Privatunternehmen soll St. Leon-Rots Glasfasernetz verlegen
Mit großer Mehrheit stimmte der Gemeinderat für den Vertragsabschluss mit der Deutschen Glasfaser Holding.

St. Leon-Rot. (seb) Ist das Angebot zu gut, um wahr zu sein? Diese Frage stand in der jüngsten St. Leon-Roter Gemeinderatssitzung im Raum. Die Deutsche Glasfaser Holding will die Gemeinde mit einem Glasfasernetz für schnelles Internet versorgen, ohne dass der Gemeinde dafür Kosten entstehen.
Wenn alles gut geht, könnte das Netz nach Vertragsabschluss in 18 Monaten betriebsbereit sein. Die Firma will es 30 Jahre lang betreiben und bietet eine Mindestgeschwindigkeit von 300 Megabit pro Sekunde. Nach einer intensiven Diskussion wurden die größten Bedenken berücksichtigt – nach 24 Monaten kann die Gemeinde noch vom Vertrag zurücktreten, sollten Probleme auftauchen. Die Entscheidung fiel bei 22 Ja-Stimmen und einer Enthaltung.
Auch Reilingen, Alt- und Neulußheim wurde das Angebot unterbreitet, die Deutsche Glasfaser ist Unternehmensvertreter Marco Creutz zufolge bundesweit aktiv und hat bereits 180 Kommunen mit Glasfasernetzen versorgt – die, wie er betonte, bis ins jeweilige Gebäude reichen, nirgendwo seien mehr Kupferkabel erforderlich.
Die Kundengewinnung spielt eine zentrale Rolle, wie Creutz erläuterte. "Acht bis zwölf Wochen machen wir hier Werbung auf allen Kanälen", sagte er: "Wir müssen 40 Prozent der Haushalte gewinnen, gerne mehr, dann bauen wir ganz St. Leon-Rot aus." Notwendig sei nach der Vermessung der Straßenzüge mit eigens ausgerüsteten Fahrzeugen, praktisch "in jeder Straße jeden Gehweg ein Mal in jede Richtung aufzugraben".
Man biete Festnetz- und Mobil-Telefonie, Internet und Fernsehen mit Tarifen, die mit denen der Wettbewerber vergleichbar seien, so Creutz. Apropos: Nur in den ersten zwei Jahren trete man sowohl als Netzinstallateur als auch als Betreiber auf, also "als Monopolist". Danach öffne man das Netz für andere Anbieter. Grundsätzlich müssten die Kunden beachten, dass der Netzanschluss das eine sei, die Dienstleistungen und Inhalte, die darüber kommen, aber getrennt betrachtet werden müssten.
"Wir bleiben im ,Fibernet’", erklärte Bürgermeister Alexander Eger mit Blick auf den Zweckverband "High-Speed-Netz" für schnelles Internet des Rhein-Neckar-Kreises. Deutsche Glasfaser, "Fibernet" und Gemeinde stünden in engem Austausch. Der Kreis verbindet die Kommunen mit einem überregionalen Glasfasernetz ("Backbone") und schließt auch Gewerbegebiete an. Der weitere innerörtliche Ausbau jedoch lag von jeher in der Verantwortung der Gemeinde.
"20 Millionen Euro, Tendenz steigend", schätzte Bauamtsleiter Werner Kleiber die Kosten, die St. Leon-Rot fürs Glasfasernetz entstünden. Und es dürfte einige Jahre länger dauern. Bürgermeister Eger gab auch den hohen Verwaltungsaufwand zu bedenken: Auch in Zusammenarbeit mit "Fibernet" müsse die Gemeinde Kunden betreuen.
Dass schnelles Internet heute unverzichtbar ist, war im Rat unumstritten. Starke Zweifel am Vertrag äußerte Udo Back (CDU): Er befürchtete "weiße Flecken", also Stellen ohne schnelles Internet, wenn allein das Unternehmen über den Netzausbau entscheide. Sich 30 Jahre lang vertraglich "in Abhängigkeit" einer Firma zu begeben, missbilligte er zudem. Das Risiko, dass das Unternehmen sich plötzlich zurückziehe sah Back als zu groß an. "Lieber in Eigenregie", plädierte er dafür, das Internet nicht "aus der Hand" zu geben.
Auch Torsten Weis (FDP) warf der Deutschen Glasfaser vor, "wichtige Bereiche" nicht in die Planungen aufgenommen zu haben. Bauamtsleiter Kleiber gab zu bedenken, dass auch "Fibernet" nie versprochen habe, auch alle Interessierten außerhalb der Ortschaft zu erreichen. Marco Creutz räumte ein, dass man vorzugsweise viele Kunden auf einer Fläche habe – doch sei man bereit, mit Interessenten fernab der Ortskerne Lösungen zu erarbeiten. Mit Unterstützung der Kommune, so Creutz, habe man beispielsweise Aussiedlerhöfe im Hochschwarzwald anschließen können.
"Bei Ihnen geht alles ganz einfach und schnell?", fragte Norbert Knopf: Das Misstrauen im Rat gehe auf "teure Lehrerfahrungen" mit einer anderen eigenwirtschaftlich tätigen Firma zurück, wegen der es einst zu Hunderten ausgefallenen Busfahrten gekommen sei.
Tobias Rehorst (Freie Wähler) fand das Angebot interessant und gab Eger Recht, dass der Aufwand für die Gemeinde sehr hoch sei. "So schnell wie möglich" müsse das Glasfasernetz verlegt werden, fand Rouven Dittmann (Junge Liste). Dass man in Eigenregie 20 Millionen investiere, um ein eigenes Netz zu installieren, das erst in fünf bis zehn Jahren fertig sei, "ist nicht ansatzweise eine Alternative". Als "Pflichtaufgabe" sah Wolfgang Werner (SPD) das schnelle Internet an, auch die Schulen müssten unbedingt zeitnah angeschlossen werden. Das steht, wie er erfuhr, auch auf der Agenda von "Fibernet".
Man nahm Marco Creutz’ Angebot an, eine "Reißleine" aufzunehmen: St. Leon-Rot kann in zwei Jahren bei Unzufriedenheit vom Vertrag zurücktreten. Außerdem sollen Vereine, Betriebe oder kommunale Einrichtungen in Ortsrandlage soweit wie möglich ebenfalls in die Planungen aufgenommen werden. Ebenso muss Deutsche Glasfaser sich bereithalten, Neubaugebiete später anzuschließen.