Weinheims Bürgermeister

Zum Sechzigsten kündigt Heiner Bernhard seinen Abschied an (plus Fotogalerie)

Auf einem launigen Empfang zu seinem 60. Geburtstag machte es Heiner Bernhard offiziell: Er tritt bei der OB-Wahl 2018 nicht an

30.07.2017 UPDATE: 30.07.2017 15:39 Uhr 2 Minuten, 14 Sekunden

Von Philipp Weber

Weinheim. Es war 1999: Gudrun Tichy-Bernhard hatte gerade ihre eigene Arztpraxis auf die Beine gestellt, als ihr Mann ihr eröffnete, für den Gemeinderat kandidieren zu wollen. "Du kannst in Weinheim alles machen", antwortete sie: "Außer OB." Dafür, dass 2002 alles anders kam, anders kommen konnte, bedankte sich Oberbürgermeister Heiner Bernhard  beim Empfang zu seinem 60. Geburtstag  am Samstag im proppenvollen Ratssaal ganz besonders bei seiner Frau, seinen drei Kindern, seinem stadtbekannten Vater Heinrich und seiner 2009 verstorbenen Mutter.

Zuvor hatte er es offiziell gemacht: Er strebt keine dritte Amtszeit als OB an. Der Tag der Kerwe-Eröffnung 2018 werde sein letzter Arbeitstag als Stadtoberhaupt sein, sagte der Sozialdemokrat schon zu Beginn seiner Rede. Zuvor werden die Weinheimer Wähler Gelegenheit haben, einen neuen Oberbürgermeister oder einer  neue Oberbürgermeisterin zu wählen. Es sei zwar eine sehr gewöhnungsbedürftige Vorstellung, schon bald nicht mehr mitgestalten zu können, räumte Bernhard ein. "Aber niemand ist unersetzbar." Und nach 16 Jahren tue einer Stadt wie Weinheim ein Wechsel an der Spitze auch gut.

Hintergrund

Zitate aus den Geburtstagsreden

Erster Bürgermeister Torsten Fetzner in seiner Rede über Bernhards Verhältnis zum Gemeinderat: "Das Verhältnis zwischen dem OB und dem Gemeinderat ähnelt dem Bild einer Schulklasse, die gemeinsam zur

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Zitate aus den Geburtstagsreden

Erster Bürgermeister Torsten Fetzner in seiner Rede über Bernhards Verhältnis zum Gemeinderat: "Das Verhältnis zwischen dem OB und dem Gemeinderat ähnelt dem Bild einer Schulklasse, die gemeinsam zur Untersuchung in eine Zahnarztpraxis muss. … Einige Gemeinderatspatienten erhalten die Diagnose ’Alles in Ordnung, der Nächste bitte.’ Anderen wird unmissverständlich klargemacht: ’Den Zahn muss ich Dir ziehen.’ (Bernhard selbst sprach von einigen dunklen Momenten, die es in der Zusammenarbeit mit den Gremien gegeben habe; aber auch davon, dass die ehrenamtlichen Mandatsträger grundsätzlich mehr Wertschätzung verdient hätten).

Fetzner zu den Gratulationspflichten von Bürgermeistern (I): "Zu Beginn meiner eigenen Amtszeit musste ich in Vertretung des OB einen 100-jährigen Herrn besuchen. Zum Abschied sagte ich, dass ich jetzt jedes Jahr zum Gratulieren käme. Er meinte: "Sehr gern, wonn Sie’s erlewe."

Fetzner zu den Gratulationspflichten eines Bürgermeisters (II): "Einmal musste ich ins Bodelschwinghheim zu einem Geburtstagsbesuch. Auf dem Gang fragte mich eine recht junge Pflegerin, ob ich mein Zimmer suche." Als alles lacht, schiebt Fetzner ernst nach: "Das ist wirklich passiert!".

Fetzner ganz im Ernst zu den Großprojekten in der Stadt: "Lieber Heiner, zu Beginn Deiner Amtszeit hast Du davon gesprochen, dass Du Dich an drei Projekten messen lassen musst: Dem leer stehenden Birkenmeier, dem Areal ’Altes Krankenhaus’ und dem ehemaligen Güterbahnhof. Die Grundstücke befanden sich in einem schlimmen städtebaulichen Zustand. Heute sind diese Projekte erfolgreich entwickelt und geben unserer Stadt ein modernes Gesicht."

