf". Ihre gut halbstündigen Ausführungen zum von Kämmerer Boris Maier

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"Wohnen für alle" ist nicht möglich

"Auf eine gute Zeit", beendete Bürgermeisterin Christiane Staab ihre Haushaltsrede mit dem Slogan zum anstehenden Stadtjubiläum "1250 Jahre Walldorf". Ihre gut halbstündigen Ausführungen zum von Kämmerer Boris Maier vorgelegten Zahlenwerk machten deutlich, dass 2020 in Walldorf nicht nur gefeiert wird, sondern auch wieder zahlreiche Aufgaben anstehen. Diesen Herausforderungen "können wir uns guten Mutes mit einem gut durchfinanzierten Haushalt stellen", sagte die Bürgermeisterin, nachdem sie den Themenbogen von "Bildung und Betreuung" bis hin zur "baulichen Entwicklung" gespannt hatte.

Zuvor war ihr unter anderem wichtig, die erneut gestiegenen Personalkosten (auf über 20 Millionen) richtig einzuordnen. Man müsse auch die damit verbundenen Leistungen sehen, die von den städtischen Mitarbeitern erbracht werden. So setze Walldorf in der kommunalen Betreuung im Ganztagsbetrieb der beiden Grundschulen Erzieherinnen mit einem Aufwand von zwei Millionen Euro im Jahr ein. Insgesamt lägen die Personalkosten an den Schulen bei 4,4 Millionen, ebenso hoch sei der finanzielle Aufwand an den vier eigenen Kindertagesstätten – zusammen schon mehr als 40 Prozent des gesamten Personalaufwands. Und trotzdem werde man angesichts der Größenordnung der Ausgaben in Zukunft "noch genauer hinsehen".

Wichtig war der Bürgermeisterin ein differenzierter Blick auf die weiter wachsenden Verkehrsströme. Sie wünschte sich, dass Fuß- und Radverkehr in der Gesetzgebung einen höheren Stellenwert erlangen, damit man den Menschen Alternativen zum Auto bieten könne. Und sie wies darauf hin, dass der Verkehr, der Walldorf belastet, "zumeist nicht hausgemacht" sei und das Problem deshalb auch von der Stadt nicht allein gelöst werden könne. Verbesserungen erhofft man sich durch die ab Januar beschäftigte Mobilitätsmanagerin (beim Zweckverband Metropolpark), aber auch durch den Mobilitätspakt: Konkret sprach Bürgermeisterin Staab die Regio-Busverbindung von Sinsheim nach Walldorf an, die die Menschen bis zum Arbeitsplatz im Industriegebiet bringe (und nicht nur bis zum Bahnhof), und die Untersuchung einer immer wieder geforderten ÖPNV-Strecke Walldorf-Nußloch bis nach Leimen, wobei "die Straßenbahnvariante eher unwahrscheinlich" sei.

Klar positionierte sich Staab beim Thema Wohnraum. Die Flächen seien "endlich" und "ein knappes Gut". Deshalb sei "Wohnen für alle" in Walldorf nicht möglich – niemand wolle die Gemarkung komplett bebauen oder stadtweit eine fünf- bis sechsstöckige Bebauung zulassen. Ob die Stadt als Bauherr für nicht sozial gebundenen Wohnraum auftreten soll, müsse der Gemeinderat diskutieren. Sie selbst sehe die Stadt aber "eher im Bereich der Daseinsvorsorge" für diejenigen, die dazu finanziell nicht in der Lage sind. (rö)

