Geplante Sozialunterkunft in Edingen-Neckarhausen: Die Gerüchte des "Andy S."
Geplante Sozialunterkunft: RNZ erreichte E-Mail mit Vorwürfen zu Bau im "Edinger Biotop" - Ein Faktencheck

Das "Edinger Biotop", schreibt "Andy S." in seiner E-Mail, sei Heimat für vieler Singvögel und des Feldhamsters. Und hier will der Gemeinderat eine Unterkunft für Flüchtlinge und Obdachlose bauen?, fragt er. E-Mails wie diese erreichen die Redaktion häufig, besonders seit Beginn der Flüchtlingskrise. Ihr Wahrheitsgehalt ist oft gering, so auch in diesem Fall. Foto: Kraus-Vierling
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Es gehört zum Alltagsgeschäft einer Zeitungsredaktion, Mails zu sichten, Informationen aufzugreifen und zu entscheiden, welche Geschichte weiterverfolgt werden sollte und welche nicht. Besonders seit der Flüchtlingskrise erreichen die RNZ immer wieder Schreiben, die - berechtigt oder unberechtigt - Missstände über das Verhalten von Flüchtlingen oder den Bau von Flüchtlingsunterkünften anprangern. Die Arbeit der Journalisten besteht dann darin, Fakten zu recherchieren und den Wahrheitsgehalt herauszufinden.
Eine Mail dieser Art erreichte die RNZ auch am 2. November.
Die E-Mail
"Gruß Andy" steht unter der E-Mail, die neben anderen Lokalredaktionen auch an die RNZ adressiert ist. Es geht darin um die von der Gemeinde geplante Sozialunterkunft für Flüchtlinge und Obdachlose am Rand des Sport- und Freizeitzentrums. "Im Edinger Biotop", wie der Verfasser der Mail schreibt.
Er führt an, das "Biotop ist eine wunderschöne Streuobstwiese mit seitlicher Bebuschung". Demnach scheint er die Unterkunft dort nicht zu befürworten, obwohl: "Jeder weiß, daß Flüchtlingsunterkünfte von Nöten sind !"[(sic)]. Und weiter: "Jedoch fragen sich viele Edinger, warum wird eine größere Sozialunterkunft (Flüchtlingswohnheim), gerade im Biotop von Edingen geplant?"
Viele Singvögel, von Goldammer bis Goldfasan, seien dort heimisch, man sehe "den schönen Schwalbenschwanz, einer der schönsten Schmetterlinge in Deutschland über die Wiese fliegen", denn hier gebe es noch die "wilde Möhre und dieses Wildkraut dient dem Schwalbenschwanz als Raupenfutter". Auch der Feldhamster sei hier Zuhause, schreibt "Andy": "Warum besteht nicht die Möglichkeit die Unterkünfte im Neubaugebiet oder Industriegebiet zu erstellen?". Und: "Große Tafeln kennzeichnen dieses Biotop - Betreten verboten, Hunde an die Leine nehmen! Aber als Bauland kann es genutzt werden! Wer soll das verstehen?".
Versuch der Kontaktaufnahme
Eine Anfrage, die man als Zeitung durchaus aufgreifen kann, denn der Standort für die Sozialunterkunft ist nicht ganz unumstritten: Zwar hat der Gemeinderat ihn so beschlossen, allerdings auch die Fragen der Verkehrsführung und des Naturschutzes debattiert. Bürgermeister Simon Michler hatte dafür Verständnis gezeigt, allerdings betont, dass der Kommune zurzeit keine Alternative zur Anschlussunterbringung bleibe.
Da der Absender der Mail verwirrend ist, denn gesendet wurde über eine Frau, unterschrieben aber mit "Andy", bemüht sich die RNZ um Kontaktaufnahme. Der Absender ist bereit, Fragen schriftlich per Mail zu beantworten, teilt er mit. Wer er ist, bleibt unklar. Nein, nicht seine Freundin (die Absenderadresse) habe die Mail geschrieben, sondern er. Und wieder: "Gruß, Andy S."
Gut, noch ein Versuch und die Bitte, den vollen Namen und eine rückverfolgbare Telefonnummer anzugeben. Dann die Antwort: "Nach reiflicher Überlegung werde ich Ihre Mailanfrage nicht beantworten. Danke für Ihre Bemühungen. Gute Zeit." Diesmal gab‘s auch keinen Gruß mehr. Eine anonyme Mail demnach, vielleicht mit dem Ziel, Stimmung gegen den Standort zu machen.
Aber wer steckt dahinter? Anwohner, deren Grundstücke angrenzen und die Überplanung ihrer Gärten fürchten? Die Recherche stößt hier an ihre Grenzen.
Den Anschuldigungen der E-Mail geht die RNZ dennoch nach.
Die Fakten
Auf Anfrage sagt Bauamtsleiter Horst Göhrig, dass es sich bei besagtem Gebiet um ein "wildes Biotop" handele, das durch natürlichen Wildwuchs entstanden sei. Es gebe dort einen Gehölzstreifen auf dem Wall, den man unter Naturschutzaspekten beachten werde. "Aber wir halten uns gerade deshalb südwestlich vom Gebüsch und greifen dort nicht ein. Das ist unser Ziel."
Geplant ist die Unterkunft am Rand des Sport- und Freizeitzentrums zwischen Sportanlage und Mannheimer Straße/Bismarckstraße. Bereits im Sommer habe die Gemeinde eine sogenannte "Vorabschätzung" vornehmen lassen, um zu überprüfen, was auf dem Areal an Flora und Fauna vorhanden ist. "Da war die Brut aber schon vorbei, und die Vögel waren weg", so Göhrig weiter.
Von Februar 2017 an werde eine vogelkundliche Begutachtung erfolgen, "vorausgesetzt, dass der Gemeinderat den Bebauungsplan überhaupt aufstellen lässt". Im Technischen Ausschuss am 1. Dezember stehen die Inhalte einer Ausschreibung - unter anderem, ob eingeschossig oder mehrgeschossig gebaut wird - auf der Tagesordnung.
Zugleich stellt Bauamtsleiter Göhrig fest: "Der Goldfasan fühlt sich dort nicht heimisch, denn das ist ein asiatischer Vogel. Man kann ihn aber bei den Kleintierzüchtern in Edingen bewundern." Auch der Feldhamster lebe nicht am geplanten Standort.
Und nicht zuletzt, sagt Göhrig, verfüge Edingen-Neckarhausen über exakt ein Industriegebiet bei der MUK in der Rosenstraße. Und dort könne man keine Sozialunterkunft hinstellen.



