Plus Rehkitzrettung Buchen

Tanita Hemberger sucht im Sommer jeden Morgen die Wiesen ab

Lebensretterin im Ehrenamt: Die 29-Jährige engagiert sich beim Verein Rehkitzrettung Buchen.

07.12.2022 UPDATE: 07.12.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 34 Sekunden
Tanita Hemberger engagiert sich beim Verein Rehkitzrettung Buchen. Foto: privat

Von Andreas Hanel

Buchen. Wenn morgens um 3.30 Uhr der Wecker klingelt, denkt man schon manchmal: ,oh, nee.‘ Aber wenn man dann am Ende des Tages weiß, dass man einem Rehkitz das Leben gerettet hat, entschädigt das für alles", meint Tanita Hemberger aus Buchen. Die 29-jährige medizinisch-technische Radiologie-Assistentin engagiert sich im Verein Rehkitzrettung Buchen, dessen Mitglieder um die Vorsitzende Angela Müller kleine Kitze vor dem Tod durch landwirtschaftliche Mäharbeiten bewahren.

Hintergrund

Wer die Arbeit der Rehkitzrettung Buchen unterstützen will, kann entweder selbst mitmachen (Kontakt: Angela Müller, Tel. 0151/61496990, E-Mail: kontakt@rehkitzrettung-buchen.de)

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Wer die Arbeit der Rehkitzrettung Buchen unterstützen will, kann entweder selbst mitmachen (Kontakt: Angela Müller, Tel. 0151/61496990, E-Mail: kontakt@rehkitzrettung-buchen.de) oder an folgendes Konto spenden: Rehkitzrettung Buchen e.V., IBAN: DE30.6745.0048.1001.6522 11. Eine Spendenbescheinigung kann auf Wunsch ausgestellt werden. Zudem kann man den Verein noch über das Projekt "Viele schaffen mehr" der Volksbank Franken bei der Anschaffung einer weiteren Drohne unterstützen. Weiteres dazu gibt es unter www.viele-schaffen-mehr.de/projekte/drohnentechnik-rehkitzrettung 

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Während also andere noch schlafend im Bett liegen, heißt es für Tanita Hemberger im Sommer mitten in der Nacht: raus aus den Federn, rein in die Klamotten und auf zu den Wiesenflächen in der näheren und auch weiteren Umgebung. Wenn diese zwischen Mai und Juli gemäht werden, bedeutet das für viele Rehkitze oft den sicheren Tod, da sie im Gras liegend von den Landwirten übersehen werden. Doch warum rennen die Kitz nicht einfach davon? "Kitze entwickeln erst nach zwei, drei Wochen einen Fluchtinstinkt", erklärt die 29-Jährige. Egal wie groß und laut also die landwirtschaftlichen Maschinen sind – die Kitze bleiben unbekümmert im hohen Gras liegen.

Um die kleinen Tiere vor dem oft qualvollen Tod zu retten, ist Tanita Hemberger mit ihren Mitstreitern in den Sommermonaten morgens von etwa 4 bis 9 Uhr auf den Wiesen rund um Buchen unterwegs. Und das sieben Tage in der Woche. Danach geht es für die Buchenerin ins Krankenhaus zu ihrem "normalen" Job. "Ich bin so gut wie immer dabei. Das sind schon Fulltime-Wochen, die man während der Sommermonate abreißt", meint sie. Aber es lohnt sich.

Doch warum findet die Rehkitzrettung überhaupt so früh statt? Der Grund ist, dass es morgens noch kühl ist. Denn für die Rehkitzrettung kommen Drohnen zum Einsatz. Ohne technische Unterstützung sind die kleinen Tiere nur schwer auffindbar – weshalb sie auch so oft von den Landwirten übersehen werden. Doch zurück zu den Drohnen. "Die haben nämlich eine Wärmebildkamera an Bord", erklärt Tanita Hemberger. "Da tagsüber der Boden zu warm wird und die Kitze nicht mehr auf der Wärmebildkamera von der Umgebung zu unterscheiden sind, müssen wir vor Sonnenaufgang los."

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Manchmal, wenn es schon zu warm für die Spezialkamera ist, bilden die Tierretter eine Kette und suchen dann so die Wiesen ab. "Zu Fuß die Kitze zu finden, ist extrem schwer." Und außerdem ist hierbei äußerste Vorsicht geboten. Denn "wenn du die Kitze nicht siehst, trittst du drauf".

Wenn die Retter ein kleines Reh im hohen Gras entdeckt haben, geht es an die Rettungsaktion: Dazu heißt es zunächst einmal: Handschuhe anziehen. Die sind wichtig, "damit das Kitz, wenn wir es anfassen, geruchsneutral bleibt und nicht nach Mensch riecht", erklärt Tanita Hemberger. So kann es dann hinterher weniger leicht von seinen Fressfeinden gefunden werden. Und außerdem kann es sein, dass die Ricke, also die Rehmutter, ansonsten das Kitz nicht mehr annimmt.

Zu den Handschuhen nehmen die Tierretter noch Gras in die Hand, um dadurch die Kitze noch mehr zu schützen. Dann wird das Rehbaby vorsichtig aufgehoben und in eine große Box gelegt, die ebenfalls mit Gras ausgelegt ist.

