Werkrealschule Eberbach

"Mobbing passiert eher in der Freizeit"

In der Werkrealschule ist noch kein gravierender Fall aufgetreten - Prävention wird groß geschrieben - Wichtig ist, Grenzen zu setzen

12.09.2017 UPDATE: 13.09.2017 06:00 Uhr 4 Minuten, 13 Sekunden

Udo Geilsdörfer, Schulleiter der Werkrealschule Eberbach, im Gespräch. Foto: Hajo Eckert

Von Hajo Eckert

Eberbach. Auch an der Werkrealschule kommen Mobbing-Fälle vor. Das Spektrum beginne bei simplen Beschimpfungen. An der Schule sind die Kinder aber nur einen Teil des Tages. Mobbing passiere nicht nur innerhalb der Schule, sondern oft außerhalb. Wirke sich dann aber auch im Schulalltag aus, erklärt Schulsozialarbeiterin Angelika Reinalter. Mobbenden müssen Grenzen gesetzt werden. Sonst setzt sich Mobbing-Verhalten auf dem weiteren Lebensweg fort. Schulleiter Udo Geilsdörfer und Schulsozialarbeiterin Angelika Reinalter schildern die Situation.

Hintergrund

Handy, Smartphone, Tablet und PC sind fester Bestandteil des täglichen Lebens in unserer Gesellschaft. Laut einer aktuellen OECD-Sonderstudie werde jeder sechste 15-jährige Schüler in Deutschland regelmäßig Opfer von Mobbing. Da helfe "nur eine Null-Toleranz-Praxis, um

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Handy, Smartphone, Tablet und PC sind fester Bestandteil des täglichen Lebens in unserer Gesellschaft. Laut einer aktuellen OECD-Sonderstudie werde jeder sechste 15-jährige Schüler in Deutschland regelmäßig Opfer von Mobbing. Da helfe "nur eine Null-Toleranz-Praxis, um deutlich zu machen, dass so etwas nicht akzeptiert wird", kommentierte OECD-Direktor Andreas Schleicher. Es brauche die "Kultur des Hinschauens". Mobbing unterscheidet sich durch verschiedene Formen. Unterschieden werden zum Beispiel "direktes Mobbing" mit Hänseln, Drohen, Abwerten, Beschimpfen, Bloßstellen, Schikanieren. Und "indirektes Mobbing" wie Ausgrenzen, Ruf schädigen. Die Folgen bei den Betroffenen sind unter anderem psychische Störungen, psychosomatische Beschwerden, Veränderungen im Sozialverhalten bis hin zum Suizid. Die Situation an Schulen im Raum Eberbach erörtert die Rhein-Neckar-Zeitung mit Schulleitern und Schulsozialarbeitern.

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Wie beurteilen Sie das Thema "Mobbing über Social-Media" an Ihrer Schule?

Udo Geilsdörfer: Das Mobbing über Soziale Netzwerke ist an der Werkrealschule kein gravierendes Thema. Betroffenen steht jederzeit die Schulsozialarbeiterin als Ansprechperson zur Verfügung. Ein Vorfall wird mit ihr besprochen. Manchmal wollte ein Verursacher nur einen Spaß machen. Dann reicht meist der Hinweis, dass so etwas verletzend ist. Oft sind die Schüler dann einsichtig. Unsere Schüler sind zwischen 10 bis 17 Jahren alt. Die Situation ist von Schule zu Schule unterschiedlich.

Wurden die Schulen von der Handywelle überrollt?

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Geilsdörfer: Nein. An unserer Schule existiert ein Handyverbot.

Was treibt Jugendliche zum Mobbing über Soziale Netzwerke?

Angelika Reinalter: Meist haben die Schüler die gleichen oder ähnliche Probleme wie früher. Die Art der Aufarbeitung ist anders. Heute wird viel über Social-Media, über Neue Medien, aufgearbeitet. Das ist, was den negativen Aspekt ausmacht.

Worin sehen Sie den negativen Aspekt?

Reinalter: Über die Neuen Medien verbreitet sich Mobbing einfach besser und teils gezielter. Die Gefahr ist schon da. Jugendliche müssen aufgeklärt werden, in verschiedene Richtungen. Mobbing findet sicherlich nicht ausschließlich an Schulen statt. Dort sind die Jugendlichen nur einen Teil des Tages.

Sie meinen, dass Mobbing-Konflikte eher von außen in die Schule hineingetragen werden?

Reinalter: Viel Mobbing passiert eher in der Freizeit und schlägt in der Schule nicht auf. Die Frage ist: wie wirke ich als Schule auf Mobbing ein, das in der Freizeit passiert. Denn das ist die Privatsache der Schüler und betrifft eher die Aufsichtspflicht der Eltern. Allerdings können Kinder ihren Streit auch in die Schule über Social-Media weitertragen. Als Schule greifen wir nur ein, wenn dies in den Schulalltag einwirkt und ihn belastet. Wir können nicht mehr machen, als auf die betroffenen Schüler einwirken.

Wie geht die Schule vor bei einem Mobbing-Fall, der in den Schulalltag einwirkt?

Geilsdörfer: Die Schulsozialarbeit ist sofort im Boot und regelt die Angelegenheit eigenständig mit allen Betroffenen. Erst wenn die Situation prekärer ist, wird die Schulleitung eingeschaltet.

Wird an der Schule eine Prävention für Mobbing durchgeführt?

