Dossenheim

Nach 24 Jahren im Amt wird Bürgermeister Hans Lorenz heute verabschiedet

Im Gespräch mit der RNZ hält er Rückblick - "Rechtzeitige Bürgerbeteiligung ist wichtig"

21.03.2019 UPDATE: 22.03.2019 06:00 Uhr 6 Minuten, 40 Sekunden

Von Doris Weber

Dossenheim. Nach drei Amtsperioden verlässt Hans Lorenz (CDU) das Rathaus. Er hat seinen Sessel freiwillig geräumt und auf eine vierte Kandidatur verzichtet. Anlässlich seiner offiziellen Verabschiedung, zu der heute um 18.30 Uhr hunderte Dossenheimer in der Jahnhalle erwartet werden, blickte der 64-Jährige im RNZ-Interview zurück.

Herr Lorenz, nach 24 Jahren endet mit dem Monat März Ihre Zeit als Rathauschef von Dossenheim. Wann ist eigentlich Ihr letzter Arbeitstag? Sie müssen doch noch wahnsinnig viele Urlaubstage und Überstunden haben?

Mein Urlaub aus zurückliegenden Jahren verfällt, sonst wäre ich schon lange weg. Gleiches gilt für die Überstunden. Nach meiner offiziellen Verabschiedung finden noch zwei Gemeinderatssitzungen mit mir statt. Eine ist eine Sondersitzung. Auf ihr wird David Faulhaber als neuer Bürgermeister auf sein Amt verpflichtet. So bin ich bis zum letzten Tag im Dienst. Danach bin ich im Urlaub - im Dauerurlaub (lacht.)

Wie gestalten Sie diesen letzten Arbeitstag als Bürgermeister?

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Leider nicht wie geplant. Eigentlich habe ich noch das sanierte Hallenbad wiedereröffnen wollen. Eine gebrochene Rohrverbindung hat das aber verhindert. Der Keller stand unter Wasser. Ja, das Wasser (seufzt). Ursprünglich hatte ich vor, am letzten Wochenende mein Büro auszuräumen. Das ist aber zu spät. Die Räume werden renoviert und nach mehr als 24 Jahren - ich habe damals das Inventar von meinem Vorgänger übernommen - neu möbliert. Mein Nachfolger soll sich so einrichten, wie er das will. Deshalb habe ich schon jetzt begonnen, alles zu sichten und zu ordnen. Ein Container ist schon bestellt. Jetzt am Wochenende dazu kaum Zeit. Zu meiner Verabschiedung wird eine kleine Delegation aus unserer französischen Partnergemeinde Le Grau du Roi erwartet. Es kommen Bürgermeister Robert Crauste, Michèle Mourrut, die Witwe seines Vorgängers Etienne Mourrut, der die Partnerschaft von Anfang begleitet hat, und auch Antje Michel und Lucien Topie, der seit einigen Jahren dem Partnerschaftskomitee vorsteht. Sie werden bis Sonntag bleiben.

Laden Sie ihre Mitarbeiter zu einem Ausstand ein?

Im Sommer, wenn es etwas ruhiger geworden ist, werde ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem Treffen einladen.

Warum sind Sie nicht noch einmal angetreten? Das wäre möglich gewesen?

Zum einen glaube ich, dass es nach 24 Jahren auch gut ist, wenn es zu einem Wechsel kommt. Außerdem wollte ich nicht den richtigen Zeitpunkt verpassen. Es ist besser, die Leute fragen, warum man nicht noch einmal kandidiert, als dass sie sagen, jetzt wird’s aber Zeit.

Im Alter von 25 Jahren wurden Sie erstmals in den Gemeinderat gewählt. Es wird erzählt, dass Sie schon früh Bürgermeister hatten werden wollen, selbst als Abgeordneter im baden-württembergischen Landtag. Hat sich Ihr Blick darauf nach 24 Jahren Erfahrung mit dem Amt geändert?