Da kommt es oft vor, "dass das Kitz schreit, wenn wir es in die Box legen", berichtet die 29-Jährige. "Oft ist die Ricke ganz nah und wir können beobachten, dass sich das Kitz und die Ricke rufen. Es ist auch schon vorgekommen, dass die Mutter uns beobachtet hat und hin- und hergelaufen ist." Das ist nicht ganz ungefährlich, denn schließlich will ja die Ricke ihr Kleines verteidigen. "Einmal standen wir im meterhohen Gras. Auf einmal habe ich eine Ricke schnauben und scharren gehört. Da habe ich gedacht: Jetzt kriege ich eine ab. Aber zum Glück ist alles gut gegangen. Dennoch hat man natürlich Respekt."

Die Box mit dem Kitz wird dann an den Wiesenrand an einen geschützten und schattigen Ort getragen. "Außerdem stellen wir noch ein Schild mit der Aufschrift ,Bitte nicht anfassen‘ auf", erklärt Tanita Hemberger. Die Kitze bleiben maximal vier Stunden in der Box.

Wenn die Wiese gemäht ist, wird das Kitz dann wieder im Wald ausgesetzt, wo es von der Mutter wieder gefunden wird. "Auf der Wiese können wir das Kitz nicht aussetzen, da es hier vollkommen ungeschützt ist."

Mit ihren Rettungstaten haben Tanita Hemberger und ihre Mitstreiter allein in diesem Jahr schon über 120 Kitze vor einem schrecklichen Tod gerettet.

"Am schlimmsten ist es, wenn die Kitze angemäht werden und schwer verletzt elendig verenden", sagt die 29-Jährige. "Das ist alles menschengemachtes Leid." Ein totes Kitz hat sie selbst noch nicht gesehen – "zum Glück!"

Dabei ist Tanita Hemberger schon seit den Anfängen im Jahr 2020 dabei. Als ihre Freundin Angela Müller bei der Vereinsgründung fragte, ob sie mitmachen wollte, musste sie nicht lange überlegen. "Ich hatte schon immer etwas für Tiere übrig. Wenn es nötig ist, helfe ich immer." So hat sie zum Beispiel bereits eine Krähe und eine Babymaus aufgezogen. Und natürlich hat sie selbst auch Tiere. "Drei Katzen vom Tierschutz und einen Chihuahua namens Pippa. Der war total scheu und verängstigt. Den musste ich nehmen." Drei Jahre ist der Hund inzwischen bei ihr. "Ich kann mir keinen besseren vorstellen."

Und die Rehkitze sind ihr natürlich auch ans Herz gewachsen. Auch wenn der zeitliche Aufwand enorm hoch ist. "Für Berufstätige ist es schwer, alles unter einen Hut zu bekommen." Vor allem, da es morgens nicht nur früh raus, sondern abends auch oft spät wieder ins Bett geht. Mäht ein Landwirt morgen oder nicht? Das ist dann oft die Frage.

Apropos Landwirt: "Die Zusammenarbeit mit ihnen ist wirklich gut", erklärt Tanita Hemberger. "Die Landwirte sind froh über unsere Arbeit." Denn schließlich wollen sie ja auch nicht, dass durch ihre Mähmaschinen Kitze ums Leben kommen.

Und wie geht es weiter? Tanita Hemberger ist ja inzwischen ein "alter Hase" in Sachen Rehkitzrettung und hat schon einiges an Erfahrung. "Die Gruppen sind oft komplett neu zusammengewürfelt", sagt sie. Da muss sie dann die Neulinge einlernen. Oder die Drohne steuern, für die sie inzwischen den Führerschein hat. "Da hat man einiges an Verantwortung", meint sie, denn schließlich liegt so eine Drohne im hohen vierstelligen Bereich.

Aber Verantwortung zu übernehmen, damit kennt sich Tanita Hemberger aus – sowohl gegenüber Menschen in ihrem Job im Krankenhaus als auch gegenüber Tieren bei ihrem Ehrenamt als Rehkitzretterin.


Wichtige Tipps für den Fall, dass man ein Kitz entdeckt

1. Rehkitze liegen oft allein in der Deckung in Wiesen oder Wäldern – und das oft stundenlang. Das ist ganz normal und stellt keine Notlage dar. Hier muss man das Kitz also nicht unnötig stören. Die Ricke kommt mehrmals am Tag vorbei, um das Kitz zu säugen, und entfernt sich dann wieder.

2. Rehkitze bleiben in den ersten zwei Wochen ihres Lebens liegen und flüchten nicht, selbst wenn ein Mensch oder Hund vor ihnen steht. Der Fluchtinstinkt bildet sich bei ihnen erst danach aus.

3. Das Kitz keinesfalls berühren oder sogar streicheln, denn der anhaftende menschliche Geruch würde die Ricke irritieren, so dass sie im schlimmsten Fall das eigene Rehkitz verstößt. Das wäre tragisch und gleichzeitig ein Todesurteil für das Rehkitz.

4. Hunde sofort wegnehmen und den ruhigen Rückzug antreten. Die Ricke verfolgt das Geschehen aus sicherer Entfernung und wird sich nähern, sobald Mensch und Hund den Ort verlassen haben.

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