Besucher strömten in Weinheims Hildebrandsche Mühle
Alte Unternehmervilla war am "Tag des offenen Denkmals" letztmalig zu besichtigen - Gelände schon im 15. Jahrhundert genutzt

Weinheim. (nip) Die Unternehmervilla auf dem Areal der Hildebrandschen Mühle war jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben und könnte im Moment durchaus als Kulisse für einen Gruselfilm dienen. Tapeten lösen sich von den Wänden, Spinnweben beherrschen das Treppenhaus und im ersten Obergeschoss tragen die Böden schwer an Wasserflecken. Das ist die eine Seite. Wenn man genauer hinsieht, gibt das rund 1200 Quadratmeter große Gebäude aber auch seine Schönheiten preis, mit denen Kommerzienrat Georg Hildebrand den Familiensitz ausstatten ließ.
"Die Hildebrands haben feudal gewohnt", erklärt Karl Kaffenberger, der von der Wiesbadener Firma "Deutsche Denkmal AG" beauftragte Architekt. Der Bauträger und Investor lässt auf einer Fläche von 5800 Quadratmetern neue Wohnungen entstehen; die Bauarbeiten haben am 17. Juli begonnen und nun, so informiert Verkaufsleiter Uwe Franz Grudner, sei das wohl definitiv die letzte Gelegenheit für die Öffentlichkeit, die Villa zu besichtigen.
So war am "Tag des offenen Denkmals", diesmal unter dem Motto "Jenseits des Guten und Schönen - unbequeme Denkmale?", der Andrang denn auch riesig in der alten Villa, der die Denkmal AG mit "Behutsamkeit und Respekt" neues Leben verleihen will, wie Grudner erklärte.
Das Statikkonzept für den benachbarten Siloturm sei fast fertig; der Turm wird entkernt und danach ein zweiter Turm aus Stahl und Beton für Wohnzwecke errichtet. Rund 23 Millionen Euro will der Investor in das Sahnestückchen an der Birkenauer Talstraße stecken. Das Interesse an den insgesamt 60 Wohnungen, davon fünf in der alten Villa, sei riesengroß, meinte der Verkaufsleiter. Im ersten Obergeschoss - das zweite ist wegen Baufälligkeit nicht zu betreten -, musste sich der Architekt angesichts der wartenden Menschenmassen äußerst kurz fassen und konnte die Historie nur knapp streifen.
Die erste urkundliche Erwähnung als Gründung des Klosters Lorsch findet sich im 15. Jahrhundert. Das Stauwehr und der Mühlenkanal stammen aus dem Jahr 1465 und sind noch heute zur Stromerzeugung erhalten. 1845 erwarben die Brüder Heinrich und Louis Hildebrand, beide aus einem Wormser Müllergeschlecht, das Anwesen. Die Villa wurde 1882 gebaut; große Teile ihrer Ausstattung sind heute noch erhalten. Das gilt für wundervolle Böden und für eine einzigartige Decke mit Intarsien und filigran geschnitzten Figuren. Das gilt aber auch für Wandfresken in Rot und Grün, die einen deutlichen Kontrast zu Tapeten aus den 1950er und 1960er Jahren bilden.
Das Projekt "Wohnbebauung" im gehobenen Stil findet eine Weinheimerin in Ordnung: "Wenn man dadurch die Villa erhalten kann. Die stand so lange leer, ist echt schade drum." Sie war vor 40 Jahren das letzte Mal in den unteren Zimmern, wo später Büros, Lager- und Sanitärräume untergebracht waren. "Das Ganze ist eine gute Idee, unbedingt besser als hier ein Bordell einzurichten", erinnerte eine Birkenauerin an frühere Pläne eines anderen Investors, gegen die vor allem die Bürgerinitiative "Bündnis für Weinheim" mobil gemacht hatte.
Die verschiedenen Anlagen aus Holz, die zwischen Silo und Villa standen, habe man bereits abgerissen. Sie seien baufällig und nicht mehr zu retten gewesen, sagte Architekt Kaffenberger. Neben der Unternehmervilla waren noch weitere Kulturdenkmäler an diesem Tag zu besichtigen, darunter auch die Ulner'sche Kapelle nach ihrer Sanierung.