Spitzklicker spießen Weinheim und die Welt auf

Spitzklicker verteilen in ihrem neuen Programm "Schabernackenschläge" - 5000 Karten verkauft

15.01.2017 UPDATE: 16.01.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden

In der Besetzung mit Markus König, Susanne Mauder und Franz Kain (v.l.) haben Weinheims "Spitzklicker" zu alter Form zurückgefunden: Ihr neues kabarettistisches Programm kommt wieder härter, kompakter und schauspielerisch gekonnter daher, so der RNZ-Kritiker. F.: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Viel zu verdauen und zu verarbeiten gilt es derzeit für die Bürger im Allgemeinen und die Kabarettisten im Besonderen. So trafen die "Schabernackenschläge" der Spitzklicker am Samstagabend die große Weltpolitik, aber auch allerlei "Weinheimatliches". Das Publikum hatte im Vorfeld gespannt auf das 33. Programm der Kabaretttruppe in der Alten Druckerei gewartet.

Und um es vorweg zu nehmen: Das Trio mit Franz Kain, Markus König und Susanne Mauder mit seinem musikalischen Mitstreiter Daniel Möllemann am Klavier hat seinen kabarettistischen Zement gegenüber früheren Programmen härter und kompakter angemischt. Erkennbar hinzugewonnen haben die Spitzklicker darüber hinaus an schauspielerischem Ausdrucksvermögen.

Vom Hinterbänkler und "Finanztransaktionssteuerexperten Ost-Kurpfalz, Wahlkreis Dossenheim II, Stadtteil Schwabenheim, Wohnplatz Weißer Stein", Hans Bronkowski alias Franz Kain, der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft (als Pseudo-AfD-Platzhalter und "Petry-Heil-Stimmenfischer" mittendrin: Ernst-Jochen Breunig) über die entscheidenden "elf Minuten" als "Parshiperin" bis hin zum Schlussverkaufs-"Sale-Maleikum" powern die "Vier von der Humor-Tankstelle" schon im ersten Programmteil mit der "Kraft des Tigers im Tank".

Und sie zeigen, textlich unterstützt von Regisseur Volker Heymann, Manfred Maser vom Odenwälder Shanty Chor sowie SWR-Radiomann Peter Gitzinger, mit Tiefgang und dem Schalk im Nacken nicht nur beim "Dutte"-Rap" - für Nicht-Weinheimer: beim "Plastiktüten"-Sprechgesang - auf, dass Missstände und Ärgernisse, Banales und Alltag sowie kongenialer Unsinn mindestens eine gute Seite haben: Man kann darüber bis zur Atemnot lachen. Auch wenn einem mitunter der aus dem wahren Leben gereichte kabarettistische Bissen im Halse stecken zu bleiben droht.

Von musikalisch bis makaber

Wie zum Beispiel bei dem makabren "Home-Bombing", wenn sich König und Kain vom heimischen Laptop aus mittels Killerdrohnen auf Terroristenjagd begeben. Frei nach dem Motto: "Erschießen mit Enter." König: "Ob ein Zivilist oder Terrorist getroffen wurde, sieht man erst auf der Monatsabrechnung."

Nicht ganz so bombastisch geht es da im heimatlichen Weinheim zu. Obwohl auch hier "vom Stadtplanungsamt minutiös getimte Staus", regelmäßige Sperrungen des Saukopftunnels, lahmgelegte Schleichwege und endlos lang geschlossene Bahnschranken so manchen fast täglich in die Luft gehen lassen.

Mit dem kürzlich im "Drei-Glocken-Center" eröffneten "Wulle-Wulle"-Woolworth-Kaufhaus hätten die Woinemer endlich wieder einen "Birkenmeier" in der Stadt, jubiliert das Quartett in Anspielung auf ein früheres Warenhaus. Die Spitzklicker nehmen zudem das Kaulquappen- und Enten-Theater am Schlossparkteich ebenso ins Visier wie die überhand nehmenden "Panflöten-Piffler" in der Innenstadt und das Drama um die nicht gelieferten Kerwesymbole aus China.

Als "Parship"-Werbeikone im Markt der Ü-60-Generation haben die Texter Susanne Mauder eine Paraderolle auf den Leib geschrieben: Nachdenklich machend mahnt die Nummer "Fluch der Flucht": "Ich möchte flüchten, doch ich weiß nicht wohin, weil ich da, wo andere hinwollen, ja schon bin." Um gleich darauf herrlich skurril die Irrfahrten eines autonomen Autos zu kommentieren: "Brauchen selbstfahrende Autos eigentlich einen Führerschein?".

Nicht fehlen durften die "Tagesspitzen", wo es mit "Grüner Sexualassistenz" beim Pokémon-OBI-Go-Spiel "Jagd auf zwischen den Regalen versteckte Berater" zu machen galt. "Let it be, wahre Liebe war es nie", lautet der Spitzklicker-Abgesang auf die mit dem "Yellow Submarine" ins "Yesterday" abgetauchten Brexit-Briten. Mit einer "Hitparade for Fun" endet der Premierenabend unter minutenlangem Applaus und Zugaberufen.

Rund 5000 Karten für die nachfolgenden circa 50 Auftritte seien verkauft, so Kain nach zweieinhalb Stunden hintersinniger Schabernackenschläge und präziser Frontalhiebe mit einer Packung Taschentücher in der Hand - zum Trocknen der Lach- und Abschiedstränen.

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