Die "Steillagenfreunde" retten alten Weinberg
Aber nicht nur in Schriesheim, auch in Hirschberg und in Hemsbach gibt es "Bürgerwingerte", die die "Blühende Bergstraße" auszeichnete.

Von Max Rieser
Bergstraße/Neckar. Drei "Bürgerwingerte" wurden in der Weinlage "Schriesheimer Schlossberg" ausgezeichnet. Was aber ist ein "Bürgerwingert"? Die Mini-Weinberge werden von ehrenamtlichen Gruppen bewirtschaftet, die Teil des Projekts "Blühende Bergstraße" sind. Die Initiative will die Bergstraße als Kulturlandschaft erhalten und das typische, durch Obstwiesen, Trockenmauern, Lössböschungen und Rebzeilen an Steillagen geprägte Bild erhalten. Dabei geht es um Landschaftsschutz, aber auch darum, gefährdeten Tier- und Pflanzenarten wieder mehr Raum zu geben. Außerdem soll das Gebiet zwischen Dossenheim und Hemsbach als Erholungsgebiet erhalten bleiben.
Durch den demografischen Wandel und weil sich die Interessen eben ändern, verschwinden immer mehr der gepflegten Gartengrundstücke, die das Bild der Hänge prägten. Die Folge: "Große Teile der Landschaft werden von Brombeerhecken überwuchert und verwildern", erläuterte Manuel Just, Weinheims Oberbürgermeister und Vorsitzender der "Blühenden Bergstraße". Durch die Gründung des Vereins "konnte ein wichtiges Instrument geschaffen werden, um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen". Just begrüßte auch Schriesheims Bürgermeister Christoph Oeldorf, die grüne Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer, den Projektleiter der "Blühenden Bergstraße", Thomas Trabold, und den Zweiten Vorsitzenden des Vereins, Gerhard Röhner.
Drei dieser "Bürgerwingerte" gibt es an der Badischen Bergstraße. Die "Interessengemeinschaft Bürgerwingerte" aus Hemsbach gründete sich 2015, zählt aktuell 27 Mitglieder und baut auf 15 Ar Wein an, den eines der Mitglieder keltert. Die Hirschberger "Wingertfreunde" sind seit 2020 mit momentan 25 Mitgliedern dabei und ernteten in diesem Jahr in einem Weinberg, den sie von Gerhard Wallert übernehmen konnten, 600 Liter Most. Wallert lernte die Gruppe ein, und der Hirschberger Bürgermeister Ralf Gänshirt unterstützt das Projekt ebenso wie der Leiter des Hirschberger Familienbüros, Bernd Lauterbach, der sogar Mitglied bei den "Wingertfreunden" aus Hirschberg ist.
Die "Steillagenfreunde" in Schriesheim kommen eigentlich gar nicht aus der Weinstadt, sondern aus Ladenburg. Wie sie sich zusammengefunden haben, ist allerdings eine Geschichte, die typisch für Schriesheim ist. Der Weinberg wurde 1934 von der Familie Meyer angelegt. Margarete Meyer, die nur zwei Jahre jünger als die Rebzeilen ist, berichtete: "Ich bin mit dem Wingert aufgewachsen, aber irgendwann habe ich es nicht mehr geschafft." Auf dem Mathaisemarkt im Jahr 2019 erzählte ihre Tochter Heidi Michael Schneider davon, dass ihre Mutter jemanden sucht, der sich um den Wingert kümmert. Schneider, der an der Kurpfalz-Realschule die "Weinbau-AG" gegründet hatte, sprach den Ladenburger Max Keller an, der Hans-Hermann Wahl mit ins Boot holte, dessen Großvater schon Weinberge im Taubertal hatte und der selbst einige Rebzeilen in Schriesheim unterhielt. Wahl und Keller schlossen sich noch zehn weitere Weinfreunde an.
Gemeinsam begannen sie, das acht Ar große, überwucherte und von Unkrautvernichtern belastete Grundstück mit gut 45 Grad Neigung zu rekultivieren. Durch die extreme Steillage mussten sie dafür Bergsteigerseile und Stickel, also Pfähle zum Strukturieren der Rebzeilen, einsetzen. Seitdem sind eine Bruchsteintreppe, eine Trockenmauer, weitere Holzstickel und ein Holzgeländer entstanden, die die Arbeit sehr erleichtern, so Wahl. Die Reben, die größtenteils noch aus den 1930er-Jahren stammen, wurden wieder in Form gebracht und zwischen den Zeilen Wildpflanzen ausgesät, die auf dem Löss enorm wuchsen. Bei der harten Arbeit im Wingert "braucht man keine Muckibude mehr", lachte Wahl.
Bei den Arbeiten wurden sie mit Fahrzeugen, Werkzeugen und Beratung von der Gartenbaufirma Huben unterstützt, finanziert wurde alles aus eigener Tasche der Wein-Enthusiasten mit "vielen Tausend Euro", berichtete Wahl. Aber die Mühen haben sich gelohnt. In diesem Jahr wurde erstmals geerntet, und der Ertrag kann sich sehen lassen: Die alten Reben verkrafteten Hitze und Trockenheit gut, und die "Steillagenfreunde" ernteten 570 Kilogramm Silvaner- und 320 Kilogramm Rieslingtrauben. Zu Wein werden sie im Rosenhof von Matthias Schmidt, der die Ehrenamtlichen vor der Lese schulte und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stand. Im Januar wird der erste Wein aus dem neuen alten Weinberg abgefüllt. Auch im Wingert soll es weitergehen: "Wir wollen eine neue Trockenmauer im unteren Bereich bauen und die Zeilen weiter mit Stickeln versehen."
Just ging in seinem Grußwort als Vorsitzender vor allem auf die Arbeit der "Bürgerwingerte" ein, die aus den Weinbergen mit Trockenmauern und Wiesen "naturverträgliche Biotope" schaffen. Dabei würde meist nach Bio-Richtlinien gearbeitet, die sie sich allerdings nicht zertifizieren ließen, da der gewonnene Wein nach dem Prinzip "Klasse statt Masse" nicht der Öffentlichkeit, sondern nur den Mitgliedern verkauft wird, was ein Bio-Siegel überflüssig macht. Und auch für das Blütenwegfest sind die Bürgerwingerte ein Aushängeschild – und das soll nach langer Pandemie-Pause im kommenden Jahr wieder stattfinden, kündigte Just an.
Info: Die drei Bürgerwingerte suchen stets weitere Helfer: Kontakt über Telefon 06201/2595890 oder E-Mail an kontakt@bluehende-bergstraße.