"Günda" ermittelt auch ohne Mordfall
Lesung aus Töpels neuen Mundart-Krimi "Männas!" in der Buchhandlung Dörner in Wiesloch

Arnim Töpel stellte in der Wieslocher Buchhandlung Dörner seinen neuen Mundart-Krimi "Männas" vor. Foto: Jan A. Pfeifer
Von Anton Ottmann
Wiesloch. Um zu Ruhm, Ehre und an Zuschüsse zu kommen, will sich Glickerbach, der Prototyp eines Kurpfälzer Städtchens, zur "Fahrradstadt" mausern und plant deshalb einen entsprechenden Weg zum benachbarten Fußheim, mit dem man in langjähriger gegenseitiger Geringschätzung verbunden ist. Wer die Kurpfälzer kennt, weiß, dass dies nicht so einfach zu bewältigen sein wird. Schließlich gibt es nicht nur begeisterte Radfahrer und E-Biker, sondern auch Anwohner, vor deren Haustür der vermutlich einmal stark frequentierte Fahrradweg vorbeiführen wird. In der Hitze des Gefechts fallen da schon mal Worte wie: "Isch mach der glei die Krutz nunner", was streng genommen einer Morddrohung gleichkommt. Das ist auch der Grund, warum sich die örtliche SOKO unter Leitung des "Tschiefs Günda" der Sache annimmt. Zur Seite steht ihm Fritjof Freese, der im Gegensatz zum Kommissar des Kurpfälzischen nicht mächtig ist und deshalb von den Einheimischen "Herr Annerschta" genannt wird.
Arnim Töpel, Musik-Kabarettist, ehemaliger Fernsehmoderator und Radio-Talker, stellte dieser Tage in der bis auf den letzten Platz besetzten Wieslocher Buchhandlung Dörner sein fünftes und neustes Buch über die Zustände in Glickerbach vor. In "Männas!" ermitteln "Tschief Günda" und sein Assistent Freese dieses Mal allerdings nicht in einem Mordfall. Trotz vielfältigem Bemühen kommen sie überhaupt keinem Verbrechen auf die Spur, obwohl neben der Fahrradgeschichte auch Cannabis-Anpflanzung und -Genuss ein Thema sind.
Das erfährt das Publikum von dem etwas anderen Krimi-Autor aus Walldorf schon zu Beginn seiner Lesung. Es geht ihm nämlich überhaupt nicht um das Verbrechen an sich, sondern alleine um die Menschen, die in das Geschehen verwickelt sind, wie sie miteinander umgehen, und vor allem, wie sie miteinander sprechen. Und so erklärt Günda seinem Assistenten, dass die Glickerbacher vor ihm "Engschd" (Angst) "häwe", weil, "wer houchdeitsch schwätzt wie du, der babbelt halt voll brutaal".
Freese erfährt weiter, obwohl er nicht viel damit anfangen kann, dass für einen Kurpfälzer "Dabbes, Säftl und Hannebambel" im Prinzip zwar Beleidigungen sind, aber je nachdem, wie und zu welcher Gelegenheit sie verwendet werden, durchaus auch als Kompliment und Wertschätzung aufzufassen sind. Und wenn der karrieregeile Axel Kornfeld, genannt "Weize", allen Ernstes erklärt, dass der "Tschief" "Probläme em Deetz" oder "em Hernkaschte hot", mit anderen Worten "em Kopf gedatscht isch", dann ist der des Kurpfälzischen mächtige Zuhörer stolz auf seine reichhaltige und blumige Sprache und kann sich über den aus dem fernen Osten oder Norden Deutschlands zugezogenen Nachbarn, der fassungslos den Kopf schüttelt, nur amüsieren.
Töpel, der selbst ein feines, schön artikuliertes akzent- und dialektfreies Deutsch spricht, ist ein großer Verteidiger des Kurpfälzer Dialekts. Er sieht ihn bedroht durch die veränderte Berufswelt, die Mobilität und der Durchmischung der Menschen, vor allem weil er keine öffentlichkeitswirksamen Repräsentanten mehr hat. Mit einer Ausnahme: Die vergangenes Jahr verstorbene Joy Fleming, die ihm mit dem "Neckarbrücken-Blues" ein Denkmal gesetzt hat.
"Dialekt ist unverblümt und wahrhaftig", schreibt Töpel in einem RNZ-Artikel. Er sei die Sprache des Herzens, emotionaler, persönlicher und direkter als die Hochsprache. Schon allein um der Vielfalt der Laute willen sollte die Mundart erhalten werden: So gebe es im Kurpfälzischen 26 Variationen von "o" und in der Silbe "unn?" steckten Fatalismus, Kraft und Verzweiflung gleichermaßen.
Töpel versteht es, mit Herzblut das Gesagte auch umzusetzen. Da bringt er so wunderbar lautmalerische Sätze hervor wie: "Isch häb koan Ranze, awer de Glaus hot eener" oder "Hosch du net ao ä E-Bike?", erklärt Utznamen wie "de Odder-Odder" und erweckt fast vergessene Mundart-Wörter zu neuem Leben wie "d’Orschl" (für ein einfältiges Mädchen). Wer das Spiel der Laute ganz bewusst wahrnimmt, erkennt im Kurpfälzischen auch viel Musikalisches. Und wenn Töpel am elektrischen Piano sitzt und "Mach de Babbe net struwelisch – un halt doch aomol die Schnud" singt, spätestens dann hat der Zuhörer verstanden, dass Kurpfälzisch und Musik zusammengehören.
Info: Arnim Töpel: "Männas!", 240 Seiten, 12,90 Euro. Erhältlich in den Geschäftsstellen der RNZ und im Buchhandel.