In Stuttgart hatten wir einen schönen Freundeskreis junger Abgeordneter, unter anderem mit Günther Oettinger. Er hat auch immer die Treffen organisiert, bei denen verschiedene Fragen diskutiert wurden. Ein Thema war, wo man seine Perspektiven sehe. Die einen sagten Fraktionssprecher, andere sagten Minister. Und ich sagte, wenn ich die Chance habe, in Dossenheim Bürgermeister zu werden, bin ich fort. Dass sich diese Chance dann aber so schnell ergab, damit hatte ich dann doch nicht gerechnet. Ich war überrascht, als mein Vorgänger Peter Denger, jung wie er damals war, nicht mehr antrat. Die Entscheidung zu kandidieren hat mir dann schon ein paar schlaflose Nächte bereitet. Bis heute habe ich sie nicht bereut.

Kam für Sie immer nur ihr Heimatort in Frage oder wären sie auch anderswo zur Wahl angetreten?

Ich bin auch von anderen Gemeinden in der Umgebung und darüber hinaus - zum Beispiel am Bodensee - gefragt worden. Es gibt auch andere reizvolle Gemeinden und Städte. Nur einmal bin ich ins Grübeln geraten. Letztlich wollte ich dafür aber nie meine landespolitische Perspektive aufgeben. Anders war das mit Dossenheim.

Das heißt, Sie haben diesen Schritt nie bereut? Manche sagen, im Land wäre Ihnen eine steile politische Karriere beschieden gewesen. Es wird vom Amt des Landwirtschaftsministers gesprochen.

Ich war damals jüngster Abgeordneter. Umwelt, Landwirtschaft und Jugend waren meine Schwerpunkte. Jeder hat sich seine Chancen ausrechnen können. Einige meiner damaligen Kollegen sind Minister geworden, keiner ist es bis heute geblieben - das Amt des Bürgermeisters ist längerfristig angelegt. Und, nah am Bürger zu sein, das war für mich entscheidend. Im Landtag ist man weiter weg. Man wird mit der Reaktion der Bürger nicht unmittelbar konfrontiert.

Als Sie Bürgermeister wurden, wurde in der Metallindustrie die 35-Stunden-Woche eingeführt? Haben Sie es je bereut nicht Metallarbeiter geworden zu sein?

Das hat mich nicht beeinflusst (ist amüsiert). Eine 35-Stunden-Woche ist für einen Bürgermeister kein ernsthaftes Thema. Man darf auch nicht alles als Arbeit sehen. Nur so kann man so viele Stunden einbringen - und wenn’s einem auch Spaß macht.

Und generell, hätten Sie nicht gern einmal auch etwas anderes gemacht?

Sich für die Gemeinde einbringen, in der man aufgewachsen ist, das ist schon sehr erfüllend. Ich hatte nie die Situation, dass ein anderer Job zur Diskussion stand oder für mich reizvoll gewesen wäre.

Die Nähe zu den Menschen ist Ihnen wichtig, die Unmittelbarkeit politischer Entscheidungen. Welche waren die für Sie wichtigsten?

Für mich besonders wichtig ist, dass in dieser Zeit im Kinder- und Jugendbereich mit Kleinkindbetreuung bis hin zum Jugendgemeinderat vieles hat entwickelt werden können. Gleichzeitig haben wir uns mit den Pflegeheimen und der Seniorenbegegnungsstätte für ältere Menschen engagiert. Für mich war auch wichtig, dass das Miteinander in der Gemeinde funktioniert. Da kommen viele Mosaiksteine zusammen. Das Vereinsleben, der Umgang im Gemeinderat und zwischen Verwaltung und Bürgern, bis hin zum Umgang mit Asylbewerbern und den Bürgern aus 100 verschiedenen Nationalitäten, die hier leben. Das alles sind Punkte, die dazu beitragen, dass das Miteinander in der Gemeinde gut funktioniert.

