Krankenhaus-Reform

Wird das Angebot der Neckar-Odenwald-Kliniken kleiner?

Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit Neckartal-Odenwald befürchtet Beschneidungen bei den Klinikleistungen durch die Reform.

24.01.2023 UPDATE: 24.01.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Wie sich die Krankenhausreform auf die beiden Standorte der Neckar-Odenwald-Kliniken (im Bild Mosbach) auswirken könnte, ist noch nicht klar. Die dritte Stellungnahme der Regierungskommission sorgt aber schon für Befürchtungen, dass es zu weiteren Zentralisierungen kommen könnte. Foto: Heiko Schattauer

Von Stephanie Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Das "System Fallpauschale" überwinden, dieses Ziel hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der vierten Sitzung der "Bund-Länder-Gruppe für die Krankenhausreform" Anfang Januar formuliert. "Das Ziel wird es sein, auf der Grundlage der Vorschläge der Regierungskommission Krankenhaus einen Reformentwurf zu entwickeln, mit dem wir das System der Fallpauschalen systematisch überwinden, wo Vorhaltekosten und Leistungskomplexe eine größere Rolle spielen. Und die Durchökonomisierung der Medizin vermieden wird", betonte Lauterbach.

Mit einem Gesetzentwurf wird bis zum Sommer gerechnet. Bereits im Dezember hatte die Kommission ihre dritte Stellungnahme veröffentlicht und darin die Leitlinien vorgegeben. Vorgesehen ist eine Unterteilung der Kliniken in verschiedene Level – und eine dementsprechende Vergütung der Vorhaltekosten. Nicht nur die Kliniken selbst, sondern auch die Menschen fragen sich: Wie geht es mit dem Krankenhaus vor Ort weiter?

Das Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit Neckartal-Odenwald hat dieser Tage eine Stellungnahme veröffentlicht. "Was die Einteilung in praktisch vier Levels (III, II, I n, I i) für Krankenhäuser im ländlichen Raum bedeuten wird, bleibt unklar", heißt es darin. Die Befürchtung des Bündnisses: Fast 650 Krankenhäuser mit Notfallstufe 0 (also keine) könnten zu integriert ambulant/stationären Behandlungszentren (Level I i) abgewertet werden, außerhalb der Kernzeiten gäbe es eventuell nur eine ärztliche Rufbereitschaft. "Kritiker bewerten dieses Level I i als Kombination aus Ärztezentrum und Kurzzeitpflege: dies seien dann keine richtigen Krankenhäuser mehr", schreibt das Bündnis.

Die Vermutung des Bündnisses: "Die Neckar-Odenwald-Kliniken mit aktuell Notfallstufe 1 würden möglicherweise wie weitere rund 650 Krankenhäuser in Level I n (mit Erhalt einer Basisnotfallversorgung) fallen. In Level I n sollen jedoch nur noch 13 von 128 definierten Leistungsgruppen angeboten werden. Haben sich kleinere Krankenhäuser in den letzten Jahren zwecks besserer Finanzierung ihres Betriebs zusätzlich spezialisiert, droht ihnen nun der Entzug der Berechtigung dafür." Level I n würde laut der Aussage des Bündnisses bedeuten, dass die Viszeral- und Gefäßchirurgie, die Geburtshilfe, die Orthopädie und die Unfallchirurgie mit Wirbelsäulenzentrum aufgegeben werden müssten, eine genaue Durchsicht der Stellungnahme der Regierungskommission lässt diesen Schluss ebenfalls zu. "Vor Kurzem hat die Schließung der Geburtshilfe in Mosbach noch zu erregten Reaktionen geführt. Auch bei den anderen zugelassenen Fachrichtungen könnte unter Umständen das Leistungsangebot auf Basisbehandlungen reduziert werden", befürchten die Verantwortlichen.

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Die Klinikleitung möchte sich zu den Planungen aktuell nicht äußern, verweist auf ihre Stellungnahme von Anfang Dezember. "Die Sachlage ist seither unverändert, es gibt noch keinen Gesetzentwurf. Entsprechend sind Spekulationen aus Sicht der Kliniken zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll und zielführend", heißt es auf eine Anfrage der Rhein-Neckar-Zeitung. Bereits im Dezember sagten Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn und Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Achim Brötel: "Mit Sorge erfüllt uns vor allem, dass das Papier zwar mit dem Anspruch angetreten ist, die Krankenhausversorgung nachhaltig zu stabilisieren, in Wirklichkeit jedoch den Geist einer weiteren Zentralisierung und einer Verringerung der Gesamtzahl der Krankenhäuser atmet." Denn das Erlösvolumen der Krankenhäuser soll unverändert bleiben – es wird nicht mehr Geld im System geben, dieses soll nur anders verteilt werden. "Unter dem Strich läuft die Reform also wohl auf eine gigantische Umverteilung unter weniger Krankenhäusern als bisher hinaus."

Ganz entscheidend dafür sei die Einstufung des einzelnen Krankenhauses in einen bestimmten Level und die ausdrückliche Zuweisung von bestimmten Leistungsgruppen. Für beides sollen die Bundesländer zuständig sein. "Insofern steht zu befürchten, dass diejenigen Länder, die schon bisher nicht die Kraft zu weitreichenden Reformen gehabt haben, auch künftig an ihren überkommenen Strukturen festhalten werden. Baden-Württemberg, das bereits aktuell im Bundesvergleich eine extrem niedrige Bettendichte hat, hätte dann aber ein weiteres Mal das Nachsehen", meinten Hehn und Brötel.

Welche Auswirkungen die Reformvorschläge ganz konkret auf die Neckar-Odenwald-Kliniken haben könnten, lässt sich demnach erst beurteilen, wenn klar ist, welche Leistungsgruppen den Kliniken Land tatsächlich zugewiesen werden. "Nur für diese Leistungsgruppen gibt es nämlich nachher auch ein Vorhaltebudget." Und die Klinikspitze teilte schon im Dezember, die das Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit nun auch wieder aufwirft: Die Gefahr, dass es gerade dabei zu massiven Beschneidungen des derzeitigen Leistungsspektrums der Kliniken kommen könnte. "Wenn das Krankenhaus vor Ort am Ende nur noch diejenigen Leistungen erbringen darf, die das Land ihm zuweist, geht das aber nicht nur an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, sondern kann auch ganz schnell dazu führen, dass das, was dann noch bleibt, zum Überleben erst recht nicht mehr ausreicht. Dann hilft aber auch ein Vorhaltebudget nicht mehr weiter", lauteten die deutlichen Worte der Klinikleitung.

Das Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit fordert nun "Klarheit über die konkrete Ausgestaltung und Folgen der vorgesehenen Reform" sowie "eine öffentliche Diskussion auch über Alternativen".

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