Betrug mit Rezepten flog nur durch Zufall auf
Die Mitarbeiterin einer Apotheke und ihr Sohn ergaunerten insgesamt 44.000 Euro.

Symbolfoto: Uli Deck/dpa
Region Heidelberg. (lew) Eine 74-jährige ehemalige Mitarbeiterin einer Apotheke im Steinachtal sowie ihr 54-jähriger Sohn sind am Dienstagmorgen vor dem Amtsgericht Heidelberg zu einem Jahr beziehungsweise einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Wie Richterin Walburga Englert-Biedert feststellte, haben sich die beiden des gemeinschaftlichen Betrugs im besonders schweren Fall in 63 einzelnen Taten schuldig gemacht.
Zwischen 2014 und 2018 hat sich der 54-Jährige, der unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, bei verschiedenen Ärzten Rezepte verschreiben lassen, die er sich in der Apotheke von seiner Mutter quittieren ließ. Obwohl die Medikamente danach die Apotheke nie verließen, wurden die Rezepte vom Sohn bei der Versicherung eingereicht. Alle 63 Fälle zusammengerechnet, ergab sich somit ein Betrag von rund 44.300 Euro, die sich der 54-Jährige von seiner privaten Krankenversicherung rückerstatten ließ.
Wie ein Betrugssachverständiger der Versicherung als Zeuge aussagte, flog die Betrugsmasche nur durch einen Zufall auf. Weil bei einigen der eingereichten Rezepte die Apothekennummer fehlte und es zum Teil Unstimmigkeiten bei der Pharmazentralnummer (PZN) gab, habe die Versicherung die Rezepte routinemäßig genauer unter die Lupe genommen. Das volle Ausmaß des Betrugs habe sich dann erst im Kontakt mit der Inhaberin der Apotheke herausgestellt.
Letztere sagte ebenfalls als Zeugin aus und berichtete, dass sie aus allen Wolken gefallen sei, als sie von dem Betrug erfahren habe. Erstmals von der Sache Wind bekommen habe sie durch ein Fax der Versicherung. In Rücksprache mit deren Betrugsabteilung konfrontierte sie ihre Mitarbeiterin aber nicht direkt mit den Vorwürfen. Dieses Gespräch habe sie erst geführt, nachdem sie ihre Zeugenladung im Briefkasten hatte. Der Arbeitsvertrag mit der 74-Jährigen, "meiner ältesten Mitarbeiterin, die immer gut gearbeitet hat", sei inzwischen aufgelöst worden. Die 74-Jährige habe sich ihr gegenüber mehrfach entschuldigt und dabei betont, dass sie nur ihrem Sohn wegen dessen finanzieller Engpässe habe helfen wollen.
Der 54-jährige gelernte Industriekaufmann war nach eigenen Angaben seit Mitte der 90er-Jahre selbstständig tätig und arbeitete zuletzt in einem Heidelberger Hotel. Zweimal, 2009 und 2011, sei er auf dem Nachhauseweg von der Arbeit überfallen worden. Beim zweiten Mal habe er mehrere Knochenbrüche im Gesicht erlitten und seine berufliche Tätigkeit anschließend nicht mehr fortsetzen können. Seit 2012 lebe er von einer Berufsunfähigkeits-Rente in Höhe von etwa 1600 Euro. Von diesem Geld müsse er eine Miete von 700 Euro sowie knapp 600 Euro Unterhaltskosten für seine zwei Kinder zahlen. Das Rentengeld habe nicht gereicht, um die monatlichen Kosten zu decken. Mieteinnahmen aus einer Wohnung in Heidelberg seien zuletzt Corona-bedingt ins Stocken geraten.
Beide Angeklagte zeigten sich geständig und räumten ein, die Betrugsmasche über Jahre gemeinsam durchgezogen zu haben. Und zwar bis die 74-jährige Mutter im Jahr 2018, nach eigenen Worten "geplagt vom schlechten Gewissen", einen Schlussstrich gezogen habe. "Was ich gemacht habe, tut mir sehr sehr leid", betonte die 74-Jährige. Und auch ihr Sohn ließ über seinen Verteidiger mitteilen, dass er den Betrug bedauere.
Beim Strafmaß, so erklärte es Richterin Englert-Biedert, habe man dieses Schuldeingeständnis genauso berücksichtigt wie die Tatsache, dass beide Angeklagte zuvor ohne Einträge im Bundeszentralregister waren. Das Strafmaß sehe für einen solchen Betrug im besonders schweren Fall eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor. Insofern seien die beiden noch gut weggekommen. Sowohl die 74-jährige Mutter als auch ihr 54-jähriger Sohn erklärten, das Urteil zu akzeptieren und nicht dagegen in Berufung zu gehen.