Künstlerin macht auf schlechte Haltungsbedingungen aufmerksam
"Das Herz im Sinne der Tiere öffnen": Künstlerin Gudrun Schön-Stoll will mit ihrer Aktion "Sieh mich an" etwas bewirken. Die Ausstellung läuft noch bis 1. Juli.

Ladenburg. (stu) Sollte man einer Künstlerin, die sich aus Überzeugung vegan ernährt, anbieten, für ein Kunstprojekt eine Kuh bunt anzumalen? Unglücklich war das Angebot sicherlich, als Gudrun Schön-Stoll 2006 gefragt wurde, ob sie sich an der Benefiz-Aktion "Ku(h)nst" vom Hegehof beteiligen wolle.
"Natürlich lehnte ich ab – ich male doch keine Kühe an", erzählte Schön-Stoll der RNZ. Auch Dieter Hege, der die Aktion initiierte und Tausende Euro für die Kinderkrebshilfe "Waldpiraten" einsammelte, hatte für die Sichtweise der Künstlerin Verständnis. Der Wunsch, Schön-Stoll für dieses Projekt weiterhin zu gewinnen, war trotz ihrer Absage groß. So bemühte sich auch der damalige Bürgermeister Rainer Ziegler, dass die Aktion, die unter der Schirmherrschaft des Baden-Württembergischen Landwirtschaftsministeriums stand, von Schön-Stoll unterstützt wird. Nach langer Überlegung willigte die Künstlerin ein. Ein Tier einfach bunt zu bemalen, kam für sie aber weiterhin nicht in Frage.
Sie wollte die lebensgroße Kunststoff-Kuh mit einer Botschaft ausstellen, die sich kritisch mit dem hohen Fleischkonsum, Tiertransporten und Massentierhaltung auseinandersetzen sollte. Ihr Vorschlag zur Thematik "menschlicher Umgang mit Tieren" wurde vom Initiator Dieter Hege zwar akzeptiert, aber das Landwirtschaftsministerium lehnte als Schirmherr die kritischen Betrachtungen ab. "Das Ku(h)nst-Projekt war für mich daher gestorben", erinnerte Schön-Stoll bei der Eröffnung ihrer Ausstellung "Sieh mich an" in ihrem Kunstraum in der Kirchenstraße 47 an die Sichtweise des damaligen Landwirtschaftsministers Peter Hauk. Das Thema sei nach 17 Jahren immer noch problematisch, meinte die Künstlerin, die damals wie heute "sanft provozieren" will.
Weil sie nun auch finanziell in der Lage ist, das Thema erneut aufzugreifen, entstand eine Ausstellung, "die schwere Kost ist", wie Schön-Stoll den zahlreich anwesenden Gästen erläuterte. Verbessert habe sich beim Thema Tierwohl trotz einiger Gesetzänderungen nicht viel. Nach wie vor würden Großschlachtbetriebe wie Tönnies in Nordrhein-Westfalen den Markt bestimmen. Das Schreddern von Küken ist in Deutschland zwar verboten, dafür werden die Tiere ins Ausland gefahren, um dort geschreddert zu werden.
Die Entwicklung sei für die Familie Schön-Stoll kaum zu ertragen. Daher verzichten die Tierliebhaber bewusst auf den Verzehr von Fleisch und essen auch keine tierischen Produkte. Für die Künstlerin sei das eine Lebenseinstellung, und es ist ihr wichtig, mit ihrem künstlerischen Versuch den Tieren eine Stimme zu geben.
Nutztiere würden immer mehr zur "seelenlosen Ware degradiert". Erschreckend sei, dass 97 Prozent der Schlachttiere aus der Massentierhaltung kommen. "Es besteht die absolute Notwendigkeit eines Umdenkens", brachte es Schön-Stoll auf den Punkt. "So lange es Schlachthäuser gibt, wird es Schlachtfelder geben", zog sie ein Tolstoi-Zitat heran, das ihr aus dem Herzen spräche.
Bei der Gestaltung der Ausstellung versuchte sich die Künstlerin vorzustellen, was die in Lkw eingepferchten Kälber mitteilen würden, wenn sie in die Schlachthäuser gefahren werden. "Sieh mich an", nennt Schön-Stoll die Botschaft, denn für die Künstlerin sind die Augen der Tiere "das Tor zur Seele". Auf die themenbezogene Arbeit zeichnete sie außerdem ein Fleischernetz auf, um zu dokumentieren, dass Nutztiere nicht als eigene Kreatur, sondern nur als nutzbares Fleisch eingeordnet werden. So gilt das Filet des Rindes als das beste Stück, während Fleischteile aus dem Vorder-Bug als Schmorbraten oder für die Wurstherstellung zum Einsatz kommen.
Bereichert wird die Ausstellung mit eindrucksvollen poetischen Texten, die an den Wänden zu lesen sind. "Sieh mich an. Zum Tode verurteilt stehe ich hier vor Dir. Kenne weder Vater noch Mutter. Bin geboren worden, um für Dich zu sterben. Was geht in Dir vor, wenn Du mich und meinesgleichen siehst?", versetzte sich Schön-Stoll in die letzten Stunden eines Kälbchens, das bald geschlachtet werden soll.
Ira Stoll interpretierte mit einem beeindruckenden Geigenstück den Leidensweg eines Tieres, das zur Schlachtbank gebracht wird. Auch die Ärztin ist der Meinung, dass die Fleischgenießer sich zumindest daran erinnern sollten, dass das geschlachtete Tier ein Opfer ist.
Schön-Stoll betonte, dass es ihr fernliege, jemandem ein schlechtes Gewissen machen zu wollen. Daher habe sie bewusst keine Bilder von geschundenen Tieren gemalt oder gezeigt. "Ich gebe aber freimütig zu, Ihr Herz im Sinne der Tiere mit meiner Kunstaktion öffnen zu wollen. Das wäre einfach wunderbar."
Info: Die Ausstellung "Sieh mich an" im Kunstraum in der Kirchenstraße 47 ist noch bis Samstag, 1. Juli, zu sehen. Öffnungszeiten finden sich unter www.schoenstoll.de.