Weinheim: Ehemaliges Hotel wird zur Unterkunft
Von August an kommen zusätzlich 80 Flüchtlinge im Gebiet "Waid" unter - Der Standort ist nicht ideal, wird aber dringend gebraucht

In diesem ehemaligen Weinheimer Hotel werden ab August bis zu 80 Flüchtlinge untergebracht. Foto: Kreutzer
Von Elena Bergmann und Philipp Weber
Weinheim. Der Ernstfall kommt schneller als erwartet: Bereits Anfang August will der Rhein-Neckar-Kreis bis zu 80 Asylbewerber in einem früheren Weinheimer Hotel unterbringen. Das Gebäude liegt in einem Gewerbegebiet im Süden der "Waid". Der Kreis hat das Hotel für die Dauer von zehn Jahren angemietet. Es sei für die Unterbringung von Flüchtlingen sehr gut geeignet, so Stefan Becker, Leiter des Ordnungsamts im Rhein-Neckar-Kreis. An den Beschlüssen für drei Asylbewerberunterkünften in der Heppenheimer Straße, der Stettiner Straße sowie am Sulzbacher Dammweg ändere sich dadurch nichts.
Erst im vergangenen Jahr hatten sich Kreis, Stadt und Gemeinderat auf einen Kompromiss verständigt: Weinheim erklärte sich bereit, statt der ursprünglich zugesagten Zahl von 200 Asylbewerbern 240 Menschen aufzunehmen. Der Kreis stimmte dafür der Verteilung der Flüchtlinge auf drei Gemeinschaftsunterkünfte zu; die Stadt stellt jeweils die Grundstücke, Bauherr und Pächter aber ist der Kreis.
Dieses Mal braucht Landrat Stefan Dallinger jedoch keinen Gemeinderatsbeschluss, das ehemalige Hotel ist in privater Hand. "Es ist sehr bedauerlich, dass der wachsende Zustrom von Flüchtlingen den Kreis zu dieser Vorgehensweise zwingt", so OB Heiner Bernhard, "aber wir erkennen seine Notlage an". Der Kreis kämpft mit einem rasant wachsenden Zustrom an Flüchtlingen, will Unterbringungen in Turnhallen und Zelten aber unbedingt verhindern - weshalb die Beamten derzeit gezielt Haus- und Billighotelbesitzer ansprechen.
Die Stadt müsse nun reagieren, so Bernhard, und sich um die Aufnahme von Flüchtlingskindern in Schulen und Kitas kümmern. Hinzu komme die Integrationsarbeit durch haupt-, aber auch ehrenamtliche Kräfte. Dass Kinder unter den Flüchtlingen sind, gilt als sehr wahrscheinlich: Landratssprecherin Silke Hartmann rechnet sowohl mit Familien als auch Alleinstehenden, "je nach Personenkreis, der uns von der Landeserstaufnahmestelle zugeteilt wird". Aus welchen Ländern die Menschen stammen, stehe erst eine Woche vor deren Einzug fest: "Wahrscheinlich überwiegend aus Albanien, dem Kosovo, Syrien und weiteren Ländern", sagt Hartmann.
OB Bernhard hatte die Fraktionen am Montag über den neuen Stand der Dinge unterrichtet, in der Sitzung des Ältestenrats. Auch das Helfernetzwerk "Nawi" und die Interessengemeinschaft "Waid" wurden informiert. "Wir waren nicht allzu überrascht", sagt GAL-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kramer. Der Flüchtlingsandrang sei sehr stark. Ebenso wie der Rhein-Neckar-Kreis verweist sie auf die bis zu 300 Asylbewerber, die Monat für Monat auf Standorte in den Kommunen verteilt werden müssen. Das Hotel sei akzeptabel: "Es gibt keinen idealen Standort. Wir müssen jetzt was draus machen."
"Es wird nicht einfach, aber wir müssen diese Menschen unterbringen", pflichtet Monika Springer, Stadtverbandsvorsitzende der Freien Wähler bei. Das kleine Gewerbegebiet rund um das Hotel habe sein Für und Wider - so wie die drei anderen Standorte auch. Jetzt brauche es Lösungen, vor allem, was die Schulen in der Umgebung betrifft. Das frühere Hotel gehöre zur "Gemarkung" des Ortsteils Lützelsachsen, dort aber platzten die Kitas und Schulen schon aus allen Nähten.
Wolfgang Metzeltin, Fraktionsvorsitzender der SPD, hält sich ebenfalls an die Argumente der Kreisvertreter: Ein Hotelgebäude sei zumindest viel geeigneter als Hallen oder Zelte: "Wenn so ein Objekt angeboten wird, hat der Landrat keine andere Wahl, als es anzunehmen." Immerhin sei das Gewerbegebiet klein und das nächste Wohngebiet nicht weit, sagt Kramer. Die Flüchtlinge würden nicht ausgegrenzt. Am Ende aber sei es die Entscheidung des Rhein-Neckar Kreises, stellt SPD-Mann Metzeltin klar. Weinheim habe hier keinen Spielraum. Die Fraktionen hätten sich 2014 zwar darauf geeinigt, dass drei Mal 80 Asylbewerber nach Weinheim kommen. Damals sei das Ausmaß der humanitären Katastrophe in weiten Teilen der Welt aber so nicht absehbar gewesen.
Auch beim Rhein-Neckar-Kreis glaubt niemand daran, dass sich die Lage entspannt: Statt der zunächst prognostizierten 250.000 Menschen geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nun davon aus, dass 2015 bis zu 450 000 Flüchtlinge ins Land kommen. "Für den Rhein-Neckar-Kreis bedeutet dies einen jährlichen Zugang von rund 3000 Personen, die untergebracht und betreut werden müssen", so Kreissprecherin Hartmann.
Kramer wünscht sich eine breite Bürgerinfo mit allen Verantwortlichen: "Keiner sollte sich mit der Situation alleine gelassen fühlen." Metzeltin sieht aber auch den Kreis in der Pflicht, will eine bessere Betreuung der Neuankömmlinge erreichen. In der ersten Zeit seien "nahezu täglich" Mitarbeiter des Kreises vor Ort, so Hartmann. Dann solle es zwei bis drei die Woche Sprechstunden geben.



