Pestalozzischule Weinheim: Rat beschloss Kompromiss-Resolution
Harte Worte führten zu weicher Erklärung - Nach harschen Worten boten sich die Lokalpolitiker als Schlichter an

Der Gemeinderat hat der Schulleitung und der Schulkonferenz der Pestalozzischule den Rücken gestärkt. Das Gremium legte sich aber nicht auf den verbindlichen Ganztag fest. F.: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Es muss sehr laut geworden sein: Nach RNZ-Informationen hat sich der Elternbeirat der Pestalozzi-Grundschule Anfang der Woche in der Innenstadt getroffen. Dabei brüllten sich die Befürworter und Gegner der verbindlichen Ganztagsschule so harsch an, dass die nebenan stattfindende Sitzung einer Weinheimer Ratsgruppierung unterbrochen werden musste: Die Lokalpolitiker sollen sich gar als Schlichter angeboten haben.
Zur Erinnerung: Der Gemeinderat hatte das verbindliche Ganztagsschulkonzept am 12. Oktober abgelehnt. Rund zwei Wochen später einigten sich aber die Fachleute und Fraktionschefs im Kinder- und Jugendbeirat darauf, eine Resolution pro verbindliche Ganztagsschule zur Abstimmung zu stellen - um der Schule den Rücken zu stärken. Ob die gestern beschlossene Fassung die Wogen glättet, bleibt allerdings abzuwarten: Die Stadträte rangen sich zu einer "Kompromiss-Resolution durch". Nach einer harten Debatte mit persönlichen Angriffen.
In der jetzt beschlossenen Fassung wird die Einführung eines verbindlichen Ganztagskonzepts nicht mehr als einzig sinnvolle Entscheidung beschrieben. Vielmehr heißt es: "Die Einführung der verbindlichen Ganztagesschule bleibt für den Gemeinderat eine von mehreren bildungs-, sozial- und finanzpolitisch sinnvollen Entscheidungen." Der Name "Pestalozzischule" taucht nicht mehr auf - und es wird auch nicht mehr gefordert, dass sich die Schule erneut auf den Weg zum verbindlichen Ganztagsbetrieb machen soll.
"Angesichts der Vorgeschichte halte ich es für verfehlt, wenn sich der Gemeinderat heute nicht äußert", hatte sich OB Heiner Bernhard zuvor gegen Michael Lehner (WL) gewehrt. Letzterer hatte gefordert, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen: "Der Gemeinderat ist kein Stimmvieh, das so lange hin und hergeschoben werden kann, bis es passt." Sein Antrag zur Geschäftsordnung fand keine Mehrheit.
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Somit hatten die Fraktionen das Wort: Holger Haring (CDU) äußerte Verständnis für die Irritationen, die das knappe "Nein" zum verbindlichen Ganztag hervorgerufen hatte. Er unterstütze die Erklärung, wehre sich aber gegen die Festlegung auf ein verbindliches Ganztagskonzept an der Pestalozzischule, sagte er. Es folge Thomas Knörr (SPD): "Der 12. Oktober geht als schwarzer Tag in die Geschichte des Gemeinderats ein", wetterte er. Die Ganztags-Gegner hätten erkennen lassen, dass sie sich nicht mit der Materie befasst und nur der lautesten Interessengruppe zugehört hätten. Ihre Argumente seien ideologisch geprägt gewesen: "Das postfaktische Zeitalter macht auch hier nicht halt."
"Wir lesen die Vorlagen, wir beraten uns als Fraktion - und wir sprechen mit den Betroffenen", hielt Monika Springer (FW) dagegen. Sie habe nie von irgendeiner Ideologie gesprochen, aber eine anständige Informationspolitik der Schule vermisst. "Das verbindliche Konzept war unausgegoren", die Schule sei ohnehin nicht dafür geeignet gewesen.
Elisabeth Kramer (GAL) forderte dagegen ein Eingeständnis des Rates ein: "Wir haben am 12. Oktober einen großen Teil der Schulgemeinschaft enttäuscht." Nun sei es Zeit, sich diese Fehlentscheidung einzugestehen: "Wir wollen auch der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der verbindliche Ganztag wenigstens an eine von zehn Weinheimer Grundschulen kommt."
Michael Lehner (WL) wiederum sah in Knörrs Beitrag eine "Beschimpfung" des Gemeinderats. Auch seine Fraktion habe lange mit sich gerungen, ehe das "Nein" zum verbindlichen Ganztag feststand. "Als Jurist bin ich das Prinzip von Rede und Gegenrede gewöhnt, für Lehrer gilt das offenbar nicht", provozierte er Buhrufe. Danach warf er der GAL einen Abstieg in die Beliebigkeit vor. "Es sprach Donald Trump", antwortete ein Zwischenrufer auf der linken Seite des Saals. Überraschend kompromissbereit gab sich Andrea Reister (FDP). Hatte sie den verbindlichen Ganztag im Oktober noch als "sozialistisch und kollektivistisch" geschmäht, forderte sie nun dazu auf, sich stärker mit der offenen Form der Ganztagsschule zu befassen. Später unterstützte sie sogar die Kompromissformel.
Carsten Labudda (Die Linke) verteidigte zunächst seinen Fraktionskollegen Matthias Hördt gegen Kritik: Dieser habe - anders als er selbst - den verbindlichen Ganztag an der Pestalozzischule abgelehnt: "Er hat das aber klar kommuniziert und ist nicht erst auf den letzten Metern umgefallen." Christina Eitenmüller wiederum forderte dazu auf, die Einwanderer zu beachten. Auch diese stünden dem Ganztag oft kritisch gegenüber.
Am Ende setzten sich mehrere Redner, darunter auch SPD-Fraktionschefin Stella Kirgiane-Efremidis (SPD), für den Kompromiss ein. Das Stichwort "Schulfrieden" machte die Runde. Und nach einer kurzen Unterbrechung war der Tagesordnungspunkt schließlich erledigt.