Weinheim feiert 175 Jahre Verlagsgruppe Beltz
Krisen, Rückschläge, Kriege überdauert - Autoren lesen in der Altstadt - "Grüffelo" begeistert Kinder

Kinderkanal-Moderator André Gatzke ließ sich im Beltz-Festzelt von den kleinen Besuchern Löcher in den Bauch fragen.
Von Günther Grosch
Weinheim. "Sonnengelb" war die angesagteste Farbe beim großen Jubiläumsspektakel anlässlich des 175. Geburtstags der Verlagsgruppe Beltz. Hunderte von knallgelben Luftballons und kanariengelben T-Shirts der Beltz-Mitarbeiter eiferten mit der Sonne um die Wette. Die hatte pünktlich zur Eröffnung des über die gesamte Stadt verteilten mehrstündigen Programms mit Mitmach-Shows, Gewinnspielen, einem "Lesemarathon" und weiteren Überraschungen die dunklen Regenwolken beiseite geschoben.
"Wir wollen heute all diejenigen und mit all denjenigen feiern, die es Beltz ermöglicht haben, so alt zu werden", sagte Geschäftsführerin Marianne Rübelmann: "Die Kinder und Erwachsenen, die unsere Bücher mögen und lesen. Unsere 375 Mitarbeiter. Unsere Setzer, Drucker und Buchbinder. Und nicht zuletzt unsere Autoren, Illustratoren und Lektoren, die mitgeholfen haben, Beltz mit jährlich zirka 580 Neuerscheinungen und 5770 lieferbaren Titel zu einem der 50 größten Verlage in der Bundesrepublik zu machen." Dass die Verlagsgeschichte auch von "enorm vielen Krisen, Rückschlägen und Kriegen gekennzeichnet" war, verhehlte Rübelmann nicht: "Heute aber wollen wir unser Glück, Frieden und Fröhlichkeit genießen."
Als "starke Stimmen in Weinheims Cafés" und "Hausautoren zum Anfassen" präsentierten sich vom Atrium über das Stadtmuseum bis hinauf zum Mausoleum im Schlosspark Alois Prinz ("Rebellische Söhne"), Nikolaus Heidelbach und Hans-Joachim Gelberg ("Märchen aus aller Welt"), Stefanie Höfler ("Mein Sommer mit Mucks"), Christian Duda ("Elke - Ein schmales Buch über die Wirkung von Kuchen"), Anna Kuschnarowa ("Kinshasa Dreams"), Martin Baltscheit ("Die Beste Bilderbücher-Show" und Martina Wildner ("Finsterer Sommer").
Beim "Experimentieren von A bis Z" lüfteten Friedrich Fahrenheit und Bo Celsius Geheimnisse auf die Frage "Warum funktionieren Dinge so, wie sie funktionieren und nicht anders?" Mit Kinderkanal-Moderator André Gatzke tummelte sich sogar ein "echter Fernsehstar" auf der Showbühne und inmitten des großen Beltz-Zeltes.
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"Mit neugierigen Fragen löchern" war auch hier ausdrücklich erlaubt. Aber gleich bei der ersten Frage der fünfjährigen Bella "Ich weiß nicht, wie du in die TV-Maus hineinkommst", geriet der smarte Moderator in Erklärungsnot: "Klingt zwar komisch, ist aber so!"
175 Jahre sind ein Klacks, wenn man schon Biografien über den Apostel Paulus geschrieben hat. Im Stadtmuseum und bei den "Rebellischen Söhnen" von Alois Prinz durften sich auch Erwachsene einen "Stations-Stempel" abholen. Wer sechs von elf möglichen "Rallye"-Stempeln auf seiner Karte sammelte, nahm an einer Verlosung von 175 Büchern teil.
"Märchen öffnen den Blick für Unterschiede": Aus dem Nähkästchen eines Märchenbuch-Illustrators plauderten Nikolaus Heidelbach und Hans-Joachim Gelberg. "Kinderliteratur ist immer auch Erwachsenenliteratur", verdeutlichte Gelberg.
Während sich Heidelbach bei seinen Illustrationen ein "Anmalen gegen das Niedliche und die Überzuckerung in Bilderbüchern" auf die Fahnen geschrieben hat.
Seine polarisierenden wie irritierenden und nah an der Realität angesiedelten Bebilderungen von Märchen sieht Heidelbach als "wahre Gradmesser der Illustratorenkunst". Die einen fürchten sich vor ihm, die anderen lieben ihn trotz seines monstergefährlichen Aussehens: den "Grüffelo".
Mit seinen schrecklichen Hauern, knotigen Knien, grässlichen Tatzen, der giftigen Warze auf der Nase und den violetten Stacheln auf dem Rücken ist das Fabelwesen mit seinen Abenteuern aus keinem Bücherregal mehr wegzudenken.
Star-Illustrator Axel Scheffler, des Jubiläums wegen eigens aus London angereist, erweckte das Fabelwesen, die clevere Grüffelo-Maus und die anderen Protagonisten des in 26 Sprachen übersetzten Kinderbuchklassikers mit seinem Zeichenstift in Minutenschnelle zum Leben. Während das Zotteltier zur gleichen Zeit vor dem Zelt und in Überlebensgröße für unzählige Fotos "live" und zum Fellkraulen seine Runden drehte.
"Anne Kaffeekanne" und mehr: Fredrik Vahle blieb es vorbehalten, die Verlagsgeburtstagsparty mit gemeinsam angestimmten Kinderliedern abzurunden. Da machte es dann auch nichts mehr aus, dass Petrus kurz vor Schluss alle himmlischen Schleusentore öffnete. Das Beltz- Sonnengelb hatte auch zur Freude von Seniorchefin Hilde Beltz-Rübelmann zuvor alles überstrahlt.