Reinalter: Prävention wird laufend und stetig durchgeführt. Es gibt eine Liste mit Empfehlungen über das Vorgehen in Mobbing-Fällen. Den Schülern geben wir Empfehlungen im Umgang mit den Sozialen Netzwerken; zum Beispiel die Social-Media Funktionen gezielt blockieren, nicht alles freigeben. Die Polizei führt auch ein Präventionsprogramm durch.

Welche Präventionsmaßnahmen gibt es?

Geilsdörfer: Im Bildungsplan ist das Thema "Medienkompetenz" vorgesehen, das auch Teil der Prävention ist. Ferner haben wir ein Medien-Curriculum für die Schule. Sozusagen ein Handbuch für den sinnvollen Umgang mit den Neuen Medien und Sozialen Netzwerken. Das Curriculum wird praktiziert von Klasse 5 bis 10.

Was raten Sie einem Schüler bei einem konkreten Mobbing-Fall?

Reinalter: Wir raten den Schülern einen Vorfall direkt bei den Sozialen Netzwerken zu melden. Den Vorgang auf jeden Fall dokumentieren und nicht löschen. Je nach Situation sollte der Betroffene eine Anzeige machen. Die Frage ist: wie kann man die Kinder auf die Gefahren aufmerksam machen. Wichtig ist: wenn dir so was passiert, sag es weiter, um Hilfe zu erhalten.

Wie oft kommt Mobbing an der Schule vor?

Geilsdörfer: Mobbing ist ein inflationär gebrauchtes Wort. Seit Jahren gab es an unserer Schule keinen Fall, der tief geht. Wir haben wenig Fälle. Ich glaube, das liegt unter anderem am Medien-Curriculum. Gemäß Bildungsplan werden Neue Medien und Soziale Netzwerke thematisiert und im Unterricht behandelt. Jugendliche kommen manchmal auch zu ihrem Lehrer und lassen sich beraten.

Handelt es sich mehr um harmlose Sachen, die durch die größere, schnellere digitale Verbreitung eine andere Dimension erlangen?

Reinalter: Manche Schülergruppen betiteln sich, teils über Whatsapp, mit Schimpfwörtern. Der Lehrer oder die Schulsozialarbeiterin meint: "Betitelt euch doch nicht so". Es sei doch nur ein Spaß, meinen die Schüler. Ein anderes Mal empfindet es einer wiederum als Beleidigung. Was für die Einen ein Spaß, ist für Andere verletzend. Manche Jugendliche sind feinfühlig, andere kennen die Grenzen nicht.

Glauben Sie, dass bei manchen eine bösartige Absicht dahinter steckt?

Reinalter: Bösartig macht es vermutlich keiner. Es sind eher emotionale Kurzschlusshandlungen. Gerade im pubertären Alter sind es meist "Beziehungskisten", die auseinandergehen, und in der Art unter Jugendlichen abgehandelt werden. Das Beziehungsgeflecht unter Schülern ist eher Anlass und Grund zum Mobbing-Verhalten. Manchen müssen die strafrechtlichen Folgen aufgezeigt werden. Bei manchen ist es auch nur ein "Dummer-Jungen-Streich" über Cyber. Generell gilt: Mobbing ist eine Form von Gewalt, und Gewalt tut weh.

Wie stellte sich ein Fall dar, der tiefer ging?

Geilsdörfer: Einmal hat ein Schüler ein Video gedreht. Er wurde mit einer Erziehungsmaßnahme nach Paragraph 90 des Landes-Schulgesetzes bestraft.

Wie gehen Sie mit einem schwerwiegenderen Fall um, wenn er eintritt?

Geilsdörfer: Die Schule ist mit der Polizei Eberbach in ständigem Kontakt. Es ist abgesprochen, inwieweit die Schule einen Vorfall intern regelt. Und ab wann dieser an die Polizei gemeldet wird. Diese Zone wird beachtet. Wenn der Behörden-Apparat einmal in Gang gesetzt ist, dann läuft die Sache bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Eine Eskalation ist noch nie vorgekommen.

Hat sich das Sozialverhalten der Schüler verändert?

Reinalter: Das Sozialverhalten unter Schülern hat sich nicht negativ verändert. Kids denken, sie wären alleine mit ihren Problemen. Meist sind es aber Probleme, die andere auch hatten, wie Liebeskummer. Veränderungen im Sozialverhalten sind der Zeit geschuldet.

Liegt im Mobbing-Verhalten manchmal ein Versagen des Elternhauses?

Reinalter: Sicher haben Eltern die Aufsichtspflicht. Meist gehen beide arbeiten. Die Kinder sind allein zu Hause; haben Handy, PC, Smartphone. Alle Möglichkeiten sind gegeben. Eltern müssen einwirken, das ist schon deren Aufgabe.

Sind die Kids zu einsam, ist das ein Auslöser?

Geilsdörfer: Einsamkeit am Nachmittag ist mit Sicherheit auch ein Auslöser für Mobbing. An Elternabenden wurden die Eltern hingewiesen, dass sie schauen sollten, was die Kinder am Handy treiben. Das kommt bei vielen Eltern gut an, bei anderen weniger oder gar nicht.

Wie geht die Schule in Zukunft mit Handys und digitalen Medien um?

Geilsdörfer: In den nächsten zwei Jahren wollen wir Handys bewusst im Unterricht einsetzen. WLAN soll an der ganzen Schule verfügbar sein. Es muss aber klare Nutzungs- und Verhaltensregeln geben.

Haben Sie ein Resümee?

Geilsdörfer: Man darf Mobbing nicht pauschalisieren. Aber aufpassen, dass keiner seelisch verletzt wird. Empathie fördern und ins Bewusstsein rufen. Die Schüler nehmen es in der Regel an.

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