Verwaltung verteidigt die Zukunftswerkstatt
Weinheim-Sprecher bezieht Stellung zu Vorwürfen der BI-Breitwiesen - "Keine Vor-Absprachen" - Wirtschaftsvertreter verwundert

Von Philipp Weber
Weinheim. Verwaltung und Wirtschaftsvertreter haben mit Verwunderung auf die Kritik reagiert, die die Bürgerinitiative Breitwiesen in Bezug auf die voraussichtlich im Sommer beginnende Zukunftswerkstatt geäußert hatte. "Ich sehe diesen Prozess sehr positiv, gerade weil die Bürger eingebunden werden", sagte Roland Müller, Vorsitzender des Gewerbevereins Weinheim, gestern im RNZ-Gespräch. Auch die Verwaltung bezog Stellung: "Wir fänden es schade, wenn der konstruktive Ansatz der Zukunftswerkstatt schon im Vorfeld durch Unterstellungen belastet würde", so Weinheim-Sprecher Roland Kern. Doch worum geht es genau? Eine Zusammenfassung.
> Die Zukunftswerkstatt war eines der zentralen Wahlversprechen von OB Manuel Just. Der Begriff Zukunftswerkstatt umschreibt einen breit angelegten Prozess zu grundlegenden Themen der Stadtentwicklung – etwa Wohnen, Arbeiten, Freiraum und Mobilität. Ein Aspekt der Zukunftswerkstatt besteht darin, dass das Ergebnis der städtebaulichen Rahmenplanungen als Grundlage für die Fortschreibung des Weinheimer Flächennutzungsplans herangezogen werden könnte.
Dieser wurde zuletzt im Jahr 2004 aktualisiert. Anders als viele andere Kommunen ist Weinheim nie einem Nachbarschaftsverband beigetreten und plant die Nutzung seiner Flächen folglich alleine – wenngleich auch dabei Rechtsaufsichtsbehörden hinzuzuziehen und gesetzliche Regelungen zu beachten sind. Wichtig ist: Wird eine Fläche als potenzielles Bauland ausgewiesen, ist das noch lange keine Bauverpflichtung.
> Einige kritische Beobachter dieses Verfahrens befürchten indes, dass die Zukunftswerkstatt ein zweiter Anlauf sein könnte, um das autobahnnahe Gewann Breitwiesen im Westen Weinheims doch noch gewerblich zu erschließen. Bereits der Vorgänger von OB Just, Alt-OB Heiner Bernhard, hatte sich dafür eingesetzt, dass das Gelände per Flächentausch entsprechend ausgewiesen wird. Die Tauschfläche liegt im Gewann Hammelsbrunnen, das sich wegen seiner Nähe zu den GRN-Einrichtungen und seiner kleinteiligen Struktur eher nicht für Gewerbe eignet.
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Die Auseinandersetzungen mit Landwirten, Bodenschützern und einer Minderheit im Gemeinderat kulminierte 2013 in einem Bürgerentscheid. Die klare Mehrheit der Wähler stimmte damals gegen den Flächentausch. Allerdings ist ein Bürgerentscheid nur drei Jahre lang bindend.
Die BI Breitwiesen vermutet nun, dass Vertreter von Wirtschaft und Verwaltung die Gestaltung der Zukunftswerkstatt bereits besprochen haben, etwa bei Anlässen wie dem Mittagstreff des "Netzwerks Wirtschaft-Verwaltung". Da sich innerhalb des Zukunftsprozesses auch zufällig ausgewählte – und möglicherweise unerfahrene – Bürger äußern dürfen, ist sogar von einer "Alibiveranstaltung" die Rede. Die Art und Weise der Auseinandersetzung erinnert an frühere Zeiten: Hier ist von drohendem "Flächenfraß" und einer Gefährdung der Landwirtschaft die Rede, dort wird mit Begriffen wie "Besitzstandswahrer" (RNZ-Facebook-Seite) operiert.
> Die Stadtverwaltung versucht, sich sachlich gegen die Kritik der BI zu wehren. "Beim Mittagstreff wurde den Zuhörern die bisherige öffentliche Beschlusslage zum Thema sehr knapp erläutert", so Stadtsprecher Kern. Wie mithilfe dieser einfachen Information etwas "strategisch vorbesprochen" worden sein soll, erschließe sich nicht: "Wir haben dort niemanden gehört, der einen solchen Eindruck hatte." Vielmehr stimme das Hauptorgan der Kommune, der Gemeinderat, voraussichtlich am Mittwoch, 11. März, über das weitere Verfahren ab. Im Hinblick auf die Zukunftswerkstatt liege aufseiten der BI offenbar ein Missverständnis vor, so die Verwaltung in ihrer Stellungnahme. Selbstverständlich sei die künftige Ausdehnung und Entwicklung der Besiedelung ebenso ein Kernthema wie der damit verbundene Flächenverbrauch. Es sei ausdrücklich vorgesehen, Fachverbände und Initiativen zu hören, aber nicht alleine.
Und dass zufällig ausgewählte Bürger mitreden, sei Konsens im Gemeinderat. Unter anderem auf diese Weise werde die breit angelegte Mitsprache erst möglich. "Wie man daraus ableiten kann, dass themenunerfahrene Bürger für eine Alibiveranstaltung instrumentalisiert werden, ist uns ein Rätsel." Gewerbevertreter Müller wiederum kann gar nicht sagen, was beim Mittagstreff besprochen wurde und was nicht. An der fraglichen Ausgabe des Netzwerktreffs habe er gar nicht teilgenommen, sagt er. Er sieht die Zukunftswerkstatt grundsätzlich positiv: "Wenn die Zielsetzung realistisch und nicht utopisch ist, kann aus so einem Prozess durchaus etwas Gutes entstehen."
> Die Vereinigung Weinheimer Unternehmer (VWU) nahm über ihren Zweiten Vorsitzenden und Mitbegründer Peter Schuster Stellung: Der Mittagstreff sei eine öffentliche Veranstaltung, betonte er im RNZ-Gespräch. Der Treff sei mit dem Ziel gegründet worden, eine Diskussionsplattform zu schaffen. Dabei kämen keineswegs allein wirtschaftsrelevante Fragen zur Sprache. Allein bei der letzten Ausgabe seien um die 70 Zuhörer da gewesen: "Von Vorarbeiten kann da nicht die Rede sein." Vielmehr habe Stadtplaner Sven-Patrick Marx, dessen Arbeit er schätze, einen objektiven Überblick gegeben.
Auch er steht der Zukunftswerkstatt positiv gegenüber: Die Akteure der Stadt kämen dabei zusammen, um einen Blick aufs große Ganze zu werfen, nicht allein auf die Gewerbeentwicklung. Für ihn gehe es um sehr viele verschiedene Facetten von Stadtentwicklung: etwa um die Bevölkerungsstruktur, die Nutzung von Flächen in der Innenstadt und außerhalb, damit verbundene Interessenkonflikte oder die Frage, wie Weinheim seine Ziele trotz seines untergedeckten Haushalts erreicht – und wie dieser besser ausgestattet werden könnte. Es sei ausdrücklich das Ziel, kritische Stimmen einzubinden – und nicht etwa, diese zu verhindern, so Schuster.