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Insofern ist auch der Entwurf des Haushaltsplans für 2020, den Maier und Bürgermeisterin Christiane Staab am Dienstagabend in den Gemeinderat einbrachten, als Absichtsbekundung zu werten, die noch von vielen äußeren Faktoren verändert werden kann, auf die die Stadt keinen Einfluss hat. Darauf wies der Kämmerer gleich zu Beginn hin: Die aktuellen Quartalszahlen des größten Gewerbesteuerzahlers Walldorfs, der SAP, seien "durchaus erfreulich", so Maier, "das lässt vermuten, dass die Gewerbesteuer stabil bleiben sollte". Kalkuliert hat er trotzdem vorsichtig, nämlich erneut mit Einnahmen von 160 Millionen, also weniger als im laufenden Jahr tatsächlich eingenommen wird. Daneben schwebt das Damoklesschwert möglicher Gewerbesteuerrückzahlungen über der Stadt, wie Maier erläuterte. Zu den derzeit anhängigen Verfahren bei den Finanzgerichten könne "im Moment keiner sagen, wie sie ausgehen". Nach Maiers Berechnungen muss Walldorf im "worst case", dem schlimmsten Fall, Steuerrückzahlungen inklusive Nachzahlungszinsen von 60 bis 80 Millionen Euro leisten – auch das könnte den kommenden Haushalt also massiv beeinflussen.

Deshalb sieht der Kämmerer aus den liquiden Eigenmitteln der Stadt – zum Jahresbeginn 2019 mit 448 Millionen Euro veranschlagt – über 200 Millionen als "gebunden" und nicht frei verfügbar an: 75 Millionen als Rückstellungen für Umlagen, eine gedankliche Rücklage von 70 Millionen für einen möglichen "Bremsweg" beim Ausbleiben der gewohnten Einnahmen und eben 80 Millionen für eventuelle Steuerrückzahlungen.

Im Ergebnishaushalt für 2020 rechnet Maier neben der Gewerbesteuer mit weiteren Steuereinnahmen von rund 24 Millionen. Auf der Habenseite verbucht er zudem die Auflösung einer Finanzausgleichsrückstellung (75 Millionen), die allerdings nicht kassenwirksam ist und deshalb auch nicht im Finanzhaushalt auftaucht. In diesem fehlen zudem die Abschreibungen, sodass sich das ordentliche Ergebnis des Ergebnishaushalts (81 Millionen) auf 15 Millionen im Finanzhaushalt verringert. Das unterm Strich erfreuliche Ergebnis ist vor allem einer Änderung des Hebesatzes der Gewerbesteuerumlage zu verdanken, der von 64 v.H. auf 35 v.H. gesenkt wurde – die Stadt plant mit einer Umlagezahlung von 21,1 Millionen, fast 20 Millionen weniger als im laufenden Jahr. Unverändert hohe Zahlungen fließen an Finanzausgleichs- (63 Millionen) und Kreisumlage (55,1 Millionen). Ein großer Brocken sind auch die Personalkosten, die erstmals auf über 20 Millionen (von 18,6 auf 20,7) klettern. Dafür verantwortlich sind neben Tarifsteigerungen und Höhergruppierungen auch Neueinstellungen und beispielsweise die Personalkosten des Tierparks, der seit diesem Jahr von der Stadt geführt wird. Für die Unterhaltung der Grundstücke und Gebäude sind 6,3 Millionen veranschlagt – darunter 600 000 Euro für die Gemeindestraßen, 500.000 für Umweltschutzmaßnahmen und 350.000 für die Grün- und Parkanlagen, aber auch 240.000 Euro für die Astoria-Halle, je 205.000 für Realschule und Gymnasium, 138.000 für die Wald- und 110.000 für die Schillerschule.

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Wie sehr auch die Erfüllung oder Nichterfüllung der Aufgaben den Haushaltsplan beeinflusst, zeigte sich wieder einmal bei den Baumaßnahmen. "Viele Mittel wurden neu veranschlagt, weil sie nicht zur Auszahlung kamen", sagte Maier. Der Planentwurf sieht 23,6 Millionen Euro für Baumaßnahmen vor, darunter fünf Millionen für das Kinderhaus Gewann Hof, drei Millionen für den zweiten Bauabschnitt des Neubaugebiets Walldorf-Süd und fast zwei Millionen für Sporthalle und Außenanlagen im Schulzentrum. Darlehen (an die Stadtwerke) und Kapitaleinlagen (bei der InnoWerft und den Stadtwerken) stehen mit 7,5 Millionen im Plan, der Erwerb von Grundstücken mit drei Millionen.

Nach der Haushaltsrede der Bürgermeisterin (siehe Artikel unten) verwies der Gemeinderat das Zahlenwerk einstimmig zur weiteren Beratung in den Finanzausschuss.

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