Hintergrund

Zur Person

Hans Lorenz wurde 1954 in Heidelberg geboren. Zusammen mit zwei Schwestern ist er in Dossenheim aufgewachsen. Dort besuchte er die Grundschule, danach wechselte er ans Bunsengymnasium in Heidelberg. Als die Familie in den Dosenwald, heute

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Zur Person

Hans Lorenz wurde 1954 in Heidelberg geboren. Zusammen mit zwei Schwestern ist er in Dossenheim aufgewachsen. Dort besuchte er die Grundschule, danach wechselte er ans Bunsengymnasium in Heidelberg. Als die Familie in den Dosenwald, heute Dossenwald, aussiedelte, stand eine wichtige Entscheidung an: Die Eltern planten den Aufbau eines Gärtnereibetriebs, den er einmal übernehmen sollte. So verließ er mit der Mittleren Reife das Gymnasium und begann eine Ausbildung zum Gärtner. Später legte er in der Gartenbauschule seine Meisterprüfung ab. Schon früh engagierte er sich ehrenamtlich. Er war Vorsitzender der örtlichen Jungen Union. Er wirkte in der evangelischen Jugend und in der Heidelberger Landjugend. Er war in der Feuerwehr aktiv und später im Vorstand des Gartenbauverbands. 1980 wurde er mit nur 25 Jahren für die CDU jüngstes Gemeinderatsmitglied in Dossenheim, eine Wahlperiode später war er ihr Fraktionsvorsitzender. 1988 wurde er jüngstes Mitglied im baden-württembergischen Landtag. 1995 wählten die Dossenheimer ihn erstmals zum Bürgermeister. Privat ist er seit 1982 mit seiner Frau Ursula verheiratet. Sie haben drei erwachsene Kinder. (dw)

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Gab es Enttäuschungen?

Im Zusammenhang mit der Aufnahme von Asylbewerbern gab es schon ein paar Enttäuschungen darüber, wie das Thema behandelt und diskutiert wurde. Positives und Negatives liegen oft dicht beieinander. Positiv war, dass sich so viele Menschen engagiert und eingebracht haben.

Bei Abstimmungen im Gemeinderat haben Sie meistens auf eine Stimmabgabe verzichtet. Warum eigentlich?

Das ist weitgehend so üblich. Und wenn die Mehrheitsverhältnisse klar sind, dann hätte meine Stimme das nichts geändert. So habe ich das nur an ein paar Stellen gemacht, wo es mir wichtig war. Außerdem ist so ein Verzicht auch sinnvoll, da man nach den Beschlüssen auch handeln muss, selbst man anderer Meinung war.

Hat das auch etwas damit zu tun, dass Sie immer versucht haben, Wogen zu glätten, statt Öl ins Feuer zu gießen? Man hat Sie selten aufgebracht erlebt.

Der Umgang miteinander ist schon sehr wichtig. Es macht keinen Sinn, mit der Kopf durch die Wand und mit allen Mitteln etwas durchsetzen zu wollen. Unterschiede sollen sachlich und fair ausgetragen werden, damit man eine halbe Stunde später noch ein Bier miteinander trinken kann. Politik darf nie persönlich werden.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in der Kommunalpolitik verändert?

Die Ansprüche der Bürger, auch an die Gemeindeverwaltung. Heute will man mitentscheiden wie Straßen oder Grünanlagen aussehen sollen. Viele Leute verstehen sich zunehmend als Fachleute. In Zusammenhang mit den Ansprüchen kann das zum Problem werden. Wir hatten einmal aus einem einzigen Haus drei unterschiedliche Stellungnahmen, wie der Baum davor auszusehen habe. Die Leute sehen Situationen immer individueller, das macht es der Gemeinde immer schwieriger, den Anforderungen gerecht zu werden. Daher ist rechtzeitige Bürgerbeteiligung immer wichtig.

Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Auf die Projekte im Bereich der Kinder, Jugend und Senioren. Überhaupt, die gesamte Infrastruktur in den vergangenen 24 Jahren weiterentwickelt zu haben, von den Sportstätten bis zum Erhalt von Einrichtungen wie Bücherei und Volkshochschule. Und auf die Zusammenarbeit mit den Vereinen.

