SPD will TFA-Einleitung in den Neckar stoppen
Sozialdemokraten haben Unterschriftenaktion gestartet - Wasserversorgungsverband bangt um Zukunft

Im Neckar bei Edingen-Neckarhausen befindet sich das TFA, gegen das die SPD nun vorgehen will. Im Bild: Thomas Zachler, Eberhard Wolff, Arno Kaiser (Geschäftsführer Wassergewinnungsverband), Patrick Hennrich und Michael Bangert (v.l.). Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Fraktion, Ortsverein und Jusos hatten es angekündigt: Die SPD bündelt ihren Ärger über den TFA-Skandal in Aktionen. In den kommenden acht Wochen sammeln die Sozialdemokraten Unterschriften gegen die weitere Einleitung von Trifluoracetat (TFA) in den Neckar. Gleichzeitig fordern sie das verursachende Unternehmen Solvay in Bad Wimpfen auf, den angerichteten Schaden in der Kommune auszugleichen.
Hintergrund
TFA: Trifluoracetat ist nicht zu verwechseln mit Trifluoressigsäure, ebenfalls TFA abgekürzt. In der Trifluoressigsäure-Produktion wird die Essigsäure mit Neckarwasser zu TFA-Salz neutralisiert, das mit anderen Abwässern in den Neckar gelangt. Schwappt der
TFA: Trifluoracetat ist nicht zu verwechseln mit Trifluoressigsäure, ebenfalls TFA abgekürzt. In der Trifluoressigsäure-Produktion wird die Essigsäure mit Neckarwasser zu TFA-Salz neutralisiert, das mit anderen Abwässern in den Neckar gelangt. Schwappt der Fluss über, sickert das Neckarwasser und damit das TFA ins Grundwasser. TFA gilt als rasch abbaubar im menschlichen Körper. Wie hoch seine übrige Persistenz ist, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen.
Solvay: Ein Chemiewerk in Bad Wimpfen mit 400 Arbeitsplätzen in der Produktion. Dort werden seit fast 200 Jahren Salze gesiedet.
Maßnahmewert: Der Wert, ab dem sich Wasserversorger Gedanken darüber machen müssen, wie sie die Konzentration eines Stoffes im Wasser mindern können. Der TFA-Maßnahmewert liegt bei zehn Mikrogramm pro Liter. In Edingen-Neckarhausen wird der Wert seit den ersten Beprobungen der Brunnen im Oktober unverändert mit 13 bis 22 Mikrogramm überschritten. Alle vier Wochen wird nachgemessen, die Werte sind im Internet unter www.edingen-neckarhausen.de abgebildet.
Zukunft: Die Gemeinde musste ihre Brunnen vom Netz nehmen und arbeitet daran, Wasser von ihren Verbandspartnern zu beziehen. Für den Wassergewinnungsverband ist die wirtschaftliche Entwicklung besorgniserregend und ungewiss. Welche Kosten auf die Kommune zukommen werden, ist unklar. Tatsache ist jedoch, dass Bürger ab 2018 zum zweiten Mal tiefer in die Tasche greifen müssen, was den Wasserpreis betrifft. nip
Wie mehrfach berichtet, ist das Grundwasser in Edingen-Neckarhausen über den sogenannten Maßnahmewert von zehn Mikrogramm pro Liter mit 16 bis 21 Mikrogramm mit TFA belastet. Diese Überschreitung wird nicht auf Dauer toleriert. Zwar soll das Salz für den Menschen ungefährlich sein, dennoch musste die Kommune ihre Brunnen vom Netz nehmen und wird Wasser aus Heidelberg und Mannheim beziehen müssen. "Der Wasserversorgungsverband ’Unterer Neckar’ hat zu wenig Brunnen, um Wasser mischen zu können", erklärt Verbandsgeschäftsführer Arno Kaiser beim Pressegespräch der SPD.
Das bedeutet für den Verbraucher, dass der Wasserpreis steigt: "Die Bürger fragen uns, ob wir Geld brauchen", stellt SPD-Fraktionssprecher Thomas Zachler fest. Das stimmt ja auch, doch geschieht das nur, um die entstehenden Kosten abzufangen. Mit ihrer Unterschriftenaktion und einer Online-Petition will die SPD die Bürger sensibilisieren, die Gemeinde unterstützen und gegen das Unternehmen protestieren. Eberhard Wolff: "Es geht uns nicht nur um TFA. Im Neckarwasser könnten auch andere Stoffe enthalten sein. Die Firma soll uns mitteilen, was sie alles einleitet."
Der Protest der SPD richtet sich aber auch gegen die Landesregierung: Ein Schreiben von Umweltminister Franz Untersteller an den SPD-Landtagskollegen Gerhard Kleinböck beinhalte falsche Zahlen, sagt Michael Bangert. In dem Schreiben heißt es: "In einem ersten Schritt konnte inzwischen erreicht werden, die betrieblichen Abläufe (bei Solvay, Anm. d. Red.) so zu steuern, dass der Maßnahmewert von zehn Mikrogramm pro Liter im Trinkwasser eingehalten werden kann." In Edingen-Neckarhausen liegt dieser Wert jedoch deutlich darüber.
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"Auch Heidelberg, Mannheim und Ladenburg sind betroffen", sagt Arno Kaiser, "es geht ja weiter in der Region". Ferner teilt Untersteller mit, dass der gesundheitliche Orientierungswert (GOW) im Trinkwasser vom Umweltbundesamt am 19. Januar von einem auf drei Mikrogramm pro Liter erhöht wurde. Warum die Behörde den GOW nach oben korrigierte, lässt Untersteller offen. Schadensersatzansprüche verweist er auf die zivilrechtliche Ebene.
Edingen-Neckarhausen lässt sich inzwischen rechtlich beraten und sucht den Schulterschluss mit anderen Betroffenen in der Region. Für den Wassergewinnungsverband sei die Lage bedrohlich, sagt Kaiser. Denn der Verbandspartner Heidelberg bezieht seit Oktober kein Wasser mehr vom Verband. Kaiser: "Da fallen schon mal Einnahmen von 50 Prozent weg. Gleichzeitig entstehen uns Kosten, die der Verband zu tragen hat. Wie hoch die sind, wissen wir, wenn die MVV uns Zahlen liefert." Bangert ergänzt: "Mit einem Schlag sind wir vom Exporteur zum Importeur von Wasser geworden." Was die Zukunft bringt, weiß keiner, und einfache Antworten gibt es nicht.
Das Chemiewerk in Bad Wimpfen hatte bereits im Oktober eine Anlage stillgelegt und die Trifluoressigsäure-Produktion, bei der das Salz im Abwasser entsteht, heruntergefahren. Drei andere Anlagen bleiben aber in Betrieb. Solvay geht es hierbei auch um Arbeitsplätze, den betroffenen Städten und Kommunen dagegen um astreines Trinkwasser, wie es die Trinkwasserverordnung vorschreibt, und um die Kosten, die dabei entstehen.
Wie lange TFA im Grundwasser bleibt, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Der Wassergewinnungsverband fragt sich, wie lange er die Förderung aussetzen muss. "Und wie lange halten die Verbandspartner still?", ergänzt Bangert.
Info: Die Unterschriftenaktion der SPD zum TFA-Einleitungsstopp findet sich im Internet unter www.spd-edingen-neckarhausen.de.



