Mafiareife Vorwürfe, aber am Ende fanden sich keine Beweise
Die beiden Angeklagten wurden wegen Drogenhandel zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Eine "Drohung" mit der Flexmaschine sah das Gericht jedoch als nicht erwiesen an.

Eppelheim/Heidelberg. (lesa) So ähnlich die Urteile wegen Drogenhandels ausfielen – unterschiedlicher hätte die Reaktion der Angeklagten kaum ausfallen können.
Auf der einen Seite atmete der 30-Jährige hörbar aus und gab seiner Anwältin einen Faustcheck: Drei Jahre und vier Monate Haft und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Große Kammer des Heidelberger Landgerichts für ihn vorgesehen. Für seinen 49-jährigen Kumpan sollen es vier Jahre im Gefängnis sein.
Er vergräbt sein Gesicht in den Händen, während Vorsitzender Richter Markus Krumme das Urteil begründet.
Es war ein bemerkenswerter Prozess, der am Donnerstag zu Ende gegangen ist. Einerseits lag das an den mafiareifen Vorwürfen gegen die Angeklagten. Sie sollen einen 24-jährigen Eppelheimer über Wochen wegen eines geplatzten Drogengeschäfts um fünf Kilogramm Marihuana bedroht haben.
Verletzungen mit einem Messer, Drohungen mit einem Revolver und die Verschleppung in eine Werkstatt samt Ankündigung, den Arm mit einer Flexmaschine abzuschneiden, warf die Anklage ihnen vor.
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Andererseits war auch der Prozess denkwürdig: Aktuell oder einst drogenabhängige Zeugen offenbarten Erinnerungslücken, widersprachen sich, konnten ihrer Befragung kaum folgen, während Angeklagte und Opfer drei gänzlich unterschiedliche Versionen der Geschehnisse erzählten.
Oder wie es Staatsanwalt Jakob Pichon formulierte: "Wir sind am Ende einer Hauptverhandlung, in der wir alles erlebt haben, was menschliche Aussagen so mit sich bringen können."
Blieb die Frage, wessen Version der Wahrheit am nächsten kommt. Der Staatsanwalt und die Verteidigerin Andrea Combé waren sich einig: "Aus meiner Sicht hat er sich die Mühe gemacht, die Wahrheit zu erzählen", sagte Pichon in Richtung von Combés 30-jährigem Mandanten.
Pichon forderte drei Jahre und vier Monate Haft samt Drogenentzug wegen gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung für den 30-Jährigen. Combé schloss sich an.
Gericht glaubte dem Opfer nicht
Für den 49-Jährigen beantragte er acht Jahre und zehn Monate Haft wegen der gleichen Tatbestände sowie des bewaffneten gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Drogen in nicht geringer Menge. Verteidiger Georgios Kolivas forderte für seinen Mandanten den Freispruch. Dieser hatte die Vorwürfe abgestritten und sieht sich als Opfer des 30-Jährigen.
Das zumindest hielt die Kammer für "vollkommen unglaubhaft" und schloss sich weitgehend der Aussage des 30-Jährigen an. Demzufolge ist Folgendes im vergangenen Sommer passiert: Der 49-jährige, aus Griechenland stammende Angeklagte hatte dem 30-Jährigen von einer "größeren Menge Marihuana" erzählt, für die er Abnehmer suche.
Über seine Kontakte ins Drogenmilieu trieb dieser den 24-jährigen Eppelheimer als Käufer auf. Im Gegenzug erhielt er Drogen – damals konsumierte er täglich Kokain und trank Alkohol. 5500 Euro pro Kilogramm sollte der Kaufpreis betragen. Die Drogen erhielt der Eppelheimer auf Kommission.
Doch die Zahlung blieb aus. Also suchten die Angeklagten den 24-Jährigen auf. "Es war klar, dass er nicht zahlen wollte oder konnte und dass man ihm drohen musste, um ihn zur Zahlung zu bewegen", resümiert Richter Krumme.
Bei drei Treffen soll der 24-Jährige vierstellige Geldbeträge übergeben haben – unter stetigen Drohungen, dass großes Unheil über ihn kommen werde. In der Folge tauchte der Eppelheimer unter, verließ sein Zimmer nicht mehr, verlor über 20 Kilogramm Gewicht. Erst als sein Vater zur Polizei ging, nachdem sein Sohn ihn um eine Waffe gebeten hatte, kehrte etwas Ruhe ein.
