Wer zahlt für den steigenden Wasserpreis in Edingen-Neckarhausen?

TFA-Verunreinigung: Einleitgenehmigung erst 2016 erneuert - Kann Gemeinde Schadenersatz fordern? - Fachanwalt eingeschaltet

24.02.2017 UPDATE: 26.02.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Im April steigt der Trinkwasserpreis in Edingen-Neckarhausen um 35 Cent auf 2,10 Euro je Kubikmeter. Die Erhöhung ist laut Wasserversorgungsverband "Neckargruppe" ausschließlich auf die TFA-Verunreinigung zurückzuführen. Foto: Pilz

Von Maren Wagner

Edingen-Neckarhausen. Es ist selten geworden, dass sich der Gemeinderat so uneingeschränkt einig ist. Über die Verunreinigung des Trinkwassers mit Trifluoracetat (TFA) und die damit verbundene Erhöhung des Wasserpreises sind alle Fraktionen gleichermaßen empört. Die Verwaltung hat jetzt einen Fachanwalt eingeschaltet, der prüfen soll, ob und bei wem Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden können.

Von einem "Behördenwirrwarr" sprach Thomas Zachler von der SPD bereits im Januar und meinte damit die Genehmigung für das Chemieunternehmen Solvay aus Bad Wimpfen, TFA in den Neckar einzuleiten. Dieses Salz entsteht bei der Produktion unter anderem von Trifluoressigsäure, wenn es mit dem Abwasser in Verbindung kommt.

Die Einleitungsgenehmigung hat das Regierungspräsidium in Stuttgart erteilt, diese sei vor nicht einmal einem Jahr, im Mai 2016, erneuert worden, sagte Solvay-Pressesprecher Dirk Schulte. Vor drei Jahren habe das Unternehmen zudem eine dritte Anlage in Betrieb genommen, die TFA im Abwasser erzeugt. Auch das mit Genehmigung aus Stuttgart.

Als Begründung schreibt das Regierungspräsidium, bei der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis sei "die Auswirkung des Trifluoracetats auf das Trinkwasser nicht bekannt" gewesen. Für TFA gibt es keinen vom Gesetzgeber festgelegten Grenzwert. Man konnte das Salz bislang schlicht nicht nachweisen. Die Messverfahren haben sich erst in den vergangenen Jahren derart verbessert, dass immer mehr Stoffe gefunden werden.

Seit September vergangenen Jahres aber ist bekannt, dass sich das TFA im Neckar und im Falle Edingen-Neckarhausens sogar im Trinkwasser befindet. Warum darf Solvay das Salz dennoch weiterhin in den Fluss einleiten?

Das begründet das Regierungspräsidium damit, dass das Unternehmen die TFA-Fracht bereits um zwei Drittel reduziert habe und "weitere technische Maßnahmen" prüfe. "Zu deren Umsetzung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Frist einzuräumen."

Für Edingen-Neckarhausen kommt das zu spät. Denn obwohl es keinen Grenzwert für TFA gibt, hat das Bundesumweltamt einen Maßnahmewert festgelegt. Zwar soll von dem Stoff keine Gesundheitsgefährdung ausgehen, aber die Trinkwasserverordnung verlangt, dass Verunreinigungen so gering wie möglich gehalten werden. Nach dem Maßnahmewert müssen Wasserversorger ab einer Konzentration von zehn Mikrogramm pro Liter handeln.

Im Trinkwasser von Edingen-Neckarhausen wurden im September und Oktober TFA-Werte zwischen 15 und 22 Mikrogramm pro Liter gemessen (die RNZ berichtete). Der Wasserversorgungsverband "Neckargruppe" und die Gemeinde haben daraufhin den am stärksten belasteten Brunnen, das Pumpwerk in Neckarhausen, vom Netz genommen, die Heidelberger Stadtwerke stellten im Oktober ihren Wasserbezug aus Edingen-Neckarhausen ein und voraussichtlich von Oktober dieses Jahres an muss die Gemeinde Trinkwasser aus Mannheim und Heidelberg beziehen. Das führe laut Wasserversorgungsverband Neckargruppe dazu, dass der Trinkwasserpreis im April um 35 Cent auf 2,10 Euro pro Kubikmeter steigt. "Ursächlich für die Kostensteigerung ist der aufgrund der TFA-Problematik zu erwartende erhöhte Wasserbezugspreis", sagte Elke Hugo, Geschäftsführerin des Wasserversorgungsverbands.

Ob es bei den 2,10 Euro bleibt, oder das Trinkwasser noch teurer wird, wisse derzeit niemand. Denn unklar sei, so Hugo, welchen Preis die MVV und die Stadtwerke je Kubikmeter verlangen, "da noch größere Investitionen für den Umbau der Leitungsnetze erforderlich werden, die sich erhöhend auf den Verkaufspreis auswirken können."

In seiner Haushaltsrede im Februar sagte Thomas Zachler, die SPD habe das Gefühl, "dass die Beteiligten der übergeordneten Behörden ihre Hände in Unschuld waschen und unsere Gemeinde die TFA-Suppe auslöffeln lassen." Das befürchtet auch Bürgermeister Simon Michler, der nicht akzeptieren will, dass die Edingen-Neckarhäuser für etwas zahlen sollen, das eine Firma mit Erlaubnis der Behörden verursacht habe. Er sei bereits beim Regierungspräsidium gewesen, sagte Michler, doch habe man ihm nicht sagen können, wo politischer Druck ausgeübt werden sollte.

Die Gemeinde prüfe jetzt über einen Fachanwalt "in alle Richtungen", ob und bei wem Erstattungsansprüche geltend gemacht werden könnten, sagte Michler. Beim Land sei das nicht möglich, teilt das Regierungspräsidium in Karlsruhe auf RNZ-Anfrage mit. Und das, obwohl die Einleitungsgenehmigung in Stuttgart erteilt wurde.

Gegebenenfalls könnten für die Mehraufwendungen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Das bedeutet also beim Chemieunternehmen in Bad Wimpfen.

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