Zusammenhalt stärken ist Gnade der Wallfahrt
Auftakt der Hauptwallfahrtszeit: Domkapitular Michael Hauser öffnet Blutschrein.

Walldürn. (Sti.) "Warum sehnen sich die Menschen so sehr nach Wallfahrten trotz der widrigen kirchlichen und öffentlichen Zeitumstände?" Diese Frage warf am Sonntag Domkapitular Michael Hauser in den Raum. Der Geistliche war aus Freiburg nach Walldürn gekommen, um den Blutschrein am Blutaltar in der Basilika zu öffnen und damit am Hochfest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit den Auftakt für die vierwöchige Hauptwallfahrtszeit zu geben. Die Wallfahrt "Zum Heiligen Blut" steht unter dem Leitwort "Wir sind gekommen, ihn anzubeten" (Matthäus-Evangelium).
Nach einem coronabedingten "Totalausfall" im Jahr 2020 und einer Wallfahrt im kleinen Rahmen im Vorjahr kann sie laut Stadtpfarrer Josef Bregula nun wieder in fast gewohnter Weise stattfinden. Der Pater freute sich, an eine alte Tradition anknüpfen zu können: dass ein Domkapitular von Freiburg nach Walldürn kommt, um den Eröffnungsgottesdienst zu feiern und den Blutschrein feierlich zu öffnen. Den Pilgern wünschte er, dass sie an diesem Gnadenort Kraft schöpfen für ihren weiteren Weg, um dann "am Ziel ihres Lebens ebenfalls die Frucht zu ernten in der Gemeinschaft mit Jesus Christus".
Hauptzelebrant Michael Hauser erklärte eingangs, dass die Kirche auf der Suche nach neuen Formen sei, den Glauben zu leben und zu bekennen: "Wir müssen Schuld und Scheitern in der Kirche erleben, weil auch in der Kirche Menschen mit ihren Fehlern und Sünden arbeiten." Dass sich viele Menschen aus dem kirchlichen Leben zurückziehen, führte er unter anderem auf eine Hilflosigkeit zurück, die sich während der Corona-Krise und nun dem Ukraine-Krieg verbreite. "Viele kirchliche Angebote stagnieren und werden selten nachgefragt, aber trotz allem scheint es einen ungebrochenen Boom nach Wallfahrten zu geben", fasste Hauser zusammen.

Als erste Wallfahrten bezeichnete der Domkapitular die große Pilgerfahrt nach Jerusalem, wo Jesu gelebt, gestorben und wiederauferstanden sei, und ferner zu den Gräbern der Apostel nach Rom und Santiago de Compostela. Weil Gott Mensch geworden sei, weil er in einer konkreten Zeit und einem konkreten Ort gelebt habe, würden wir Menschen glauben, dass Gott an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten noch heute in die Welt eintrete und sich verleibliche. An einem bestimmten Ort sei eine Erscheinung geschehen oder ein Wunder an einem Menschen, oder eine Gnade sichtbar geworden an einem Menschen – kurz: "Gott ist in die Welt eingetreten." So entstehe laut Hauser ein Wallfahrtsort. "Oft ist ein solcher Ort eine Quelle des Gebets und der Anbetung, ein besonderer Beichtort, ein Ort, an dem viele Menschen zum Glauben finden oder ihre Lebenswende, ihre Bekehrung erfahren", sagte der Geistliche in seiner Predigt. Das Blutwunder von Walldürn zeige zudem: "Aus einem Missgeschick kann Großes werden, weil und wenn Gott es will." Das eucharistische Wunder von Walldürn zeige: "Gott lässt uns nicht allein, er kommt in unsere Welt, in den heiligen Sakramenten ist er bleibend nah."
Michael Hauser zufolge ist jede Eucharistiefeier nur in der Gemeinschaft der Kirche möglich. So zeige gerade jede Wallfahrt in ganz besonderem Maße: "Niemand glaubt für sich allein, es braucht die gute, tragende Gemeinschaft der Kirche." So bezeichnete er es als eine Gnade der Wallfahrt, dass das Pilgern den Zusammenhalt stärke und sich einer auf den anderen verlassen könne. "Gerade in einer Kirche, die angefochten ist, weil manche ihr nichts Positives mehr abgewinnen können und nur noch das Negative sehen, braucht es Menschen, die gemeinsam unterwegs sind und zueinander stehen", betonte der Freiburger Geistliche.
Allen, die nun während oder nach der vierwöchigen Hauptwallfahrtszeit nach Walldürn an den Blutschrein zum Beten kommen, gab der Domkapitular eine einfache Anleitung an die Hand: "Seid einfach da, öffnet euer Herz, schenkt euch dem Herrn und lasst euch von ihm erfüllen." Er rief alle Gläubigen dazu auf zu kommen, sich selbst zum Herrn zu bringen, ihn mit Worten und ohne Worte und mit offenem Herzen anzubeten sowie sich zu mühen, auf einem anderen Weg – verändert – dann wieder heimzugehen in den Lebensalltag. Für Hauser sind Wallfahrten also ein wichtiger Baustein des Glaubens: "Hier können wir Gemeinschaft erfahren und einander im Glauben bestärken, hier können wir zur Anbetung finden, die das Herz öffnet für Christus, können uns ihm schenken und uns von ihm beschenken lassen."
Am Festgottesdienst hatte eine größere Pilgergruppe aus Laudenberg teilgenommen. Organist Sven Geier und Vokalistin Katrin Kirchgeßner-Agbowo hatten die Messe musikalisch umrahmt. Der Fernsehsender K-TV übertrug diesen Gottesdienst, und zusätzlich weilte ein Fernsehteam des SWR für die Eröffnung des Blutschreins in Walldürn.