"Wir glauben nicht, dass das die Wahrheit im philosophischen Sinne ist", erklärte Krumme. Doch die Schilderung halte einer Überprüfung weitgehend stand. Es stehe Aussage gegen Aussage. Für die Anschuldigungen des Opfers habe die "akribische Polizeiarbeit" jedoch "keine Indizien oder Sachbeweise" gefunden.
Das gilt etwa für die Schilderung mit der Flex, die die Kammer dem jungen Mann nicht abnahm. Die Werkstatt konnte die Polizei nicht finden. Sowohl eine Vermischung, als auch ein "Dramatisieren" der Geschehnisse sei denkbar.
Das nahm die Großmutter des Opfers, die die Verhandlung ebenso wie ein ermittelnder Kriminalbeamter im Zuschauerraum verfolgt hatte, kopfschüttelnd auf. Der 30-Jährige dagegen akzeptierte das Urteil noch im Gerichtssaal.
Update: Freitag, 5. Mai 2023, 13.15 Uhr
Angeklagter soll Opfer mit Armamputation gedroht haben
Der 49-Jährige brach sein Schweigen nach 25 Stunden Verhandlung.
Eppelheim/Heidelberg. (lesa) Rund 25 Stunden hatte er der Hauptverhandlung im Heidelberger Landgericht schweigend gelauscht. Die Anklageschrift hatte der 49-Jährige ebenso regungslos verfolgt wie die Aussagen von Zeugen, seines Mitangeklagten und des mutmaßlichen Opfers, die ihn teils schwer belasteten.
Die gravierendsten Vorwürfe: Gemeinsam mit seinem 30-jährigen Mitangeklagten soll der Mann einen 24-jährigen Eppelheimer wegen eines geplatzten Drogendeals unter Druck gesetzt, ihn mit einem Messer in Gesicht und Bauch verletzt und ihm nach der Verschleppung in eine Werkstatt mit der Amputation seines Unterarms gedroht haben.
Am vierten Prozesstag unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung, Körperverletzung und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln brach der in Albanien geborene Grieche sein Schweigen – und präsentierte der großen Strafkammer eine neue Version der Geschehnisse des vergangenen Sommers.
Diese geht so: Finanzielle Probleme, die Untersuchungshaft und die Anklage seien ihm von seinem Mitangeklagten eingebrockt worden, den er Anfang 2022 kennengelernt hatte. "Er wusste, dass er drei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann", wirft er diesem vor. Er selbst habe sich in der Region ein Geschäft aufbauen wollen, nachdem das berufliche Standbein in seiner griechischen Heimat der Finanzkrise zum Opfer gefallen sei. Da sei der 30-Jährige gerade recht gekommen, der ihm von seiner Reinigungsfirma berichtete, die aber finanzielle Schwierigkeiten habe.
In der Hoffnung, in den Betrieb einsteigen zu können, habe er sich in Albanien 10.000 Euro geliehen. Zu horrenden Zinsen von zehn Prozent monatlich. 6000 Euro davon habe er dem 30-Jährigen sofort gegeben, insgesamt 2000 Euro in kleineren Summen über den Verlauf eines Vierteljahres und einen kleinen Teil selbst behalten. Nach und nach sei ihm bewusst geworden, dass sein Geschäftspartner drogenabhängig sei und "Dreck am Stecken" habe. Als die erste Zinszahlung fällig wurde, habe er sein Geld zurückverlangt.
Sein Geschäftspartner schlug ihm eine Lösung vor: Er selbst habe Schuldner. Der 49-Jährige solle ihn beim Eintreiben begleiten und sagen, dass es sich um sein Geld handle. So habe er auch den jungen Eppelheimer kennengelernt, der im Prozess als Nebenkläger auftritt. Ihn will er aber nur dreimal gesehen und ihm nur gesagt haben, dass er sein Geld zurück wolle. Sein Kumpan habe für ihn aus dem Albanischen übersetzt. Der 49-Jährige versteht kein Deutsch. In der Hauptverhandlung übersetzt ein Dolmetscher.
