Wenn der Mensch nebenan vor der Vereinsamung schützt
Im Anschluss an den schwedischen Film "Ein Mann namens Ove" wurde das Konzept für eine Nachbarschaftshilfe vorgestellt.

Michaela Issler-Kremer (l.) leitet das Seniorenbüro und die "Nachbarschaftshilfe" der Gemeinde Ketsch. Foto: Kreutzer
Hirschberg-Leutershausen. (ze) Ove ist einsam und verbittert. Das Schicksal hat es wahrlich nicht gut mit dem 59-Jährigen gemeint. Seine Frau ist vor Kurzem gestorben, seine Mutter starb, als er noch ein Kind war, und sein Vater wurde von einem Zug überfahren, als er den Arbeitskollegen das hervorragende Abschlusszeugnis seines Sohnes präsentieren wollte. Dazu ist Ove pedantisch und geht jeden barsch an, der sich in "seiner" Wohnsiedlung nicht ordnungsgemäß verhält. Daher ist er bei den Nachbarn nicht sehr beliebt. Als "böser, alter Mann" wird er von einer jungen Mutter bezeichnet.
Ove beschließt, Selbstmord zu begehen, um wieder seiner geliebten Frau nahe zu sein. Doch das gelingt ihm gleich mehrfach nicht. Denn ungewollt kommt ihm immer wieder seine neue Nachbarin Parvaneh dazwischen oder das Seil reißt, mit dem er sich erhängen will. Es ist eben alles nicht mehr so gut wie früher. Parvaneh macht aber noch mehr, als ihn nur vor dem Selbstmord zu bewahren. Sie integriert ihn in ihre Familie. Ove bringt ihr das Autofahren bei, er kümmert sich um ihre Kinder und wird allmählich wieder ein Teil der Gemeinschaft in der kleinen Wohnsiedlung. Am Ende erleidet Ove einen Herzinfarkt, denn er hat ein zu "großes Herz", wie man zuvor im Krankenhaus festgestellt hatte.
Was der schwedische Film "Ein Mann namens Ove", der anlässlich des "10. Filmfestivals der Generationen" im Olympia-Kino in Leutershausen gezeigt wurde, thematisiert, ist die Vereinsamung von Menschen und die Hilfe durch die Nachbarn. Doch nicht immer sind die Nachbarn so hartnäckig und hilfsbereit wie im Film. Deshalb gibt es die Nachbarschaftshilfe, die etwa von den Kirchen getragen wird.
In Ketsch hat sich das Seniorenbüro der Gemeinde dieses Themas angenommen und eine Nachbarschaftshilfe organisiert. "Der Vorteil unserer Nachbarschaftshilfe ist, dass sich alles in einer Hand befindet", sagte im Anschluss an den Film die Leiterin des Ketscher Seniorenbüros, Michaela Issler-Kremer. Zudem sei die von der Gemeinde angebotene Nachbarschaftshilfe mit Blick auf die verschiedenen Glaubensrichtungen neutral. Das sei bei Personen, die keiner Kirche mehr angehören, von Vorteil.
Einkäufe, Begleitdienste oder die Unterstützung pflegender Angehöriger übernehmen die 55 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Dienstes. "Wir sind aber keine billigen Taxis oder Putzhilfen", verdeutlichte Issler-Kremer, dass man mit der Nachbarschaftshilfe nicht in Konkurrenz zu professionellen Anbietern steht. Zudem helfe man nur, wenn es die entsprechende Person auch wolle. Ganz kostenlos ist der Service allerdings nicht. Acht Euro pro Stunde kostet dieser. Davon erhalten die ehrenamtlichen Mitarbeiter sieben Euro, ein Euro wandert in einen Fonds, aus dem Menschen mit wenig Geld unterstützt werden.
Schwer sei es nicht gewesen, die ehrenamtlichen Mitarbeiter zu finden, so Issler-Kremer. Mit etwas Werbung und Mund-Propaganda sei ein Stamm an Mitarbeitern zusammengekommen, der sich immer wieder erneuere beziehungsweise erweitere. Hilfe bekämen aber nicht nur ältere Menschen, auch jüngere seien durch eine Erkrankung oder nach einem Unfall hilfsbedürftig. Auch Fälle wie den schwierigen Ove im Film habe man schon gehabt. "Wir geben nie auf", betonte Issler-Kremer.
Vielleicht gibt es zukünftig auch in Hirschberg ein derartiges Modell der Nachbarschaftshilfe. Denn unter den wenigen Zuschauern - gerade einmal ein Dutzend verloren sich im großen Zuschauerraum - befand sich Bürgermeister Ralf Gänshirt, der den Ausführungen von Issler-Kremer interessiert zuhörte.



