Obrigheim/Aglasterhausen

So sah das KZ-Außenlager Asbach/Daudenzell aus

Manche Funde werfen Fragen auf. Ein Sammelband für die Bevölkerung ist geplant.

07.06.2022 UPDATE: 08.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden
Alle Geheimnisse hat das ehemalige KZ-Außenlager im Hönigwald noch nicht preisgegeben. Dennoch haben der Archäologe Attila Dézsi (2. v. r.) und seine Mitarbeitenden einige neue Erkenntnisse gewinnen können. Archivfoto: Noemi Girgla

Von Noemi Girgla

Asbach/Daudenzell. Versteckt im Hönigwald auf Gemarkung von Asbach und Daudenzell liegen Überreste eines Komplexes aus einer dunklen Zeit der deutschen Geschichte. 40 sogenannte Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Elsass befanden sich auf der rechten Rheinseite, darunter sechs "Neckarlager", von denen vier im Altkreis Mosbach zu verorten sind: eines in Neckargerach, zwei in Neckarelz und eben jenes im Hönigwald. Alle sind sie dem "Goldfisch"-Komplex der Firma Daimler zuzuordnen. Das Lager Asbach/Daudenzell wurde von einem KZ-Baukommando aus Neckarelz und/oder Neckargerach errichtet und sollte nach seiner Fertigstellung zu einer Sammelunterkunft für Ost-Arbeiter der Firma Daimler werden.

Das Landesamt für Denkmalpflege hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Lager zu lokalisieren. Denn trotz schriftlicher Quellen ist nicht immer ganz geklärt, wo genau sie sich befanden. Rund 40 Prozent von ihnen sind komplett über- bzw. umgebaut. Das ist im Hönigwald nicht der Fall. "Es ist noch so, wie als die Arbeiter damals den Spaten niedergelegt haben", beschreibt der Archäologe Attila Dézsi vom Landesdenkmalamt die Fundsituation. Auch wenn natürlich einige herumliegende Baumaterialien "recycelt", also abgetragen und für den Wiederaufbau verwendet wurden.

Im vergangenen Jahr unternahm Dézsi mit einigen Studierenden der Universität Tübingen einen "Survey", eine Oberflächenbegehung, um historische Fundstücke zu sichern, sowie Vermessungsarbeiten und eine Metalldetektorbegehung auf dem ehemaligen KZ-Außenlager-Gelände. Vergangene Woche war es an der Zeit, bei zwei Vortragsabenden in Asbach und Aglasterhausen die vorläufigen Ergebnisse zu präsentieren.

Neben den Bürgermeistern Achim Walter (Obrigheim) und Stefan Kron (Aglasterhausen) hatten sich an einem Vortragsabend auch die Leiterin der KZ-Gedenkstelle Neckarelz, Dorothee Roos, sowie zwei Zeitzeugen unter das (auffallend junge) Publikum gemischt und trugen zu einer lebhaften Diskussion bei.

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Dem Landesdenkmalamt lagen bislang drei unterschiedliche Baupläne des Daimler-Architekten Eugen Kiemle sowie eine Luftbildaufnahme des Lagers vom März 1945 vor. Auf den Plänen variiert die Gebäudeanzahl zwischen 36 und 30, auf der Aufnahme sind 20 Baracken zu erkennen. "Sicher gefunden haben wir etwas über 20 Gebäude", erläuterte Dézsi, der bemerkte, dass deren Lage nicht gänzlich mit den Plänen übereinstimme.

Dabei unterschieden die Archäologen in vier Gebäudetypen: Erdplateaus ohne Fundamente, die vermutlich der Vorbereitung des Baus dienten, Abortgebäude mit tiefen Gruben und einer Art Sickergrube, einer Großbaracke, die eventuell als Essenausgabe gedient haben könnte, und "Sonderbefunden". In die letzte Kategorie fallen mögliche Waschbaracken, über die jedoch keine Berichte erhalten sind, sowie ein Trafo- oder Pumphaus. "Nicht alle Funktionen sind bislang eindeutig geklärt", gab Dézsi zu bedenken.

Auch die rund 140 Kleinfunde an der Oberfläche geben so manches Rätsel auf. Nicht alle gelten als "gesicherter Befund", sprich: Man weiß nicht, ob sie zu Zeiten des Lagers oder erst im Nachhinein an Ort und Stelle kamen. Die Existenz einiger Dachziegel mit dem Aufdruck "DRP Aglasterhausen" deckt sich jedoch mit Angaben aus damaliger Zeit. So berichtete ein Häftling, dass im Winter mittels Schlitten Ziegel durch den Schnee transportiert wurden. Zusätzlich gibt es Berichte, dass Familien aus Aglasterhausen verpflichtet wurden, Ziegel zum Lager zu bringen.

Unter den zahlreichen Kleinfunden befanden sich laut Dézsi auch persönliche Gegenstände wie Knöpfe, eine kleine Namenstafel, ein Rasierpinsel sowie ein Emaille-Becher, der einen Hund und ein kleines Männchen mit Hut zeigt. Aber auch einige Werkzeuge und eine Schreibmaschinentaste, die auf ein Verwaltungsgebäude hindeutet. Etwas ratlos stehen die Zuständigen vor dem Fund mehrerer Zahnpastatuben mit französischer Aufschrift sowie der Präsenz von auffallend viel Gewehrmunition. Könnte diese aus den letzten Kriegstagen stammen?

Die Gegenstände werden derzeit restauriert, und Attila Dézsi steckt nun in der Publikation seiner Ergebnisse. Neben einigen Artikeln für Fachmagazine ist die Herausgabe eines Sammelbandes zu den KZ-Außenlagern geplant. "Für die Bevölkerung", betont der Archäologe, dem es wichtig ist, dass auch Nicht-Historiker über die Geschichte des eigenen Ortes ins Bild gesetzt werden.

Wie es im Hönigwald weitergeht, dazu lässt sich noch keine Aussage treffen. Das Areal steht unter Denkmalschutz; ob eine archäologische Ausgrabung unternommen werden sollte, ist umstritten. Damit könnten zwar neue Erkenntnisse erlangt werden, doch bringt ein solcher Eingriff auch immer eine partielle Zerstörung mit sich. Und die Frage nach der Finanzierung steht ebenfalls im Raum.

Bis eine Entscheidung gefällt wird, verbleibt das ehemalige KZ-Außenlager in seinem jetzigen Zustand im Wald – und bewahrt wohl noch das ein oder andere Geheimnis einer Zeit, deren Aufarbeitung auch nach 77 Jahren noch lange nicht abgeschlossen ist.

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