"Ich habe mir ihm gegenüber nichts zuschulden kommen lassen", betont der 49-Jährige. Der 24-Jährige sei ein zwanghafter Lügner, der ein "netflixreifes Szenario" auftische, betont er mehrmals, gibt aber wenig konkrete Antworten auf Fragen des Vorsitzenden Richters. Davon, dass er von Zeugen und seinem Mitangeklagten als Größe der lokalen Drogenszene dargestellt wird, der – so der Vorwurf – seinem Kumpan fünf Kilogramm Marihuana gegeben, die dieser auf Kommission an den jungen Eppelheimer verkauft habe, will er nichts wissen.
Sein Rufname – ein Begriff aus Ostanatolien, der "Vater" bedeutet und in der Gang-Szene für einflussreiche Personen verwendet wird – leite sich viel mehr von seinem Spitznamen ab. "Ich werde vom Opfer zum Täter gemacht."
Anders sahen das Großmutter und Vater des Opfers: Die Eppelheimerin schildert Angstzustände ihres Enkels, anonyme Anrufe und Drohungen einer örtlichen Gruppe, die sie aus Angst nicht benennen will. All das gipfele im bevorstehenden Wegzug der Familie aus Eppelheim. Ihr Sohn, der Vater des Nebenklägers, erzählt von der Angst seines Sprösslings vor den Angeklagten und wie er die Polizei alarmierte: Er habe befürchtet, sein Kind könne sich mit einer Überdosis Heroin das Leben nehmen.
Das Urteil soll am 4. Mai fallen.
Update: Montag, 17. April 2023, 23.27 Uhr
Nach Erpressung traute sich 24-Jähriger nicht mehr hinaus
Eppelheim/Heidelberg. (lesa) Ein Opfer, das schwere Anschuldigungen erhebt, ein Angeklagter, der diesen widerspricht und ein weiterer, der schweigt: Die Große Strafkammer des Heidelberger Landgerichts muss derzeit nicht nur herausfinden, ob ein 30- und ein 49-Jähriger sich schwerer räuberischer Erpressung schuldig gemacht haben, weswegen sie unter anderem angeklagt sind. Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Markus Krumme muss auch herausfinden, ob das 24-jährige Opfer aus Eppelheim überhaupt im vergangenen Sommer an einem geplatzten Drogendeal mit rund 20 Kilogramm Marihuana beteiligt war. Und ob die Angeklagten ihn wegen 17.000 Euro bedrohten, verletzten und in eine Garage verschleppten, wo sie ihm mit der Amputation seines Arms mittels einer Flexmaschine drohten.
Am dritten Verhandlungstag zeigte sich dabei ein anderes Bild als in den vorangegangenen Sitzungen: Der Kriminalbeamte, der das 24-jährige Opfer vernommen hatte, sagte aus und betonte dessen Glaubwürdigkeit: "Ich hatte nicht den Eindruck, dass er eine Räuberstory erzählt." Ein Gegenpol zu Aussagen diverser Zeugen aus der örtlichen Drogenszene. Diese hatten den 24-Jährigen am vorangegangenen Verhandlungstag teils als notorischen Lügner dargestellt. Und auch der junge Mann selbst hatte widersprüchliche Aussagen gemacht und etwa eingeräumt, vor seiner Verschleppung in die Garage die Partydroge Ecstasy genommen zu haben und bei seiner polizeilichen Vernehmung "zu wie ein Eimer" gewesen zu sein.
Der Polizist schildert dagegen einen "vernehmungsfähigen", aber verängstigten Mann, der seit Monaten bedroht wurde und sich kaum in die Öffentlichkeit traute. So sehr, dass er seinen Vater bat, ihm eine Waffe zu besorgen, mit der er sich verteidigen könne. Der Vater schaltete jedoch die Polizei ein: Er hatte Angst, sein Sohn könne sich etwas antun.
Die Polizei konzentrierte sich derweil etwa darauf, die Werkstatt im Raum Wiesloch-Walldorf ausfindig zu machen, in der der 24-Jährige bedroht worden sein soll. Man sei mit ihm durch Industriegebiete gefahren und habe gehofft, dass er etwas wiedererkenne. Dabei habe er sich an ein Hotel und das SAP-Areal erinnert, die Werkstatt jedoch nicht gefunden. "Das Industriegebiet ist aber ziemlich groß", verteidigt der Beamte den Mann. "Er hat das gut geschildert und konnte sich gut erinnern."
