Die Kultur leidet am Lockdown, doch es gibt Ideen
Staatssekretärin Petra Olschowski und Abgeordneter Hans-Ulrich Sckerl diskutierten mit Kulturschaffenden aus der Region.

Das Kurpfälzische Museum in der Heidelberger Hauptstraße. Foto: Hentschel
Von Günther Grosch
Weinheim. Kunstschaffende, Kulturanbietende, Maler, Musiker, Tänzer, Schauspieler, Galeristen, Kinos, Theater, Klubs und Museen, aber auch die hinter den Bühnen Beschäftigten: Sie alle leiden seit gut einem Jahr unter den Folgen der Corona-Pandemie. Kaum Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten, keine Zuschauer und dazu oft nur schleppend eingehende staatliche Überbrückungshilfen haben viele an den Rand des Ruins getrieben. In einer Zeit, wo der Mensch Kunst und Kultur als Ausgleich bitter nötig hat, darbt die Szene.
Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, verdeutlichte es in einer Online-Gesprächsrunde mit Kulturschaffenden und Interessierten aus der Region gleich zu Beginn: Die grün-schwarze Landesregierung lasse die Veranstaltungsbranche und die Künstler nicht im Stich. Im Gegenteil setze sie alles daran, die reiche kulturelle Landschaft im Südwesten zu erhalten. Knapp 40 Interessierte hatten sich zur Diskussion in die 90-minütige Gesprächsrunde eingeloggt.
Eingeladen hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Landtag, Hans-Ulrich Sckerl. Die Veranstaltung rund sieben Wochen vor der Landtagswahl am 14. März sei aber keineswegs als Wahlkampftermin zu verstehen, so Sckerl. Olschowski wie ihm sei es ein Bedürfnis, sich mit dem aus dem freiberuflichen Bereich kommenden Soloselbstständigen auszutauschen.
Es sei Aufgabe der Landespolitik, den Kulturbetrieb so schnell wie möglich wieder zu öffnen, so die Staatssekretärin. Daneben gelte es, finanzielle Hilfen zu leisten, um die Szene einigermaßen schadlos durch die Pandemie zu bringen. Aus diesem Grund habe die Landesregierung 200 Millionen Euro, darunter einen Nothilfefonds von 32,5 Millionen Euro sowie ein Stipendienprogramm für Künstler in Höhe von 15 Millionen Euro bereitgestellt. Auch Vereine und Kinobetreiber erhielten Fördermittel.
Auch interessant
Der Wermutstropfen: Obwohl sich alle Beteiligten "verantwortungsvoll und verantwortungsbewusst" verhalten hätten, so das Lob von Olschowski, rechne sie mit einem "Wiedereröffnungsszenario" frühestens von April an. Während Karl Heinz Treiber, Vorsitzender des Kulturfördervereins Hirschberg und selbst künstlerisch tätig, bei den Menschen einen "sehr starken Hunger nach Kultur" ausgemacht hat, sahen andere frei schaffende Kinder- und Jugendtheater in Gefahr: Diese generierten ihre Einnahmen vor allem aus Gastspielen in Kitas, Schulen und Büchereien.
Insbesondere im ländlichen Bereich sehe sich die kulturelle Bildung schon seit jeher vernachlässigt, mahnte Alexander Opitz vom "Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg". Theater vorübergehend zu schließen und nach einiger Zeit wieder zu öffnen, sei nicht vergleichbar mit der zeitweiligen Schließung von Kneipen: "Wer seine Bühne über einen längeren Zeitraum zumachen muss, macht sie in der Regel nicht wieder auf."
Was man gerade erlebe, sei eine Erschütterung, welche die Kulturszene weltweit existenziell bedroht, war sich die Runde einig. Für die Kinder- und Jugendtheaterszene stünden ausreichend Nothilfeprogramme bereit, versuchte Olschowski das Licht am Ende des Tunnels aufzuzeigen. Einer Verknüpfung des staatlichen Bildungsauftrags mit einem "Kulturauftrag" redete Nadja Peter, Erste Vorsitzende des Vereins "Livekultur Mannheim", das Wort. Ihre Idee, die auch bei der Staatssekretärin Anklang fand: "Künstler, ob Maler, Musiker oder Tänzer, sollten ihr Metier Kindern in Kitas und Grundschulen digital vorstellen und damit verbunden finanzielle Entlastung erhalten." Gerade im musischen Bereich herrsche fast allerorten ein erheblicher Mangel: "Musikunterricht findet online kaum statt."
Die "Anmietung von ausgesuchten Spielstätten durch das Land, dadurch neue Angebote zu ermöglichen sowie auf Youtube freischaffenden Künstlern Auftrittschancen zu geben", brachte Jan Wölfer von der Schriesheimer Rockband "Britkrauts" ins Gespräch. Der Landesregierung sei es nicht möglich, Spielstätten anzumieten; allerdings zeige der SWR an der Idee Interesse, erklärte Olschowski.
Man werde einen langen Atem brauchen, diesen aber auch haben, zog Sckerl das Fazit. Eine baldige Rückkehr zum gewohnten Alltag schloss er aus. Dennoch sei er optimistisch, dass Kunst und Kultur in der Gesellschaft Bestand hätten. Bei allen Verwerfungen: "Bangemachen gilt nicht", so Sckerl. Kultur sei ein elementares Grundbedürfnis. Nicht zuletzt deshalb gelte es, Einzelsituationen noch stärker in den Blick zu nehmen und den Künstlern mehr als nur Überbrückungshilfen zuteilwerden zu lassen.