Gibt es ein Projekt, dass Sie noch gerne umgesetzt hätten?

Das Hallenbad hätte ich gerne noch eingeweiht (lacht etwas bitter). Es gibt aber noch viele andere interessante Themen, wie beispielsweise die Bebauungsplanung in Schwabenheim oder die Entwicklung der Bergstraßenlandschaft.

Hätten Sie gern etwas verhindert?

Einen Rückbau der Gestaltung der Kreisverkehre, wie das seit geraumer Zeit gefordert wird. Das habe ich bislang auch nicht umgesetzt.

Im Jahr, in dem Sie Ihre erste Amtsperiode antraten, wurde der Krankenschein durch die Chipkarte ersetzt. In welchen Bereichen der Kommunalverwaltung war für Sie Digitalisierung ein Thema?

Es geht gar nicht mehr ohne Digitalisierung. Das damit Arbeitszeit eingespart wird, stimmt übrigens nicht. Es gibt sofort andere Themen wie Energie oder Asyl, wo Mitarbeiter gebraucht werden. Das hat vor 24 Jahren schon angefangen. Wenn heute das Internet ausfällt, wie jüngst passiert, dann können die Leute heimgehen, weil sie gar nichts mehr machen können.

Wo sehen Sie das ehemalige Steinbrecherdorf, als das Dossenheim gern bezeichnet wird, heute? Wohin hat sich die Gemeinde unter Ihrem Amt entwickelt?

"Unter" klingt etwas arrogant. In der Zeit hat sie sich zu einer modernen Wohngemeinde entwickelt. Ich freue mich, wenn Menschen sagen, sie fühlen sich wohl und haben hier ein tolles Angebot. Das liegt auch an der Gemarkung selbst, die vom Berg bis zum Neckar reicht, an der optimalen Verkehrsanbindung, an der sehr guten Infrastruktur. Dossenheim ist eine Gemeinde, in der es sich gut leben lässt. Daran haben viele ihren Anteil.

Mit David Faulhaber ist ebenfalls ein CDU-Mitglied zu Ihrem Nachfolger gewählt worden. Halten Sie eine Parteizugehörigkeit für entscheidend.

Das ist nicht entscheidend, aber auch nicht schädlich, wie manche meinen. Beim Bürgermeister kommt es auf die Person an. Der Mensch ist entscheidend und was er aus dem Amt macht. Ich habe in 24 Jahren nie erlebt, dass mich die Partei zu irgendetwas gedrängt oder von mir verlangt hätte. Diese Vorstellung ist falsch.

Wie sieht die Amtsübergabe an Ihren Nachfolger aus?

Er hat meinen Terminkalender. Wenn er es sich einrichten kann, ist er mit dabei. Ich glaube, es wird ein nahtloser Übergang. Die Fachbereichsleiter kennen in der Regel die Vorgänge. Und ich bin ja nicht aus der Welt. Man kann mich immer fragen und ich bin auch nicht beleidigt, wenn man es dann anders macht.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Altbürgermeister in der Gemeinde? Werden Sie sich künftig ehrenamtlich politisch oder in Vereinen einbringen?

Ich will mich an verschiedenen Stellen ehrenamtlich engagieren - beispielsweise im Heimatverein und auch im Partnerschaftsverein, der sich um die Jumelage mit Le Grau du Roi am französischen Mittelmeer kümmert.

Was werden Sie am ersten Tag im Ruhestand anders machen als in den vergangenen 24 Jahren?

Wenn’s Wetter schön ist, werde ich auf dem Balkon frühstücken. Das habe ich in den vergangenen 24 Jahren nämlich nicht gemacht. Ich werde versuchen, nicht auf den Terminkalender zu schauen. Alles andere werde ich auf mich zukommen lassen, dabei aber darauf achten, nicht verplant zu sein.

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