In Erinnerung hat der 24-Jährige etwa eine rote Akkuflex. Die Ermittler machten tatsächlich eine Garage in Wiesloch ausfindig, in der ein solches Werkzeug lagert. Und: Einer der Angeklagten lebte eine Weile bei Mitarbeitern der entsprechenden Firma. Aber: Während das zum Fall passt, stimmt der Rest nicht mit den Erinnerungen des Eppelheimers überein: keine Werkbank, keine Schweißwerkzeuge, kein Lochtisch. Was im vergangenen Sommer geschah? Am Montag ergründet das Landgericht diese Frage weiter.
Update: Donnerstag, 13. April 2023, 19.54 Uhr
Zeugen offenbaren Gedächtnislücken
Eppelheim/Heidelberg. (lesa) Die Fragen sind klar: Haben ein 30- und ein 49-Jähriger einen 24-jährigen Eppelheimer über Wochen hinweg bedroht, um Geld aus einem geplatzten Drogendeal zu erpressen? Wurde der junge Mann mit einem Messer verletzt und ihm mit einer Flex die Amputation seines Unterarms angekündigt? Und was für ein Drogengeschäft hat zwischen den Männern stattgefunden?
Am ersten Verhandlungstag im Prozess unter anderem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und schwerer räuberischer Erpressung vor dem Heidelberger Landgericht hatte der 49-Jährige geschwiegen. Der 30- sowie der 24-Jährige hatten umfassend ausgesagt, sich dabei aber in gleich mehreren Punkten widersprochen. Nun sollten Zeugen die Kammer am zweiten Prozesstag Antworten näher bringen. Doch das erwies sich als zäh.
Zunächst aber korrigierte das Gericht einen eigenen Irrtum. Zum Auftakt hatte es Großmutter und Vater des Opfers vor die Wahl gestellt, gänzlich die Aussage zu verweigern oder das Risiko einzugehen, den 24-Jährigen zu belasten. "Wir haben sie falsch belehrt, ihnen steht eine Auskunftsverweigerung zu", sagte der Vorsitzende Richter Markus Krumme. Beide sollen erneut geladen werden.
Ein Lichtblick: Denn nach der Aussage eines Polizisten, dass eine Vertrauensperson im Drogenmilieu den 30-jährigen Angeklagten als Dealer beschuldigte, eine Durchsuchung aber nichts ergab, wurde es undurchsichtig. Vier Zeugen aus dem Umfeld von Opfer und Angeklagten sagten aus. Dabei verstrickten sie sich in Widersprüche, offenbarten Erinnerungslücken und bezichtigten den 24-jährigen Nebenkläger als notorischen Lügner.
Ein Bekannter berichtete etwa, dass der junge Mann ihm Fotos von Verletzungen geschickt habe, die die Angeklagten ihm zugefügt hätten. Wieso er das tat, obwohl die beiden laut dem Zeugen nur lose Bekannte sind? "Keine Ahnung, vielleicht wollte er angeben." Eine Frau will zu einem Abend, an dem sie mit dem jüngeren Angeklagten über das mutmaßliche Opfer sprach, Erinnerungslücken haben. Ein Gespräch, bei dem es um einen Streit zwischen den Kontrahenten ging, zeichnete sie auf und verschickte den Mitschnitt an die Ex-Freundin des 24-Jährigen. Wieso, wisse sie nicht mehr, sie sei betrunken gewesen. Die Aufzeichnung habe sie nicht angehört.
Eine Heidelbergerin, bei der sich der 24-Jährige zwischenzeitlich versteckt hatte, berichtet von Drohungen seitens des jungen Mannes vor der Verhandlung. Von den Vorwürfen des 24-Jährigen gegenüber den beiden Angeklagten habe sie zwar gehört, glaube sie aber nicht. "Er erfindet Geschichten, damit seine Oma zu ihm steht und ihm Geld gibt", sagt sie. Schließlich sagte der Mann aus, in dessen Wohnung die Angeklagten und der 24-Jährige sich häufiger getroffen hatten. Etwaige Gespräche über ein Drogengeschäft will er aber nie mitbekommen haben. Immer, wenn er den Raum betreten habe, hätten die beiden aufgehört zu sprechen. Nachgefragt habe er nicht. "Je weniger ich weiß, desto besser."
Die Verhandlung geht nun in eine Pause. Am 13. April geht es weiter.
Update: Montag, 27. März 2023, 20.15 Uhr
Bedrohten Drogendealer das Opfer mit Messer und Flex?