Egon Schweinsberg-Kellermann, Personalratsvorsitzender der Stadt, lobte Bernhard in einer sehr ausführlichen Rede für dessen wertschätzenden Umgang mit Personal und Personalvertretern - und hatte ebenfalls ein paar witzige Sprüche parat: "Als Fußballfan habe ich auch nachgeschaut, was in OB Bernhards Geburtstagsjahr so alles in Liga und Pokal passierte. Und wer gewann erstmals den DFB-Pokal? Der FC Bayern München (OB Bernhard gilt keineswegs als Gegner dieses Vereins). Meister wurde damals Borussia Dortmund. 2017 war’s genauso, nur umgekehrt. web

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Mit am wichtigsten aber: Ab August 2018 solle wieder mehr Zeit sein für die Familie, Sport im Freien  oder ein paar Übungen an der Posaune, so Bernhard. Der Wunsch, wieder mehr Freiräume für sich selbst zu haben, sei zuletzt immer stärker geworden. Bevor er als OB Feierabend macht, werde er sich aber weiter mit aller Kraft der Stadt- und Gewerbeentwicklung, dem Bau eines Schulzentrums für die Weststadt, dem Hotelprojekt oder dem Landesturnfest im Frühjahr 2018 widmen.

Klar: Jeder der geladenen Gäste im Saal – Abgeordnete, Stadträte, Bürgermeisterkollegen, Firmenchefs, Präsidenten von Vereinen und Klubs sowie etliche Weggefährten – hatte mit dieser Erklärung gerechnet.

Aber trotzdem schienen alle dabei sein zu wollen: Schon lange vor Beginn schoben sich die ersten Gäste den Marktplatz hinauf, vorbei an Marktständen und Restaurantterrassen. Vor dem Rathaus angekommen, erblickte man einen jungen Mann mit pechschwarzem Pferdeschwanz: Kabarettist, Musiker, TV-Star und Wahl-Weinheimer Bülent Ceylan. Im Ratssaal hielt sich Ceylan jedoch zurück – und das war gut so. Der Erste Bürgermeister Torsten Fetzner hätte ihm sonst die Show gestohlen.

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In seine von dutzenden Lachern unterbrochene Rede ließ er kunstvoll die Glückwünsche vieler bekannter Weinheimer wie der Autorin Ingrid Noll ("Hoch der Heiner leben soll! Herzlich grüßt: Die Ingrid Noll"), Lokalkabarettist Franz Kain, Naturin-Chef Bertam Trauth oder TSG-Weinheim-Präsident Volker Jacob einfließen.

Auch Bernhards Wahlkampfrivale von 2002 gratulierte: der CDU-Politiker und heutige Landrat Stefan Dallinger: "Dass Du 2002 die OB-Wahl gewonnen hast, werde ich Dir nie vergessen. Danke dafür!" Offenkundig eine Anspielung darauf, dass es in Weinheim ruppiger zugeht als anderswo.

Aber manchmal auch humorvoller. Stolz präsentierte Fetzner ein Wahlkampfplakat von damals, auf dem sich sein späterer Chef als selbstbewusster Glatzen-Träger präsentierte: "Braucht ein OB Haare? Nein, aber einen klugen Kopf", hieß es damals. Fetzner selbst sagte: "Wir waren bestimmt in 75 Prozent aller Fälle einer Meinung. Bei 20 Prozent der Themen gelang es Dir, mich zu überzeugen. Und bei circa fünf Prozent, muss ich sagen, blieb es bei unterschiedlichen Meinungen. Denn hätte ich mich bei diesen wenigen Fällen Deiner Meinung angeschlossen, dann wäre wir ja beide falsch gelegen."

Es war eine Erinnerung an 2005, als der OB nicht so richtig daran glauben wollte, dass Fetzner im Rat zum Ersten Bürgermeister gewählt werden könnte. Auch hier kam es anders. Zuletzt wünschte Fetzner dem OB, "dass Du irgendwann einmal entspannt in einem Biergarten im Schlosspark (Anspielung auf eine ganz besonders hitzige Debatte im Gemeinderat, Anm. d. Red.) sitzt und mit einem Lächeln auf den Lippen die anderen in die Ratssitzung gehen siehst."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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