Lehrstellenbörse

Nie waren die Chancen für Bewerber besser

Ein Fazit der Lehrstellenbörse der Überbetrieblichen Ausbildungswerkstätte: Junge Menschen können sich inzwischen den Betrieb aussuchen.

27.06.2022 UPDATE: 28.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Gleich 36 Firmen und Institutionen stellten sich und ihre beruflichen Möglichkeiten bei der Lehrstellenbörse der ÜAB in Buchen vor. Foto: Adrian Brosch

Buchen. (adb) Nicht weniger als 36 Firmen und Institutionen präsentierten sich und ihre Ausbildungs- und Praktikumsmöglichkeiten am Samstag bei der Lehrstellenbörse der Überbetrieblichen Ausbildungswerkstätte Buchen (ÜAB).

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hatte die ÜAB eingeladen – aus gutem Grund: "Die derzeitige Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist sehr angespannt", betonte Geschäftsführer Stefan Kempf und sprach von "im negativen Sinne unglaublichen Werten". Ohnehin gäbe es ungleich mehr Stellen als Bewerber, doch wurden im laufenden Jahr bisher nochmals 20 Prozent weniger Lehrverträge als im Vorjahreszeitraum unterschrieben.

"Nahezu zwei Drittel der Ausbildungsstellen für 2022 sind im technisch-gewerblichen Bereich noch nicht besetzt – und im kaufmännischen Segment sieht es kaum besser aus", bedauerte Kempf beim Rundgang über die Messe. "Wir haben einfach keine Bewerber – und niemand weiß, wo die jungen Leute sind. Man fragt sich zuweilen fast schon, ob sie zuhause vor der Spielkonsole sitzen", betonte er.

Unternehmen und potenzielle Azubis kamen ins Gespräch. Foto: Adrian Brosch

Parallel dazu befänden sich die Schülerzahlen in einer stetigen Abwärtsspirale, was auf Zukunft gesehen zum Problem werden könne: "Gewerbeschulen laufen vielerorts akut Gefahr, mangels Anmeldungen verschiedene Berufsschulklassen zu verlieren", merkte Kempf an. Grundsätzlich sei die Situation nicht neu, betraf aber bislang eher vereinzelte Berufe. "Es geht nun in die Breite über, was gegenwärtig bei den Mechatronikern und Werkzeugmechanikern schon spürbar ist. Lediglich die Elektroberufe sind noch recht gefragt bei stabilen Anmeldezahlen", signalisierte er.

Eine gewisse Tragik ergebe das Bild vor allem hinsichtlich der an sich günstigen Ausgangssituation: "Es gab noch nie zuvor so gute Chancen, seine Karriere zu starten. Wer sich heute für eine Ausbildung interessiert, kann sich den Betrieb aussuchen, hat etwa die Wahl zwischen einem übersichtlichen Familienbetrieb oder dem multinationalen Großkonzern. Das gab es noch nie!", bemerkte er. Bis vor wenigen Jahren sei die Situation sogar umgekehrt gewesen: Es habe deutlich mehr Bewerber als Stellen gegeben.

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Woran liegt die Trendwende? Eine Frage, auf die es gleich mehrere Antworten gibt. "Oft hängt es an mangelnder Unterstützung durch die Eltern, die einen sehr großen Einfluss auf den Nachwuchs ausüben – fehlt es hier am Vorbild, kann in seltensten Fällen eines geschaffen werden", ließ Kempf wissen.

Andererseits mache sich das Fehlen schulischer Angebote zur Berufsorientierung über die Pandemie hinweg schmerzlich bemerkbar: "Teilweise ist dieser Bereich coronabedingt entfallen. Das kann man nachvollziehen, aber damit ging auch eine wichtige und wertvolle Stütze verloren. Wer weder seine eigenen Stärken und Schwächen noch prinzipiell in Betracht kommende Lehrberufe und Firmen kennt, irrt hilflos umher", betonte er. Auch die Akademisierung erweise sich im Nachgang als kontraproduktiv. "Der Fachkräftemangel wurde zum Großteil durch die Politik gezüchtet. In den kommenden Jahren dürfte sich das Thema zwar aufgrund der attraktiven Chancen eines Facharbeiters wieder halbwegs ins Lot bringen lassen, aber es hat vor allem dem gewerblich-technischen Bereich sowie dem Handwerk viel Schaden zugefügt", fasste er zusammen.

Auf einen Empfang mit Grußwortrednern war auch heuer verzichtet worden, um den pragmatischen Charakter der Lehrstellenbörse zu unterstreichen: "Hier soll man in lockerer Atmosphäre schnell und zielgerichtet Informationen finden", erklärte Stefan Kempf.

Die meisten Aussteller kamen aus dem Neckar-Odenwald-Kreis, auch die Agentur für Arbeit war mit einem Stand vor Ort. Ebenso erfolgten Rundgänge durch die modern ausgestatteten Räumlichkeiten der ÜAB, um die Methoden und Berufsbilder vorzustellen. Selbstverständlich erteilten die Ausbilder sowie Auszubildende der einzelnen Berufe zahlreiche Informationen über die Firmen und die Stellen. Hier ergaben sich einige Kontakte: Einige der befragten Ausbilder freuten sich über Anfragen für Praktika und Lehrstellen.

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