Zwei Männer stehen nach einem Drogendeal vor dem Landgericht. Es geht um kiloweise Marihuana.
Eppelheim/Heidelberg. (lesa) Es klingt wie das Drehbuch zu einem Mafiafilm, was der Staatsanwalt am Mittwoch im Heidelberger Landgericht verlas: Ein 24-jähriger Eppelheimer soll im vergangenen Jahr von zwei Männern über Wochen unter Druck gesetzt worden sein. Schnitte mit einem Teppichmesser in Gesicht und Bauch soll er erlitten haben, Schläge, Drohungen mit einem Revolver und die Verschleppung in eine Werkstatt. Dort soll man ihm mit einer laufenden Flexmaschine gedroht haben, seinen Unterarm abzutrennen.
Der Grund: ein geplatzter Drogendeal, bei dem es laut Anklageschrift um rund 20 Kilogramm Marihuana und rund 17.000 Euro geht. Oder in juristischer Fachsprache: Der 30- und der 49-jährige Angeklagte müssen sich unter anderem wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung verantworten.
Der erste Prozesstag begann mit Verspätung. Der 49-Jährige war mit seinem Transport aus der Haftanstalt in eine Vollsperrung geraten und eineinhalb Stunden später als geplant eingetroffen. Von seiner Anwesenheit war aber auch dann wenig spürbar. Der Mann schwieg. Im Gegensatz zu seinem Mitangeklagten: "Ein paar Dinge stimmen, ein paar nicht", leitete er ein.
Zutreffend sei, dass er mit dem 24-Jährigen, der als Nebenkläger auftritt, regelmäßig Drogen konsumiert habe. "Er war mein Dealer", erklärte der zweifache Vater, der 2022 nach Trennung von der Ehefrau, beruflichen Problemen und Drogenexzessen "am Ende" gewesen sei. In einem Eppelheimer Café habe er seinen Mitangeklagten kennengelernt, der ihm von 16 Kilo Marihuana erzählte, bei deren Verkauf er Hilfe benötige.
Der 30-Jährige, der zuletzt in einer Bergstraßengemeinde lebte, erzählte wiederum dies dem 24-Jährigen, der sein Interesse bekundete. "Ich habe ihm fünf Kilogramm auf Kommission nach Hause geliefert." Diese habe der Eppelheimer weiterverkaufen wollen – 4500 Euro pro Kilogramm sollten danach fließen.
Doch der Deal "verrutschte", wie es hieß. Also habe er dem Eppelheimer gemeinsam mit dem 49-Jährigen "Druck gemacht" und von diesem "maximal 4300 Euro" sowie 40 Gramm Kokain kassiert. "Aber es gab keine Waffe, keine Flex. Das ist krank", so der Angeklagte, der niemanden mit einem Messer attackiert haben will.
Ein anderes Bild zeichnete der 24-Jährige, der wiederum den 30-Jährigen als seinen Dealer bezeichnet. Täglich habe er fünf Gramm Heroin bei diesem gekauft – weshalb er seine Großmutter regelmäßig bestahl. Den Fall hat er ebenfalls anders in Erinnerung. Er sei der Vermittler zwischen den Angeklagten und einem Bekannten gewesen, habe dafür Heroin erhalten sollen.
Weil der Käufer nicht zahlte, hätten die beiden Geld von ihm haben wollen, was er bei diversen Treffen aushändigte. Mit Details und Zeitangaben tat sich der junge Mann aber schwer. "Ich bin im Kopf so zerstreut seit Wochen", entschuldigte er Gedächtnislücken, berichtete aber davon, von einem Bekannten vor seiner Aussage unter Druck gesetzt worden zu sein.
Jedenfalls hätten die Angeklagten ihm klar gemacht, dass er "ein Riesenproblem" habe und ihre Worte mit dem Messerangriff und schließlich mit der Flex untermauert. Wohin er damals verschleppt worden sei, konnte der 24-Jährige nicht sagen. Er habe an diesem Tag auf eine Party gehen wollen und Ecstasy genommen: "Ich war zu wie ein Eimer."
Was nun stimmt, muss das Landgericht klären. Helfen sollten dabei die Aussagen von Großmutter und Vater des Opfers. Doch vom Vorsitzenden Richter vor die Wahl gestellt, entweder sämtliche Aussagen zu verweigern oder das Risiko einzugehen, den Enkel und Sohn zu belasten, beriefen sich beide auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.